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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 22:91–110.

RICHARD PRAŽÁK

Die tschechisch-ungarischen Beziehungen im Mittelalter (bis 1526)

 

Franz Palacký erklärte in seiner Geschichte von Böhmen: „Die Invasion der Magyaren und ihre Festsetzung in Ungarn ist eines der folgenreichsten Ereignisse in der Geschichte Europas; sie ist das größte Unglück, das die Slawenwelt betroffen hat.”l Heute wissen wir, dass die Ungarn nach ihrer Ankunft im Karpatenbecken im Jahre 896 zunächst als Konföderierte der Mährer und deren Verbündete gegen die Bayern auftraten, aber nach dem bayrisch-mährischen Frieden im Jahre 901 sich gegen beide wandten. Darüber, inwieweit sie zum Fall des durch innere Streitigkeiten unterwühlten Großmährischen Reiches beigetragen haben, können nur Vermutungen angestellt werden. Nach den abenteuerlichen Feldzügen der Ungarn durch Europa in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts hat zu ihrer endgültigen Ansiedlung in der Donauebene der Umstand verholfen, dass sie in der Schlacht auf dem Lechfeld bei Augsburg im Jahre 955 von Kaiser Otto I. eine Niederlage erlitten. Den Kaiser unterstützten hier auch die tschechischen Truppen Boleslaws I.2

Einen bedeutenden Bestandteil der tschechisch-ungarischen Beziehungen bildete die Mission des Heil. Adalbert und seiner Schüler bei der Verbreitung des Christentums. Der Fürst Geysa wurde bereits im Jahre 972 von dem St. Gallener Missionsbischof Bruno getauft. Stephans Taufe folgte vermutlich bald danach, wenn sie auch nach der ungarischen Überlieferung St. Adalbert zugesprochen wird. Dieser besuchte Ungarn in den Jahren 989 und 995 und bei einer dieser Reisen hat er Stephan wahrscheinlich gefirmt. Von Adalberts Schülern hat sich an dem Aufschwung des Christentums in Ungarn am meisten der Mönch Anastasius-Astrik von Břevnov verdient gemacht. Er brachte Stephan im Jahre 1000 vom Papst Silvester II. aus Rom die Königskrone und wurde nach dem Abt des Benediktinerklosters in Martinsberg (Pannonhalma) auch Erzbischof in Gran.3 Öfters besuchte König Stephan der Heilige Günther, ein tschechischer Einsiedler deutschen Ursprungs aus dem Böhmerwald, ein Verwandter von Stephans Gattin Gisela. Dieser hat auch zur Gründung der Benediktiner Abtei in Bakonybél Anfang der 30er Jahre des 11. Jhs. einen Beitrag geleistet.4

Der St.-Adalbert-Kult dominierte in Ungarn bereits nach dem Tode des Heiligen. Der Heilige Stephan selbst machte ihn zum Schutzheiligen der ganzen Graner Diözese („pius patronus ecclesiae Strigoniensis”) und er weihte ihm zu Ehren im Jahre 1010 auch die Graner Kathedrale ein. Der Heil. Adalbert wurde zum Schutzheiligen einer Reihe von ungarischen Abteien und Propsteien und nach dem frühen Mittelalter kam es nach dem Tridentiner Konzil im 16. Jh. und dann wiederum im 18. Jahrhundert zu einer erneuten Blüte seines Kultes. Etwas später setzte sich in Ungarn in einem kleineren Ausmaß auch der Kult des Heil. Wenzels durch; so ist z. B. die dem Heil. Wenzel geweihte Kirche in der Gemeinde Jennersdorf (Gyanafalva) an der ungarisch-österreichischen Grenze aus dem Jahre 1208 zu nennen. Bemerkenswert ist der Umstand, dass der Heil. Wenzel zum Schutzheiligen der Winzer geworden ist. Sein Namenstag am 28. September fällt des öfteren auf den Tag der Weinlese; ein traditionelles Winzerfest fand an seinem Namenstag zu seinen Ehren regelmäßig in der Gemeinde Tállya statt, wo in der örtlichen Kirche auch ein Wenzelaltar war.5

Noch zu Stephans Lebzeiten fiel im Sommer 1031 der mährische Teilfürst Brzetislaw in Ungarn ein. Dies war die Vergeltung für den Frieden, den der Sohn und Mitherrscher des Kaisers Heinrich mit König Stephan im Frühjahr 1031 geschlossen hatte und der für die Tschechen unvorteilhaft war. Stephan erwarb dadurch nicht nur österreichisches Gebiet, sondern auch einen Teil Westmährens. Schon als böhmischer Fürst Brzetislaw I. unterstützte Brzetislaw nach Stephans Tode dessen Nachfolger, den König Peter Orseolo. Gemeinsam mit ihm überfiel er im Jahre 1039 die bayerische Ostmark und Kärnten. Umgekehrt bot dann Peter Orseolo Brzetislaw seine Hilfe im Vergeltungsfeldzug gegen Heinrich III. im August 1040 an. Später, als im Jahre 1041 Samuel Aba den ungarischen Thron bestieg, änderte sich die Situation. Heinrich III. trat für die Rechtsgültigkeit der Ansprüche von Peter Orseolo auf den ungarischen Thron ein und wurde darin auch von Brzetislaw unterstützt, der bereits um ein Jahr früher in den Altaischen Annalen als Peters Senior genannt wird. Brzetislaw hat offensichtlich auch den Feldzug des Kaisers gegen Samuel Aba im Jahre 1044 unterstützt, wodurch Peter Orseolo kurzfristig auf den ungarischen Thron zurückkehren konnte. Dafür musste Peter Orseolo im Mai 1045 in Stuhlweissenburg Heinrich III. die Lehenstreue geloben. Ungarn hat sich so für eine bestimmte Zeit vom Papst an die Seite des römisch-deutschen Kaisers geneigt; dieser Politik folgte z. B. auch Andreas I , der Nachfolger Peter Orseolos auf dem ungarischen Thron.6

Durch die engen Beziehungen der Przemysliden und der Árpáden suchten die Angehörigen des Geschlechts der Przemysliden, die in Streitigkeiten mit ihrem Herrscher geraten sind, oft eine Unterstützung auf dem ungarischen Königshofe. Erwähnen wir z. B. den mährischen Fürsten und späteren böhmischen König Wratislaw, der sich im Jahre 1055 gegen den Fürsten Spytignew an den ungarischen König Andreas I. wandte, der ihm seine Tochter Adelheid zur Frau gab.7 Auch die von Spytignew aus dem Lande vertriebenen Mönche des slawischen Ritus aus dem Kloster in Sazawa, mit dem Neffen des Heil. Prokop, dem Abt Veit an der Spitze, fanden Ende der 50er Jahre des 11. Jahrhunderts im benediktinisch-basilianischen Kloster in Vyšehrad ihren Zufluchtsort.8 Der Olmützer Fürst Otto, der Eufemia, die jüngere Schwester der ungarischen Könige Geysa I. und Ladislaw I. ehelichte, gründete gemeinsam mit seiner Frau im Jahre 1078 ein Kloster am Burgwall bei Olmütz, wobei er sich an die Formulierungen in der Gründungsurkunde der Abtei von Százd aus dem Jahre 1067 stützte. Als der ungarische König Ladislaw I. in den 90er Jahren des 11. Jahrhunderts in dem Gebiet der Flüsse Sawe und Drau das Agramer Bistum mit der Aufgabe gegen den ketzerischen Bogomilismus anzukämpfen, gegründet hatte, setzte er an die Spitze dieses Bistums auf slawischem Gebiet den Tchechen Duch ein, einen Bischof des lateinischen Ritus, der den dortigen Slawen sprachlich nahestand.9 Für den Verfasser der größeren Stephanlegende, eines der ältesten Denkmäler des ungarischen lateinischen Schrifttums, das unter der Regierung Ladislaws in den Jahren 1077-1083 im Zusammenhang mit der Heiligsprechung Stephans entstanden ist, wird auch ein unbekannter tschechischer Benediktiner gehalten. In dieser Legende findet sich der bekannte Traum Geysas, dem – noch als Heiden – in dem Traum ein Engel erschien, der ihm die Ankunft des böhmischen Bischofs Adalbert verkündete; dieser bringe Ungarn das Christentum und werde Geysas in Bälde geborenen Sohn taufen.10

Wenn man die ungarischen St.-Stephanslegenden, die an der Neige des 11. und Anfang des 12. Jahrhunderts entstanden sind mit den älteren St.-Wenzelslegenden vergleicht, gelangt man zur Erkenntnis, dass die Wenzelslegenden aus dem 10. Jahrhundert zum ersten Typ der Königslegenden gehören; sie verherrlichen die Könige – Heiligen mit asketischer Ausrichtung, die für jenes Jahrhundert bezeichnend waren. Dieser Art ist auch die wesentlich jüngere größere Stephanslegende, wogegen die kleinere Stephanslegende sowie auch die Stephanslegende des Hartwik aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts bereits zum zweiten Typ der Königslegenden gehören. In jenem Legendentyp, der sich erst zur Zeit des Kampfes um die Investitur verbreitet hatte, geht es um die Verherrlichung der heiligen Könige-Kämpfer gegen die Feinde der Kirche. Ein Keim dieses zweiten Legendentyps über die heiligen Könige-Kämpfer findet sich schon in unserer St.-Wenzelslegende von Christian aus dem Ende des 10. Jahrhunderts, in der sich der Fürst von Kouřim (Rauchenberg) dem Heiligen Wenzel freiwillig unterwirft.11

Reichhaltigere Berichte über den gegenseitigen Beziehungen zwischen Ungarn und den böhmischen Ländern als in den Legenden finden sich in den zeitgenössischen Chroniken. In der Cosmas-Chronik erfahren wir z. B., dass im Jahre 1091 der Sohn von Wratislaw mit zweitausend Kämpfern nach Ungarn anrückte und sich in der Gemeinde Bánov (Banow) niederließ, von wo er nach Verlauf eines Jahres nach Böhmen zurückkehrte und im September 1092 den böhmischen Fürstenthron bestieg. Cosmas, der am 14. Juni 1099 in Gran die Priesterweihe entgegennahm, widmete in seiner Chronik den tschechisch-ungarischen Beziehungen eine erhebliche Aufmerksamkeit. Über die Begegnung des Fürsten Brzetislaw II. mit dem ungarischen König Koloman auf dem Feld Lucko bei der mährisch-ungarischen Grenze an dem Fluss Olssen in der Nähe von Ungarisch Brod im Jahre 1099 schreibt Cosmas:

„Ac inter se immensis mutuatim datis muneribus, renovant antiqua amitiae et pacis foedera et ea sacramentis confirmant”.12 Auch der Domherr von dem Vyšehrad, der erste Nachfolger von Cosmas, erwähnt die Weiterentwicklung dieser tschechisch-ungarischen Freundschaft im Zusammenhang mit der Beziehung des böhmischen Fürsten Sobieslaw zum ungarischen König Béla II., dessen Schwester Adelheid Sobieslaw heiratete.13 In den 30er Jahren des 12. Jahrhunderts besuchte er mit ihr des öfteren den ungarischen König. Das Verwandtschaftsverhältnis veranlasste auch den böhmischen König Wladislaw II. im Jahre 1064 für die Ansprüche der Königin-Witwe Euphrosina und deren Sohnes Stephan III. gegen den, von dem byzantinischen Kaiser Manuel I. unterstützten Gegenkönig, Stephan IV. einzutreten. Wladislaw hat mit militärischen Kräften Manuel dazu gezwungen, den Frieden zu schließen und die Regierung Stephans III. anzuerkennen.

Die verwandtschaftlichen Korrelationen zwischen den Przemysliden und Árpáden waren auch Ende des 12. und im 13. Jahrhundert von Wichtigkeit. Bereits der ältere Bruder von Przemysl Otakar I., Friedrich heiratete auf Anregung seines Vaters Wladislaw II. die Schwester des ungarischen Königs Béla III. Elisabeth. Auch sein Bruder der Olmützer Fürst Swatopluk heiratete eine unbekannte ungarische Prinzessin. An der Wende des 12. und 13. Jahrhunderts wurde die Verwandtschaftspolitik zwischen den Przemysliden und Árpáden sogar zum Bestandteil des Kampfes zwischen den Staufern und Welfen um den kaiserlichen Thron. Als Przemysl Ottokar I. im Jahre 1199 seine erste Gattin Adelheid von Meißen verstoßen hatte und Konstantia, die Schwester des ungarischen Königs Emmerich heiratete, wobei sich in diese Causa auch der Papst Innozenz III. einschaltete, lief Przemysl mehrmals von dem Staufer Philipp von Schwaben zu Otto IV. über, was auch sein Verhältnis zu den beiden Gattinnen beeinflusste. Nach dem Tode Emmerichs und nach der Versöhnung mit Philipp von Schwaben im Jahre 1204 nahm er seine erste Gattin Adelheid wieder auf, um sie ein Jahr später, als ihm Konstantia den Thronfolger Wenzel schenkte, wieder zu verstoßen. Konstantia war die Mutter der Heiligen Agnes und machte sich um ihren Platz in der Geschichte auch durch die Gründung des Zistenzienserinnen-Klosters Porta coeli in Vorkloster bei Tischnowitz im Jahre 1233 verdient.14

Voller Widersprüche war die Entwicklung der Beziehungen zwischen dem böhmischen König Przemysl Ottokar II. und dem ungarischen König Béla IV. und dessen Sohn Stephan V. Gegenstand ihrer Streitigkeiten war vor allem das so genannte Babenberger Erbe. Nach der Eheschließung von Przemysl Ottokar II. mit Margarethe von Babenberg und der Übernahme des Babenberger Erbes von Seiten der Przemysliden, griff Béla IV. in den Jahren 1252-1253 mehrmals Österreich sowie auch Mähren an. Der für Przemysl ungünstigen Entwicklung des Kriegskonflikts ist erst der Papst Innozenz IV. beigekommen, der die beiden verfeindeten Parteien zu einem kompromissvollen Friedensschluss in Ofen am 3. April 1254 (bestätigt am 1. Mai desselben Jahres in Pressburg) bewogen hatte. Danach behielt Ottokar II. von dem Babenberger Erbe Ober- und Niederösterreich mit dem nördlichen Teil der Steiermark, wogegen Béla IV. der südliche Teil des steirischen Fürstentums vom Semmering bis zu Kärnten zugefallen ist. Zum „Kapitän” des steirischen Herzogtums im Dienste des ungarischen Königs wurde zunächst Stephan Gutkeled, seit dem Jahre 1258 Bélas Sohn und Thronerbe Stephan, und zwar schon im Rang des „steirischen Herzogs”. Zwischenzeitlich gewann jedoch Przemysl führende steirische Magnate auf seine Seite, die ihm im März 1260 in Wien ihre Huldigung darbrachten. Diese Situation mündete in einem entscheidenden Zusammenstoß zwischen Przemysl Ottokar II. und Béla IV. in der Schlacht bei Kressenbrunn am 12. Juli 1260. Diese Schlacht endete mit einer vernichtenden Niederlage des ungarischen Königs und seiner Verbündeten. Béla IV. musste seine Pläne auf die Beherrschung der österreichischen Länder umwerten und entschied sich für ein Bündnis mit Przemysl Ottokar II., der ihm vor der drohenden Gefahr eines neuen Tatareneinfalls Hilfe leisten konnte. Ein solcher hat bereits in den Jahren 1241-1242 Ungarn große Schäden zugefügt. Anfang des Jahres 1261 ist Béla IV. in Ofen mit dem böhmischen König zusammengekommen und besuchte gemeinsam mit ihm Bélas Tochter Margarethe, die als Nonne im Dominikanerkloster auf der Hasen- (heute Margarethen-) insel an der Donau zwischen Ofen und Pest lebte. Przemysl Ottokar II. „hingerissen von ihrer Schönheit „ hielt bei Béla um ihre Hand an. Der ungarische König schrieb an den Papst um die Bewilligung für Margarethes Eheschließung mit Przemysl zu erwirken. Przemysl musste sich nämlich von seiner fast um dreißig Jahre älteren Gattin Margarethe von Babenberg scheiden lassen. Diese war ebenfalls früher eine Dominikaner-Nonne im Würzburger Kloster, wo sie nach dem Tode ihres ersten Gatten Heinrichs VIII. Zuflucht fand. Der Plan der Eheschließung von Przemysl und Margarethe von Ungarn scheiterte jedoch auf der Halsstarrigkeit Margharethes, die unter Zustimmung des ungarischen Provinziales der Dominikaner, Marcellus und unter Gegenwart des Graner Erzbischofs und weiterer kirchlicher Würdenträger „die Verhüllung in den heiligen Schleier forderte”. So steht es in der Margarethenlegende von Marcellus. Sie vereitelte dadurch die Pläne ihres Vaters auf ihre Ehe mir Przemysl. Nach dem Friedenschluss mit Béla IV. am 31. März 1261 in Wien heiratete Przemysl nach weiteren Verhandlungen Bélas Enkelin Kunigunde, die Tochter des Fürsten Ratislaw von Mačva und der Tochter von Béla, Anna. Die Trauung fand am 25. Oktober 1261 in Pressburg statt und zu Weihnachten 1261 wurde das königliche Paar in Prag von dem böhmischen Metropoliten und Mainzer Erzbischof Werner Eppenstein feierlich gekrönt. Béla IV. lebte dann bis zu seinem Tode mit Przemysl Ottokar II. in einem dauerhaften Frieden. Margarethes Widerwillen gegen die Eheschließung mit Przemysl und die Unterstützung, die ihr dabei von Seiten des Dominikaner Provinzials zukam, teilte auch der Thronfolger Stephan, der zur Zeit des Besuches von Przemysl absichtlich aus Ofen weggefahren ist und seinem Vater in den späteren Streitigkeiten die freundschaftliche Politik den Tschechen gegenüber ausgesetzt hat. Béla IV. hat an dieser Politik nach dem Wiener Frieden in jeder Hinsicht festgehalten.15

Der ungarische König Stephan V. (regierte 1270-1272) hat in der Zeit seiner kurzfristigen Regierung zweimal gegen Przemysl Ottokar II. gekämpft. In der ersten Schlacht, am 12. Mai 1271, wurde Stephan geschlagen und Przemysl eroberte die Stadt Ungarisch Altenburg und die Burg Weiselburg, wobei Stephan hinter den Fluss Rabnitz abrückte und am 21. Mai 1271 an diesem Fluss die Truppen des böhmischen Königs geschlagen und dazu gezwungen hatte, sich nach Pressburg und von dort aus nach Wien zurückzuziehen. Stephans Armee hat bei der Verfolgung der Tschechen Oberösterreich und Südmähren, wo sie bis in die Umgebung von Brünn gelangten, stark verwüstet. Am 2. Juli 1271 haben Stephan V. und Przemysl Ottokar II. in Pressburg den Frieden geschlossen, wodurch der status quo aus den Zeiten der Regierung Bélas IV. bestätigt wurde.16

Nach dem frühen Tode Stephans folgte im Jahre 1273 Przemysls Feldzug nach Ungarn, wo die Mährer als Vergeltung für den Einfall der Kumanen in Mähren im Februar dieses Jahres das ganze westliche Grenzgebiet Ungarns nach und nach geplündert hatten. Przemysl wollte dadurch den Tod seines Schwagers Béla von Mačva rächen, der von Heinrich von Kőszeg, und zwar unter wesentlicher Zustimmung des minderjährigen ungarischen Königs Ladislaw, auf der Haseninsel auf bestialische Weise ermordet wurde. Dem Konflikt zwischen den böhmischen Ländern und Ungarn vom Jahre 1273 bemühte sich Przemysl Ottokar II. versöhnend beizukommen; namentlich nach der Wahl Rudolfs von Habsburg zum deutschen König. Diese Wahl fand am 1. Oktober 1273 in Frankfurt am Main statt. Die Hoffnung auf eine Versöhnung mit Ungarn bot ihm der Sieg der tschechischen Partei auf dem Hofe von Ladislaw im September 1274. Zu der Zeit riss die gegenüber Tschechien freundschaftliche Gruppe um Peter Csák die Regierung auf einige Zeit an sich und setzte Anfang Juni 1275 den Waffenstillstand zwischen Ladislaw und Przemysl durch. Als allerdings Joachim Pectari im Juli 1275 an die Macht gelangte, wurde der Waffenstillstand wieder umgestoßen. Joachim Pectari war der führende Repräsentant der antitschechischen Gruppe auf dem ungarischen Hof und konzentrierte seine Politik auf die Annäherung an den Habsburger Rudolf. Przemysl Ottokar II. versuchte vergeblich durch Vermittlung des neapolitanischen Hofes der Anjouer wenigstens die Neutralität Ungarns in dessen künftigem Konflikt mit Rudolf von Habsburg sicherzustellen. Die Annäherung Ladislaws an Rudolf sowie auch Przemysls Streitigkeiten mit dem Adel, die sich von der Steiermark und Kärnten auch nach Böhmen verbreiteten, bewogen Przemysl im November 1276 zum schimpflichen Wiener Friedensschluss mit Rudolf von Habsburg. Er musste so von dem Babenberger Erbe auch auf das Egerland verzichten. Rudolf war bestrebt, die zunehmend schwierige Situation des böhmischen Königs zur endgültigen Abrechnung mit seinem Hauptgegner bei der Wahl zum deutschen König auszunützen. Am 12. Juli 1277 hat er mit dem ungarischen König Ladislaw in Wien ein antitschechisches Abkommen geschlossen. Als im April 1278 in Österreich ein Aufstand gegen ihn ausbrach, der von den dortigen Anhängern des böhmischen Königs geführt wurde, nützte er diese Ereignisse als Vorwand zu einem entscheidenden Schlag gegen Przemysl aus. Gemeinsam mit dem ungarischen König Ladislaw IV. besiegte er Przemysl Ottokar II. in der Schlacht bei Dürnkrut am 26. August 1278. Dieser Sieg wäre ohne die Hilfe der ungarischen und kumanischen Truppen nicht möglich gewesen, denn gegen die dreißigtausend Kämpfer zählende Armee Przemysls standen Rudolf nur etwa sechstausend Kämpfer zur Verfügung. Und so bildeten die entscheidende Kraft auf seiner Seite die ungarischen Truppen, die zusammen mit der kumanischen leichten Kavallerie 30-40 000 Soldaten zählten. Die Schlacht bei Dürnkrut im Jahre 1278 wurde in einer ganzen Reihe zeitgenössischer Quellen beschrieben, darunter auch in der Chronik des Simon von Kéza, Gesta Hungarorum aus den Jahren 1282-1285.17

Nach dem Tode von Przemysl Ottokar II. übte in den tschechischen Verhältnissen ein Mitglied des Geschlechts der Wittigonen, Zawisch von Falkenstein, einen erheblichen Einfluss aus. Er wurde zum Geliebten der Königin, der Witwe Kunigunde, als sie sich in den Jahren 1279-1283 in der Tropauer Gegend aufhielt. Später, als er auf den königlichen Hof nach Prag gelangte, riss er, unter Zustimmung des unmündigen Königs Wenzel auch die höchste Macht auf dem Prager Hof an sich. Diese wollte er durch die Trauung mit Kunigunde im Mai 1285 sicherstellen. Als jedoch seine Gattin im September desselben Jahres aus unbekannten Gründen gestorben war, begann der Stern von Zawisch zu sinken. Es stellte sich gegen ihn der deutsche König Rudolf, und als Zawisch ein weiteres Mitglied der königlichen Familie heiratete, und zwar Elisabeth, die Schwester des ungarischen Königs Ladislaw IV. und ehemalige Vorsteherin des Klosters der Dominikanerinnen auf der Margaretheninsel, und dann eine längere Zeit in der Fremde verbrachte, nutzten es seine Gegner zur Schwächung seines Einflusses auf dem königlichen Hofe in Prag aus. Im Januar 1289 veranlassten sie Wenzel, Zawisch verhaften zu lassen. Als Anfang Juli 1290 sein Schwager und letzter Beschützer, der ungarische König Ladislaw IV. gestorben war, wurde Zawisch – der Gemahl von zwei Angehörigen des ungarischen Königshofes der Árpáden – vor der Burg Frauenberg (Hluboká) am 24. August 1290 hingerichtet.18

Auch die letzte Verbindung der Przemysliden mit den Árpáden war durch die dynastische Eheschließungspolitik bedingt. Unter Berücksichtigung dessen, dass die Tochter des ungarischen Königs Andreas III., durch dessen Tod am 14. Januar 1301 das Geschlecht der Árpáden ausgestorben war, die neunjährige Elisabeth, schon im Jahre 1298 mit Wenzel, dem Sohn des böhmischen Königs Wenzel II. verlobt wurde, wurde die ungarische Krone von dem überwiegenden Teil der ungarischen Oligarchie Wenzel II. angeboten. Dieser lehnte sie jedoch ab und empfing sie für seinen Sohn Wenzel. Anfang August 1301 rückte der Königssohn Wenzel in Begleitung einer mächtigen Armee und seines Vaters Wenzel II. in Ungarn an. Schon am 27. August desselben Jahres wurde er in Stuhlweißenburg unter Teilnahme des Palatins Matthäus Csák zum ungarischen König gekrönt und als solcher nahm er den Namen Ladislaw an. Obwohl auf der Seite Wenzels anfangs die meisten ungarischen Oligarchen sowie auch die kirchliche Hierarchie standen, zog die halsstarrige Haltung der päpstlichen Kurie (die voll für die Kandidatur des Karl Robert von Anjou auf den ungarischen Thron eintrat) schließlich die Mehrheit der ungarischen Nobilität auf die Seite des Gegners von Wenzel. Noch im September 1302 haben die auf der Seite Wenzels stehenden Ofener Stadtbürger den Versuch Karl Roberts um die Eroberung Ofens abgewehrt. Durch das diplomatische Geschick des Papstes Benedikt IX. (1303-1304) wurde dann auf die Seite Karl Roberts das gesamte bischöfliche Kollegium gewonnen und als sich ihm auch die Mehrheit der Oligarchen einschließlich Matthäus Csák angeschlossen hatte, und die Anjouer gegen die Przemysliden auch die Österreicher gewannen, entschied sich Wenzel II. mit Heeresmacht in Ungarn einzudringen. Er hat jedoch begriffen, dass die Situation seines Sohnes unhaltbar ist und nahm ihn im August 1304 aus Ofen in die Heimat zurück. Nach dem Tode seines Vaters Wenzel II. entsagte der böhmische König Wenzel III. am 9. Oktober 1305 in Brünn feierlich der ungarischen Krone und übergab sie einem weiteren Verwandten der Árpáden, dem niederbayerischen Fürsten Otto III. Wittelsbach, der unter Beihilfe der sog. tschechischen Partei am 6. Dezember 1305 in Stuhlweißenburg zum ungarischen König gekrönt wurde. Den ungarischen Thron hat er jedoch nicht beibehalten und am 27. November 1308 wurde Karl Robert von Anjou endgültig zum ungarischen König gekrönt.19

Die unsichere Position sowohl der Luxemburger als auch derer von Anjou zu Beginn ihrer Regierung in den böhmischen Ländern und in Ungarn brachte anfangs einige Probleme mit sich. Der mächtigste ungarische Oligarche und Gegner Karl Roberts von Anjou, Matthäus Csák hat im Jahre 1314 Mähren angegriffen und sein Anschlag wurde durch die gemeinsamen Bemühungen des Johann von Luxemburg und Heinrichs von Lipa abgewehrt. Der Umstand, dass der böhmische König dem ungarischen Herrscher im Kampf gegen die rebellischen Magnaten geholfen hatte, war bestimmt eines der Motive, warum Karl Robert im Jahre 1318 die erst dreizehnjährige Beatritia, die Schwester des Johann von Luxemburg geheiratet hatte. Diese ist allerdings schon im nächsten Jahr in Folge einer Frühgeburt gestorben. Nach der Festigung seiner Position im Kampf mit den rebellischen Oligarchen schloss Karl Robert im Februar 1323 einen Bündnisvertrag mit den Habsburgern und im September desselben Jahres verhalf er ihnen dazu, einen beiderseitig vorteilhaften Frieden im österreichisch-böhmischen Streit um Znaim zu erreichen; Znaim sollte von den Österreichern dem böhmischen König zurückgegeben werden. Die Streitigkeiten an der mährisch-österreichischen Grenze sind jedoch nicht zum Stillstand gekommen und 1328 verwandelten sie sich in einen regelrechten Krieg, in dem Otto von Habsburg von Karl Robert unterstützt wurde. Johann von Luxemburg eroberte Feldberg sowie auch die österreichischen Gemeinden Dosendorf und Eggenberg und behielt als Pfand auch die Städte Laa und Weitra.20

Im November 1335 kam es in dem neuen Sitz des Karl Robert von Anjou in Vyšehrad an der Donau zur denkwürdigen Zusammenkunft von Karl Robert mit dem böhmischen König Johann von Luxemburg und dem polnischen König Kasimir III. dem Großen. An dieser Zusammenkunft haben sich auch der Sohn Johanns von Luxemburg, der spätere Herrscher der böhmischen Länder, der mährische Markgraf Karl und eine Reihe weiterer Fürsten beteiligt. Diese Begegnung war sowohl von großer politischer als auch erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Der böhmische König und der ungarische König wurden zu Schiedsrichtern im Streit zwischen dem polnischen Königtum und den Deutschen Ordensrittern. Johann von Luxemburg verzichtete auf die Ansprüche auf die polnische Krone und Kasimir III. der Große versprach seinen Verzicht auf Schlesien. Bedeutend war auch die Vereinbarung über die Ausnutzung des neuen Handelsweges zwischen Ungarn und Deutschland; dieser führte mit der Umleitung von Wien aus Visegrád und Gran über Trentschen und Holics nach Brünn, das zum Nachteil Wiens das Lagerrecht erwarb. Der zweite nordöstliche Zweig dieses Weges führte über Leutschau und Kaschau nach Krakau und so durchdrangen sich hier die Handelsinteressen des böhmischen, polnischen sowie auch ungarischen Königtums zum Nachteil des österreichischen Fürstentums gegen das diese Vereinbarung gerichtet war.21

Bereits am 3. August 1342 besuchte der mährische Markgraf Karl nach dem Tode Karl Roberts auf dem Visegrád dessen Nachfolger Ludwig, der in Ungarn in den Jahren 1342-1382 herrschte. Er vereinbarte dabei mit Ludwig dessen Verehelichung mit seiner Tochter Margarethe. Die Trauung fand im Jahre 1345 statt und bereits vier Jahre danach ist Margarethe der Pestseuche zum Opfer gefallen. Es ist auch der Feldzug Johanns von Luxemburg nach Preußen im Jahre 1344 zu erwähnen, an dem auch der ungarische König Ludwig der Große teilgenommen hat. Kurzfristig stand dieser an der Seite des römischen Königs Ludwig des Bayern, aber nach dessen Entthronung und der Wahl Karls IV. zum Herrscher des römischen Reiches im Jahre 1346 schloss er sich erneut Karl an. Von dem guten Verhältnis zwischen den beiden Herrschern zeugt auch ihr Vertrag vom September 1353, wonach sie ihre Kinder ohne Wissen des Anderen nicht verloben durften. Auch der Empfang des Kaisers Karl IV. von dem ungarischen König Ludwig von Anjou in Raab (Győr) im Februar 1356 war außerordentlich prunkvoll und sollte Karl dazu anregen Ludwig bei seinem Feldzug gegen Venedig zu unterstützen. Aus dem guten Verhältnis zwischen dem böhmischen und dem ungarischen König hat auch Karls jüngerer Bruder, der mährische Markgraf Johann Heinrich seinen Nutzen gezogen. Der ungarische König Ludwig der Große wirkte als Vermittler in dem Streit zwischen Johann Heinrich und dem österreichischen Herzog Albrecht II. und auch bei dem Friedensschluss im Februar 1357 zwischen ihnen.22

Disharmonische Elemente brachte in das Verhältnis zwischen Karl IV. und Ludwig von Anjou erst der Schwiegersohn Karls, Rudolf IV. von Habsburg; er verbreitete im Jahre 1359 die falsche Nachricht über die Bestrebungen einiger Reichskurfürsten, Karl IV. vom kaiserlichen Thron abzusetzen und an seine Stelle den ungarischen König Ludwig einzusetzen. Trotzdem arbeiteten Karl und Ludwig auch weiterhin eng zusammen. Der Höhepunkt der luxemburgisch-anjouischen Allianz wurde im Februar 1361 durch die Ratifikation des Heiratsvertrags zwischen der Erbin des ungarischen Thrones Elisabeth und Jost von Mähren, dem Sohn des mährischen Markgrafen und jüngerem Bruder Karl IV. Johann Heinrich erreicht. Bereits um ein Jahr später (1362) wurde jedoch in Wien ein Bündnisvertrag zwischen dem österreichischen Fürsten Rudolf IV. von Habsburg und dem ungarischen König Ludwig unterschrieben, der gegen Karl IV. gerichtet war. Ludwig machte danach auch den Heiratsvertrag seiner Nichte und Erbin des ungarischen Thrones Elisabeth mit Jost von Mähren rückgängig und verlobte sie mit Philipp von Tarent, dem Titularkaiser von Konstantinopel. Gegen Karl IV. richtete sich auch Ludwigs Pakt mit den Wittelsbachern , der in Pressburg im September 1369 geschlossen wurde. Die Wittelsbacher sollten Karl IV. insoweit binden, damit er Ludwig in Italien in vollem Maße das Feld räumt. Schon vorher, im Februar desselben Jahres, hat Ludwig mit dem polnischen König Kasimir ein Abkommen geschlossen, wonach sie künftig mit dem Kaiser keine Heiratsverträge schließen werden.23

Durch sein gewandtes diplomatisches Vorgehen gelang es Karl, allen Versuchen ihn in einen direkten Kriegskonflikt mit Ludwig hineinzuziehen auszuweichen (wenn man hier den kurzfristigen Einfall der ungarischen Truppen in Mähren im August und September 1371 nicht in Betracht zieht). Im Januar 1372 erwarb Karl die grundsätzliche Zustimmung des ungarischen Königs zur Heirat seines zweitgeborenen Sohnes Sigmund mit einer der ungarischen Prinzessinnen. Zur Verlobten Sigmunds wurde um ein Jahr später die gleichfalls minderjährige Tochter Ludwigs Marie (Marie war damals zwei Jahre alt und Sigmund fünf). Die Bestätigung der vorgesehenen Trauung durch Wenzel IV. auf dessen Zusammenkunft mit Ludwig in Altsohl im Februar 1379 (bereits nach dem Tode Karls) wurde zur Grundlage der späteren Ansprüche Sigmunds auf den ungarischen Thron.24

In der luxemburgisch-anjouischen Zeit entfalteten sich auch mehr die tschechisch-ungarischen kulturellen Beziehungen. Einer von den hervorragendsten Belegen der Illuminationskunst Ungarns zur Zeit der Regierung der Anjouer ist das so genannte Anjouer Legendarium aus den Jahren 1351-1372. Dieses Legendarium geht von dem Werk Legenda aurea aus, das im 14. Jahrhundert aus Böhmen nach Ungarn gelangte und das auch viele Lebensbeschreibungen mit Abbildungen der bekanntesten ungarischen Heiligen enthält, einschließlich tschechischer Motive, wie z. B. die Darstellung des Kusses zwischen dem ungarischen König, dem Heil. Ladislaw und dem böhmischen König Wratislaw II. Das Anjouer Legendarium knüpft an den Kult des italienischen „schönen Buches” an und ist auch mit tschechischen Einflüssen aus der Bilderbibel Velisars verbunden, die um 1340 entstanden ist. Aus der Prager Illuministenwerkstatt der 60er Jahre des 14. Jahrhunderts stammt eine Bibel, die im 15. Jahrhundert in den Besitz des Pressburger Domherren gelangte und nach ihm als Bibel des W. Ganoys bekannt geworden ist. Auch der Kreis der Illuministen Wenzels IV., deren Werk auch die prachtvolle zu Wenzels Hochzeit mit Sophie von Bayern angefertigte Bibel Wenzels IV. ist, hatte eine markante Auswirkung auf die Entfaltung der Illuminationskunst in Ungarn (siehe z. B. die Messbücher des Michael aus Tyrnau in den Sammlungen des Nationalmuseums in Budapest). In die Zeit der Anjouer fällt auch die Anfertigung der Statue des Heil. Georg auf der Prager Burg im Jahre 1373, die das Werk der bedeutendsten ungarischen Bildhauer des Mittelalters, der Brüder Kolozsvári war. Umgekehrt wird der bedeutendste Autor der gotischen Fresken in Westungarn aus dem Ende des 14. Jahrhunderts János Aquila für einen tschechischen Schüler gehalten. In den musikalischen Quellen findet der Kult des Heil. Adalbert in Ungarn eine markante Widerspiegelung, was aus dem Antiphonar des Pressburger Domkapitels aus dem Jahre 1341 ersichtlich ist.25

Sigmunds Anspruch auf den ungarischen Thron nach dem Tode Ludwigs des Großen (gestorben am 17. September 1382) wurde sehr schwer zur Geltung gebracht. Die Königin-Witwe Elisabeth von Ungarn wollte die vorherige Verlobung mit Marie nicht anerkennen und machte Versuche, sie im April 1385 mit Ludwig von Orleans zu verloben. Unter diesen Umständen ist Sigmund mit Heeresmacht bis nach Ofen durchgedrungen und erzwang dort im September 1385 seine Trauung mit Marie vor dem Graner Erzbischof Kardinal Demeter. Drei Monate später hat jedoch dieser Erzbischof den von dem südungarischen und kroatischen Adel unterstützten Prätendenten auf den ungarischen Thron Karl den Kleinen in Stuhlweißenburg zum ungarischen König gekrönt. Karl der Kleine ist jedoch schon am 14. Februar 1386 unerwarteter weise gestorben. Inzwischen ist Sigmund aus Ungarn abgerückt, aber nach dem Tode Karls des Kleinen hat er im April 1386 mit seinen mährischen Vettern Jost und Prokop einen neuen Feldzug nach Ungarn unternommen. Unter Mithilfe Wenzels IV. als Schiedsrichter erzwang er dann die Anerkennung seiner Nachfolgerrechte. Dies hat ihm den Weg auf den ungarischen Thron erneut eröffnet. Am 31. März 1387 wurde Sigmund zum ungarischen König gekrönt, nachdem er den Bedingungen des ungarischen Adels zustimmte: Sigmund sollte den heimischen Adel bei der Besetzung von Staatsämtern begünstigen, sowie dessen Privilegien und Vorrechte aufrechterhalten. Erst um drei Monate später, am 4. Juli 1387 ist Sigmund mit seiner Gattin Marie in Agram zusammengetroffen. Er war bestrebt seine Position nicht nur durch den Kampf gegen die rebellischen ungarischen Oligarchen im Süden Ungarns zu festigen, sondern auch durch Bündnisverträge mit seinen Verwandten, dem böhmischen König Wenzel IV., und dem mährischen Markgraf Jost (17. April 1388) sowie auch mit dem österreichischen Herzog Albrecht III. und dem Markgraf Wilhelm von Meißen zu stützen. Mit dem Letztgenannten und mit Jost schloss er am 18. Dezember 1393 einen Verteidigungspakt in Znaim. Im Februar 1396 kam Sigmund nach Prag und vermittelte gemeinsam mit Jost von Mähren den Frieden zwischen dem König Wenzel IV. und der Herreneinheit. Die Beziehungen zwischen Sigmund und Wenzel IV. verschlechterten sich namentlich nach Wenzels Absetzung von Thron des römischen Kaisers im August 1400. Am 6. März 1402 ließ Sigmund seinen Bruder, den böhmischen König in Prag festnehmen und versuchte das ganze böhmische Königreich zu beherrschen. Dagegen stellte sich der mährische Markgraf Jost, und nach Wenzels Flucht aus dem Wiener Gefängnis am 11. November 1403 hat Wenzel IV. Anfang des Jahres 1404 die Regierung des Landes wieder aufgenommen. Nach weiteren Kämpfen im Sommer 1404 hat im Auftrag Wenzels Markgraf Jost im April 1405 mit Sigmund einen stabileren Frieden geschlossen, der bis zum Ausbruch der hussitischen Kriege andauerte.26

Mit dem größten Prestige ist aus den oben beschriebenen luxemburgischen Streitigkeiten der mährische Markgraf Jost hervorgegangen, der am 1. Oktober 1410 zum römischen Kaiser gewählt wurde. Er ist jedoch schon am 18. Januar 1411 verstorben, was Sigmund den Weg zum römischen Thron freimachte. Nach der Wahl zum römischen Kaiser am 21. Juni 1411 erreichte Sigmund seinen Traum und als Kaiser des Römischen Reiches der deutschen Nation erlebte er auch das Konstanzer Konzil. Dort kam Johannes Hus am 3. November 1414 mit Sigmunds Geleitbrief an, der ihm jedoch vor dem Inquisitionsprozess keinen Schutz gewährte. Sigmund ließ dem Prozess einen freien Verlauf. Hus beharrte auf der erkannten Wahrheit und das brachte ihn am 6. Juli 1415 bis auf den Scheiterhaufen. Dieser ungerechte Prozess führte in den tschechischen Reformkreisen zu einem ungewöhnlichen Aufschwung der hussitischen Bewegung sowie auch zum Widerstand gegen den Kaiser Sigmund.27

Nachdem im Jahre 1419 der böhmische König Wenzel IV. gestorben war, wurde Sigmund zu seinem Nachfolger. Bei den Verhandlungen mit den tschechischen Ständen in Brünn 1419 bewilligte er bis zur endgültigen Entscheidung den Empfang des Kelches in Böhmen und Mähren. Schon im März 1420 hat jedoch Sigmund während seines Aufenthaltes in Breslau den Prager Stadtbürger Johann Krása dafür von Pferden zu Tode schleifen und danach verbrennen lassen, dass er es ablehnte auf den Kelch zu verzichten. Das hat in den böhmischen Ländern eine heftige Entrüstung hervorgerufen und nachdem der Papst Martin V. am 1. März 1420 die Bulle herausgegeben und zum Kreuzzug gegen die Hussiten aufgerufen hatte, nahmen die Hussitenkriege ihren Anfang. Die Prager lehnten Sigmunds Ansprüche auf den Thron Böhmens ab und schlugen ihn zunächst am 14. Juli 1420 in der Schlacht auf dem Berg Witkow und dann auch in der Schlacht auf dem Vyšehrad am 1. November 1420. Auch die weiteren Versuche Sigmunds die tschechischen Hussiten zur Ruhe zu bringen, waren erfolglos. Anfang des Jahres 1422 wurde Sigmund von den hussitischen Truppen an der Spitze mit Žižka bei Kuttenberg und Deutsch Brod geschlagen. Diese Misserfolge hat Sigmund im Herbst 1422 durch die Eroberung des hussitischen Mährens ausgeglichen, als er von dem mährischen kalixtinischen Adel im November 1422 in Brünn den erneuten Treueschwur erzwungen hatte. Dem weiteren Aufschwung der revolutionären Hussitenbewegung ein Ende zu machen, war jedoch Sigmund nicht imstande. Auch als die Reichsarmeen auf Geheiß Sigmunds gegen die Hussiten antraten, hatten sie keinen Erfolg und wurden von den Hussiten im Juni 1426 bei Aussig an der Elbe und im August 1431 bei Taus geschlagen. Anfang des Jahres 1428 drangen die hussitischen Truppen tiefer in Ungarn ein und im April 1429 kam es in Pressburg zu Gesprächen zwischen den tschechischen Hussiten und Sigmund. Ihre Forderungen vermittelte Sigmund der englische Gelehrte Peter Payne. Sigmund stimmte damit überein, dass die Hussiten die Vorschläge ihrer Glaubenslehre auf dem Kirchenkonzil vortragen. Der Weg zur Verwirklichung dieser Vereinbarungen war jedoch schwierig. In den Jahren 1431-1433 folgten weitere Hussitenfeldzüge nach Ungarn, bei denen im Juni 1432 die Hussiten auch Tyrnau eroberten.28

Nach der Niederlage der radikalen Hussiten in der Schlacht bei Lipany im Mai 1434 setzten sich in den von Sigmund am 6. Januar 1436 herausgegebenen kaiserlichen Kompaktaten doch die nicht allzu radikalen kalixtinischen Forderungen durch und machten Sigmund den Weg zum böhmischen Thron frei. In der Zeit, als Sigmund nach Prag einzog und die Huldigungen von Seiten des böhmischen Adels (am 26. August 1436) entgegennahm, begann der Inquisitor Jakob von Marchia in Ungarn seinen geistigen Feldzug gegen den dortigen Hussitismus. Das repräsentative St.-Wenzels-Konzil, das an der Wende der Monate September und Oktober 1436 in Prag unter Beteiligung des katholischen sowie auch kalixtinischen Adels stattgefunden hatte, brachte einen Kompromiss und das politische Bündnis zwischen den Siegern von Lipany und dem Herrscher. Sigmund konnte sich allerdings nicht lange über seinen Erfolg freuen – am 9. Dezember 1437 ist er im mährischen Znaim gestorben./29

Das Hussitentum fand einen starken Wiederhall auch in Ungarn. Die ersten Anregungen für die Verbreitung des Hussitentums brachte die Karlsuniversität in Prag nach Ungarn. An der Philosophischen Fakultät erreichten in den Jahren 1367-1420 die Würde eines Bakalars oder Magisters 126 Studenten aus Ungarn, an der juristischen Fakultät in den Jahren 1372-1418 waren es 36 Studenten. Die ungarischen Studenten kamen nach Prag aus Ofen, Gran, Fünfkirchen, Erlau und anderen Orten Ungarns, aber auch aus Siebenbürgen. Anfang des 15. Jahrhunderts wirkte auf die ungarischen Studenten an der Prager Universität Wiclifs Glaubenlehre, die auch von Magister Johannes Hus unterstützt wurde. Mit Wiclifs Werken „Diabolus” und „Tractatus” machte sie auch der junge Hieronymus von Prag bekannt, der seine Bildung in England bezogen hatte. Hieronymus kam im Jahre 1410 nach Ofen, wo er vor Sigmund und den ungarischen Bischöfen die hussitische Lehre verteidigte. Auf Einschreiten des Prager Erzbischofs Zbynĕk Hase von Hasenburg wurde er festgenommen und zur Bestrafung dem Graner Erzbischof übergeben. Dieser Vorfall hat später zweifelsohne auch dazu beigetragen, dass Hieronymus von dem Konzil als Ketzer verurteilt und im Jahre 1416 auf den Scheiterhaufen in Konstanz verbrannt wurde. Ein entscheidender Verteidiger der hussitischen Lehre war auch Briccius de Buda, der in Prag im Jahre 1414 die Würde des Magisters erreichte und um ein Jahr später sogar Rektor der Prager Universität wurde.30

Eine besondere Erwähnung verdienen die ungarischen Zusammenhänge mit dem Werke von Johannes Hus. Das diakritische Zeichensystem von Hus wirkte sich anregend auf die ungarische Rechtschreibung aus und zwar nicht nur in der berühmten hussitischen Bibel, sondern auch in den zeitgenössischen Franziskaner-Kodexen, obwohl gerade die Franziskaner die Hauptgegner des hussitischen Ideengutes waren. Die Übernahme der diakritischen Zeichen war eine derartig typische Erscheinung im franziskanischen Schrifttum, dass diese Art der Schreibung Franziskaner-Rechtschreibung genannt wurde. Hus war bestrebt, die religiösen Werke in einer dem Volke verständlichen Sprache herauszugeben. Diese Bestrebungen äußern sich auch in der Aufmerksamkeit, die er dem Tschechischen, Ungarischen und weiteren Nationalsprachen gewidmet hatte. Dies war von epochaler Bedeutung und so war Hus eigentlich der Wegbereiter der Ideen von Erasmus über die Notwendigkeit der Nationalsprachen zur Zeit der Reformation im 16. Jahrhundert. Bestandteil des Vermächtnisses von Hus in Ungarn war auch die hussitische Übersetzung der Bibel ins Ungarische, die in den Jahren 1416-1441 von Tamás Pécsi und Bálint Újlaki angefertigt wurde. Beide waren Schüler von Hus an der Prager Universität. Der Text ihrer unvollständigen Übersetzung beinhaltete die alttestamentarischen Prophetenbücher aus dem Wiener Kodex (1450), die Evangelien aus dem Münchner Kodex (1466) und Psalmen und Lieder in Apors Kodex (1500). Der hussitische Ursprung der ungarischen biblischen Übersetzungen aus dem 15. Jahrhundert äußerte sich vor allem in der Vorstellung, dass nur die Armen erlöst werden können. Dieser Gedanke wurde an der Wende des 15. und 16. Jahrhunderts in Ungarn von den radikalen Franziskaner Observanten weiter entwickelt. Erwähnenswert ist auch die reichliche Verbreitung der hussitischen Kantilene in Ungarn.31

Nach der Niederlage des radikalen Hussitentums zog eine Reihe der so genannten „Brüder” nach Ungarn, wo sie teils in das Söldnerheer des János Hunyadi eintraten, das im Jahre 1437 am Srĕm gegen die Türken kämpfte, nachdem sich Hunyadi um ein Jahr früher mit der hussitischen Kampftaktik in Prag bekannt gemacht hatte. Der andere Teil der „Brüder” kämpfte an der Seite des oberungarischen Kapitäns Johann Giskra von Brandeis, der anfangs nach dem Tode des ungarischen Königs Albrecht II. von Habsburg die Interessen der Königin-Witwe Elisabeth und ihres Sohnes Ladislaw Postumus verteidigte und seit der Mitte der 40er Jahre des 15. Jahrhunderts mit dem Reichsverweser János Hunyadi in einen Streit geriet. Nach dem Tode Hunyadis im Jahre 1456 wurde Ladislaw Postumus zum Opfer des Streites zweier Gruppen von führenden ungarischen Magnaten, und zwar der Anhänger von Hunyadi und der Herren von Celje. Im September 1457 zog er schließlich aus Ungarn weg, wurde sesshaft in Prag, wohin er auch seinen Gefangenen, den Bruder des hingerichteten Ladislaw, Matthias Hunyadi mitgenommen hatte. Am 23. November 1457 ist jedoch hier der achtzehnjährige Ladislaw Postumus an Pestbeulen gestorben.32

Auf Grund der Verhandlungen mit dem ungarischen Kanzler Johannes Vitéz versprach der böhmische Landesverwalter Georg von Podiebrad im Dezember 1457 Matthias (Corvinus) Hunyadi für ein reichliches Lösegeld aus dem Prager Gefängnis zu entlassen. Matthias Corvinus wurde von dem Ofener Landtag am 24. Januar 1458 im Alter von nur fünfzehn Jahren zum ungarischen König gewählt. Als Herrscher wurde für den minderjährigen Matthias stellvertretend sein Onkel Mihály Szilágyi eingesetzt. Am 9. Februar 1458 wurde Matthias von Georg von Podiebrad den ungarischen Ständen übergeben und vereinbarte mit ihnen die Eheschließung seiner Tochter Katharina mit Matthias; die Trauung fand dann in Ofen im Mai 1461 statt. Katharina ist im Februar 1464 gestorben und bald danach hat das freundschaftliche Verhältnis zwischen dem Schwiegervater und Schwiegersohn ein Ende genommen. Matthias folgte nämlich im Oktober 1465 der Aufforderung des neuen Papstes Paul II. gegen den „hussitischen König” Georg von Podiebard Partei zu ergreifen. Nachdem Johann Giskra von Brandeis, der bedeutendste Beschützer der Abkömmlinge der tschechischen Hussiten im Jahre 1462 nach Siebenbürgen umgezogen war, gelang es Matthias im Januar 1467 auch das letzte große Lager der „Brüder” in Großkosstolan auf dem Gebiet der heutigen Slowakei zu erobern. Nach der Hinmordung der Anführer wurden die meisten „Brüder” begnadigt und traten in das „schwarze Heer” von Matthias ein, das Franz von Háj befehligte und in dem auch der ehemalige Befehlshaber der „Brüder” Johann Talafús diente.

Als Papst Paul II. Ende des Jahres 1466 Georg von Podiebrad für dessen Unterstützung des Utraquismus mit dem Bann belegte, trat der ehrgeizige Matthias, der sich nicht nur nach der böhmischen Königs- sondern auch Kaiserkrone sehnte, gegen Georg von Podiebrad auf und zwar schon als Verteidiger des wahren katholischen Glaubens „im Interesse der ganzen Christenheit”. Nach dem unglücklichen Einfall Viktorins von Podiebrad in Österreich stellte sich Matthias auf die Seite des in Mitleidenschaft gezogenen Kaisers Friedrich III. und am 8. April 1468 nahm er von den Vertretern der böhmischen katholischen Stände sowie auch der mährischen Städte den Treueschwur entgegen. Zwischenzeitlich rief Papst Paul II. am 19. April 1468 gegen Georg von Podiebrad zu einem Kreuzzug auf und vom Mai bis Juli 1468 besetzten die Truppen von Matthias einen größeren Teil Mährens einschließlich Brünn und Olmütz. Bei dem Versuch um die Eroberung Böhmens fügte jedoch Georg von Podiebrad am 26. Februar 1469 Matthias eine entscheidende Niederlage in der Schlacht bei Wilemov in Ostböhmen zu. Der gefangen genommene Matthias versprach, die Feindschaft gegen die Länder der böhmischen Krone aufzugeben und dem böhmischen König zu einer Versöhnung mit Rom zu verhelfen. Dieses Versprechen hat jedoch Matthias nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis nicht erfüllt. Bereits am 3. Mai 1469 ließ er sich in Olmütz von den tschechischen katholischen Ständen zum böhmischen König wählen. Danach besetzte er militärisch Mähren, Schlesien, die Lausitz. Diese Länder hat er bis zu seinem Tode behalten. Nach dem Tode Georgs von Podiebrad (am 22. März 1471) kämpfte Matthias auch mit dessen Nachfolger auf den böhmischen Thron Wladislaw Jagello, ohne dass sich die allgemeine Situation im Wesentlichen geändert hätte. Bei der Erneuerung des Breslauer Friedens in Olmütz im Dezember 1478 (und dessen Ratifikation dortselbst am 21. Juli 1479) behielt Matthias die eroberten Gebiete des böhmischen Staates (Mähren, Schlesien, die Lausitz) unter der Bedingung, dass sie Wladislaw bis nach seinem Tode für 400 000 Florene loskaufen könne und beide Herrscher den Titel des böhmischen Königs beibehalten.33

Die kurzfristige Regierung von Matthias in Mähren (sie dauerte bis zu seinem Tode im Jahre 1490) hatte auch positive Züge in sich. Matthias machte keine Versuche, den Utraquismus abzuschaffen, sondern er respektierte die politischen, ständischen sowie auch religiösen Freiheiten des Landes. Die Regierung überließ er den „Mährern” und zum Landeshauptmann wurde der Utraquist Ctibor von Cimburg auf Tobitschau (Ctibor Tovačovský z Cimburka) bestimmt, der die Magna Charta der mährischen Landesfreiheiten, das sogenannte Tobitschauer Rechtsbuch (Kniha Tovačovská) verfasst hatte. An Matthias schloss sich auch der mächtige Wilhelm von Pernstein an, um aus der ungarischen Gefangenschaft seinen Bruder Sigmund zu befreien. So ist es in dem Oedenburger Vertrag zwischen Matthias und Wilhelm von Pernstein vom 14. November 1472 nachzulesen. In den nächsten Jahren befehligte Wilhelm von Pernstein die Truppen des Matthias in den Kämpfen in Böhmen, Österreich sowie auch in Polen. Als höchster Marschall des böhmischen Königreichs (seit dem Jahre 1482) hat er sich auch an der Zusammenkunft von Matthias Corvinus mit Wladislaw Jagello im September 1486 in Iglau verdient gemacht. Dort haben sich die beiden Herrscher auf dem Schadenersatz aus den vorherigen Kriegen sowie auch auf der Vereinheitlichung des Münzsystems in den beiden geteilten Ländern der Böhmischen Krone geeinigt. Der bedeutendste Mährer in den Diensten von Matthias war sein Kanzler und spätere Olmützer sowie auch Varadiner Bischof Johann Filipecz, gebürtig aus Proßnitz. Es war das Verdienst von Filipecz, dass das Tschechische zur Sprache der ungarischen königlichen Kanzlei wurde und auch in der Korrespondenz von Matthias mit den oberungarischen Städten dominierte. Dank Filipecz entstand auch die Buchdruckerei in Brünn, wo am 20. Mai 1488 unter anderem zum ersten mal die mittelalterliche Thuróczy-Chronik erschienen ist, in der den hussitischen Kriegen sowie auch den gegenseitigen Beziehungen von Matthias Corvinus und Georg von Podiebrad eine erhebliche Aufmerksamkeit geschenkt wird. Das Altbrünner Augustinianerkloster wurde zu der Zeit zu einem Zentrum des Kultes der Heiligen Elisabeth von Ungarn, der Tochter des ungarischen Königs Andreas II., die bereits seit dem 13. Jahrhundert ein Symbol der karitativen Tätigkeit der herrschenden Geschlechter des mittelalterlichen Europa war. Für Brünn war die Regierung von Matthias in Mähren von außerordentlicher Bedeutung. Matthias bestätigte die Privilegien der Stadt (z. B. den Weinverkauf) und schloss an Brünn eine Reihe der umliegenden Gemeinden. Er schränkte die Willkür des Adels den Brünner Stadtbürgern gegenüber ein, für die die Regierung von Matthias eine nie dagewesene Entfaltung des Handwerks und des Handels bedeutete.34

Von den zahlreichen Bewerbern um den ungarischen Thron nach dem Tode Matthias Corvinus (er starb am 6. April 1490 in Wien) hat schlussendlich der nachgiebige „König Bene” Wladislaw Jagello II. (1490-1516) den Sieg davongetragen, nachdem er sich verpflichtet hatte, alle Forderungen des ungarischen Adels zu erfüllen. Seine Wahl zum ungarischen König am 15. Juli 1490 haben auch die mährischen Stände unterstützt, denn sie bedeutete die erneute Vereinigung des böhmischen Staates und für sie eine vorteilhafte böhmisch-ungarische Personalunion. Wladislaw II. verlegte seinen Hof nach Ofen und seine schwach werdende Position begann der Adel sowohl in Ungarn als auch in Böhmen zur Einschränkung der Macht und des Eigentums des Königs auszunutzen. Ludwig II., der den böhmischen sowie auch den ungarischen Thron im Jahre 1516 als zehnjähriger bestieg, ist vorzeitig gealtert (schon als achtzehnjähriger hatte er laut Johann Dubravius graues Haar). Er wurde als Herr von „Habenichts” genannt. Bei dem Einfall der Türken in Ungarn wurde ihm von Seiten des böhmischen sowie auch des ungarischen Adels unzureichend Hilfe geboten, was seine Niederlage sowie auch seinen Tod in der denkwürdigen Schlacht bei Mohács am 29. August 1526 zur Folge hatte. Dieses Datum ist auch der Tag des Untergangs des selbständigen böhmischen und des ungarischen Staates.35

Auf dem Ofener Hof unter Matthias, Wladislaw und auch Ludwig kam es zur Blüte des Humanismus. Dieser gewann hier eine feste mitteleuropäische Orientierung, die auch für die Politik der zwei großen Rivalen Matthias Corvinus und Georg von Podiebrad bezeichnend war. Der Olmützer humanistische Bischof Prothasius von Boskowitz stand im Briefwechsel mit den ungarischen Humanisten Janus Pannonius und Galeotto Marzio. Rege Beziehungen zu den ungarischen Humanisten pflegte auch Johann von Rabstein. Die expansive tschechische Politik von Matthias hat im Herbst 1471 sogar eine Verschwörung der Repräsentanten der kirchlichen Hierarchie hervorgerufen, an der sich auch die führenden ungarischen Humanisten, der Graner Erzbischof Johannes Vitéz und der Bischof von Fünfkirchen Janus Pannonius beteiligt hatten. Der Ausdruck einer breiteren mitteleuropäischen Zusammenarbeit war namentlich die Donauer literarische Gesellschaft (Sodalitas litteraria danubiana), die im Jahre 1486 der deutsche Humanist Konrad Celtes in Wien gegründet hat, deren Schwerpunkt sich aber zur Zeit der Regierung von Wladislaw Jagello allmählich nach Ungarn verlagerte. Mit der Gesellschaft haben auch namhafte tschechische Humanisten des Ofener Königshofes wie Augustin aus Olmütz, Johann Schlechta von Wschehrd, Bohuslaw Hassenstein von Lobkowitz und andere zusammengearbeitet. Der bedeutendste unter ihnen war Bohuslaw Hassenstein von Lobkowitz, der Repräsentant der Bewegung devotio moderna, dessen Ansichten dem Werke des Erasmus von Rotterdam nahe standen. In Hassensteins Werk sind Züge zu finden, die eine Verwandtschaft mit dem Schaffen des führenden ungarischen humanistischen Dichters Janus Pannonius aufweisen. Hassenstein selbst bezeichnet in einem seiner Epigramme die Böhmischen Länder und Ungarn als Schwestern ( Bohemia ad Hungariam sororem). Aus Zwittau stammte ein weiterer Humanist der jagellonischen Zeit Stephan Taurinus (Stieröchsel), der Verfasser des bekannten Werkes über Dózsas Bauernkrieg Stauromachia (1519). Weitere Belege für die tschechisch-ungarischen Beziehungen sind auch auf dem Gebiete der bildenden Künste und der Musik zu erwähnen. Bei dem Umbau des Palastes der Prager Burg im Renaissancestil an der Wende des 15. und 16. Jahrhunderts regten den königlichen Baumeister Benedikt Rejt seine in Ofen gewonnenen Erfahrungen an. Matthias Corvinus verwandelte bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Ofen in ein architektonisches Juwel der Renaissance. Der ungarische Humanist italienischer Herkunft, Antonio Bonfini, schreibt über die großartigen musikalischen Renaissancefeste in Olmütz bei der Zusammenkunft von Matthias mit Wladislaw im Jahre 1479. Die Zusammenarbeit der tschechischen und ungarischen Humanisten vor dem Jahre 1526 ist ein bedeutender Bestandteil der tschechisch-ungarischen kulturellen Beziehungen.36

Die tschechisch-ungarischen Beziehungen waren bis zum Jahre 1526 durch die Existenz der selbständigen Staaten Böhmen und Ungarn bedingt; nach diesem Datum waren sie bis zum Jahre 1918 fest mit der Habsburger Monarchie verbunden.

 

Anmerkungen

1

Vgl. F. Palacký, Geschichte von Böhmen (Der ersten Auflage dritter Abdruck), Prag 1894, Bd. 1, S. 196.

2

Siehe Dĕjiny Maďarska (Geschichte Ungarns), Brno 1993, S. 11-15.

3

Vgl. Gy. Györffy, István király és műve (König Stephan und sein Werk), Budapest 1977, S. 74-77, 80; L. Zolnay, A középkori Esztergom (Das mittelalterliche Gran), Budapest 1983, S. 54, und R. Pražák, Legendy a kroniky koruny uherské (Legenden und Chroniken der Ungarischen Krone), Praha 1988, S. 69, 88-89, 115-116. Neuestens: Kelet-Közép-Európa szentje: Adalbert (Der Heilige Ost- und Mitteleuropas: Adalbert), Budapest 1994.

4

Aus der Literatur über Günther (Vintíř) siehe G. Lang, Gunther der Eremit in Geschichte, Sage und Kult, Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 59 (1941), S. 3-80; 1.000 Jahre St. Günther. Festschrift zum Jahre 1955, hrsg. von Abt Emmanuel Heufelder von Niederösterreich, Köln 1955; J. Royt, Poustevník Vintíř (Der Eremit Günther), Millénium Břevnovského kláštera (993-1993), Praha 1993, S. 257-271 usw.

5

Vgl. S. Bálint, Ünnepi kalendárium (Das Festkalendarium) 1, Budapest 1977, S. 290-291, und 2, Budapest 1977, S. 305-306.

6

Siehe B. Krzemieňska, Břetislav I., Praha 1999, S. 152-153, 261-265, 331-332 usw.

7

Vgl. Chronik von Cosmas, Fontes rerum bohemicarum (weiterhin FRB), tomus II, Praha 1875, S. 89-91.

8

Siehe F. Palacký, Dĕjiny národu českého v Čechách a v Moravĕ (Geschichte der tschechischen Nation in Böhmen und Mähren), Praha 1998 (Faksimile der Herausgabe von dem Jahre 1907), S. 77.

9

Vgl. Magyarország története (Geschichte Ungarns), 1. Band, Budapest 1984, S. 875-876, 916.

10

Siehe Scriptores rerum hungaricarum II, Budapestini 1938, S. 378, 380, und weiter R. Pražák, l. c., S. 15, 80-82.

11

Vgl. R. Pražák, Štĕpánské legendy (Die Stephanslegenden), Sborník prací filozofické fakulty brnĕnské univerzity (Studia minora facultatis philosophicae universitatis brunensis), řada literárnĕvĕdná (series scientiae litterarum), D 28, Brno 1981, S. 110.

12

Siehe Chronik von Cosmas, FRB, tomus II, Praha 1875, S. 122-123, 130-131, 142-143.

13

Vgl. Chronik des Domherr von Wysegrad, FRB, tomus II, S. 207, 215-216, 218, 227-228.

14

Siehe V. Novotný, České dĕjiny (Die tschechische Geschichte) I/3, S. 254-276, und V. Vaníček, Velké dĕjiny zemí Koruny české (Große Geschichte der Länder der Böhmischen Krone), 2. Band, 1197-1250, Praha – Litomyšl 2000, S. 88-98, 336.

15

Vgl. FRB II, Praha 1875, tomus II, Praha 1875, S. 310-314, FRB IV, Praha 1884, S. 12, 31-35, 83-85 usw. Siehe auch V. Chaloupecký, Uherská politika Přemysla Otakara II. (Die ungarische Politik des Przemysl Ottokar II.), Od pravĕku k dnešku I, Praha 1930, S. 130-188; R. Marsina, Přemysl Otakar II. a Uhorsko (Przemysl Ottokar II. und Ungarn), Folia historica bohema I, Praha 1979, S. 37-65; J. Žemlička, Století posledních Přemyslovců (Das Jahrhundert der letzten Przemysliden), Praha 1986, S. 113-116, und auch R. Pražák, l. c., S. 166-168 usw.

16

Siehe neuestens Gy. Kristó, Az Árpád-kor háborúi (Die Kriege der Arpadenzeit), Budapest 1986, S. 139-141, und J. Žemlička, l. c., S. 122.

17

Vgl. die in der Anmerkung 15 genannte Literatur und dazu noch A. Kusterniga, Probleme und Kämpfe zwischen Rudolf und Ottokar und die Schlacht bei Dürnkrut und Jedenspeigen am 26. August 1278, Ottokar-Forschungen, Wien 1978-1979, S. 226-311, und aus der älteren österreichischen Literatur vor allem A. Busson, Der Krieg von 1278 und die Schlacht bei Dürnkrut, Archiv für österreichische Geschichte 62, Wien 1881, S. 1-146.

18

Siehe J. Žemlička, l. c., S. 161-170.

19

Vgl. Dĕjiny Maďarska (Geschichte Ungarns), Brno 1993, S. 41-43; J. Žemlička, l. c., S. 188-192, 262-276, und P. Engel–Gy. Kristó–A. Kubinyi, Magyarország története (Geschichte Ungarns) 1301- 1526, Budapest 1998, S. 45-48.

20

Siehe J. Mezník, Lucemburská Morava (Das luxemburgische Mähren), Praha 1999, S. 21-31, und P. Engel–Gy. Kristó–A. Kubinyi, l. c., S. 75-76.

21

Vgl. J. Mezník, l. c., S. 37, 85.

22

Siehe ebenda, S. 40, 48-49, 173, und F. Kavka, Vláda Karla IV. za jeho císařství (Die Regierung Karls IV. in seiner Kaiserzeit) 1355-1378, 1. Teil (1355-1363), Praha 1993, S. 64, und derselbe, Karel IV. a anjouovsko-piastovské dĕdictví (Karl IV. und die Erbschaft der Anjouer und Piasten), Sborník historický, Jhrg. 36, Praha 1989, S. 5-63.

23

Vgl. J. Mezník, l. c., S. 174, 212-213, und F. Kavka, l. c. (Anm. 22), 1. Teil (1355-1363), S. 150-151, 168-169, und 2. Teil (1364-1378), S. 67, 82-83, 88, 99-100, und auch P. Engel–Gy. Kristó–A. Kubinyi, l. c., S. 91-92.

24

Siehe J. Mezník, l. c., S. 174-175, 220, 226, und P. Engel–Gy. Kristó – A. Kubinyi, l. c., S. 92.

25

Vgl. R. Pražák, l. c., S. 28-29, 36-37, und die dort erwähnte Literatur, weiterhin auch A. Vízkelety, Kódexek a középkori Magyarországon (Handschriften aus Ungarn im Mittelalter), Budapest 1985, S. 103-104; R. Pražák, Cseh-magyar kulturális kapcsolatok 1945-ig (Tschechisch-ungarische Kulturbeziehungen bis 1945), Regio, 1. Jhrg., Budapest 1990, N. 3, S. 32-33.

26

Siehe J. Mezník, l. c., S. 229-230, 234, 251, 257, 264, 281-284.

27

Vgl. ebenda, S. 301-302, und P. Čornej, Velké dĕjiny zemí Koruny české (Große Geschichte der Länder der Böhmischen Krone), 5. Band, 1402-1437, Praha – Litomyšl 2000, S. 158-174.

28

Siehe P. Čornej, l. c., S. 225-226, 510-513 usw.

29

Ebenda, S. 631-632, 642, 644-653.

30

Siehe E. Kovács–J. Novotný, Maďaři a my (Die Ungarn und wir), Praha 1959, S. 39-45, und Gy. Székely, A huszitizmus visszhangja Magyarország népeiben (Der Widerhall des Hussitentums bei den Völkern Ungarns), Magyar Tudományos Akadémia II. Osztály Közleményei 5, Budapest 1954, S. 135-163.

31

Vgl. T. Kardos, A huszita biblia keletkezése (Die Entstehung des hussitischen Bibel), Magyar Tudományos Akadémia I. Osztály Közleményei 3, Budapest 1953, S. 127-147; S. Károlyi, A huszita mozgalom és magyar írásbeliség (Die hussitische Bewegung und das ungarische Schriftum), Tanulmányok a csehszlovák-magyar irodalmi kapcsolatok köréből, Budapest 1965, S. 73-92; J. Szűcs, Nemzet és történelem (Nation und Geschichte), Budapest 1974, hauptsächlich 570-581; L. Hadrovics, A magyar huszita biblia német és cseh rokonsága (Die deutsche und tschechische Verwandtschaft der ungarischen hussitischen Bibel), Budapest 1994.

32

Siehe E. Kovács–J. Novotný, l. c., S. 68-77.

33

Vgl. ebenda, S. 77-83, und R. Pražák, Zu den Beziehungen zwischen den Böhmischen Ländern und Ungarn zu Zeiten Matthias Corvinus´, Matthias Corvinus and the Humanism in Central Europe, Budapest 1994, S. 194-195.

34

Siehe J. Válka, Středoevropan Matyáš Korvín (Der Mitteleuropäer Matthias Corvinus), Amicus, Praha, duben (April) 1992, S. 19-23; R. Pražák, l. c. (Anm. 33), S. 199-201; P. Vorel, Páni z Pernštejna (Die Herren von Pernstein), Praha 1999, S. 60-62.

35

Siehe J. Macek, Jagellonský vĕk v českých zemích (Die Zeit der Jagellonen in den Böhmischen Ländern), 1. Teil, Praha 1992, S. 295-296, 304, 316-318.

36

Vgl. R. Pražák, l. c. (Anm. 33), S. 196-201, und derselbe, Působení Bohuslava Hasištejnského z Lobkovic v Uhrách a jeho odraz v dobĕ obrozenské (Das Wirken von Bohuslaw Hassenstein von Lobkowitz in Ungarn und sein Widerhall in der Zeit der Wiedergeburt), Humanizmus a renezancia na Slovensku (Humanismus und Renaissance in der Slowakei), Bratislava 1967, S. 356-373.