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FERENC GLATZ

Öffnung nach dem Süden

Politik, Wirtschaft, Geschichtswissenschaft*

 

Die südöstliche Erweiterung der Europäischen Union (1992-2010)

Die über die Zukunft von Europa nachdenkenden Intellektuellen sprechen immer häufiger über die südöstliche Region. Das nordöstliche Küstengebiet des Mittelmeeres – das Küstengebiet des Adriatischen Meeres, des Ägäischen Meeres, bzw. des Schwarzen Meeres - wird mal Westbalkan, mal Südosteuropa genannt. Diese Region wird mehrheitlich von südslawischen Völkern und von Rumänen bewohnt.

Die Politiker und die Ökonomen sind natürlich mit der Gegenwart von Westeuropa beschäftigt: sie haben erkannt, dass die sich seit Jahrzehnten erneuernde afrikanisch-asiatische und fernöstliche Einwanderungswelle nicht nur die Straßen und die Fußballmannschaften der europäischen Städte verfärbt, sondern zwischen den Weißen und Farbigen, zwischen den Christen und Moslems zu schwerwiegenden kulturellen und sozialen Gegensätzen führt. Die extreme Ablehnung der infolge der Erweiterung der Europäischen Union (2007) erscheinenden Romas, bzw. ihrer „östlichen” Arbeitskultur und Verhaltensweise drohen sogar mit der Neubelebung des Rassismus...

Die Europa-Strategen regen zur Fortsetzung der EU-Erweiterung an. (Dahinter stehen nicht zuletzt die internationalen Großunternehmen, die auf neue Märkte hoffen, und die bereits die Erweiterungen in den Jahren 2004 und 2007 befürwortet haben. Und das kann auch positive Folgen haben.) Die Richtungen: das nordöstliche Baltikum und noch stärker die südöstliche Region des Schwarzen Meeres. Hinter beiden „Richtungen” steht ohne Zweifel die stärkste Wirtschaftsmacht Europas, die Bundesrepublik Deutschland. (Vermutlich wird dieses Phänomen an der Oberfläche durch die Forschungen der Historiker von späteren Zeiten bestätigt.) Die Annahme der Baltischen Strategie und der Schwarzmeerstrategie (2007), sowie der jahrlang gehinderten Donau-Strategie (Dezember 2010) haben gezeigt: nicht einmal die strategischen weltpolitischen Kräfte können das deutsche Kapital darin hindern, dass die seit dem Anfang des Jahrhunderts erwünschten geographischen-wirtschaftlichen Regionen erreicht werden. Der nordöstliche Ausgang und der Ausgang auf das Mittelmeer, sowie die Annäherung der Kaspischen Region entsprechen gegenwärtig auch den strategischen Zielen der Atlantik: der Integrierung der Regionen zum euroatlantischen Kulturkreis, in denen die neuen südöstlichen Standorte der NATO ausgebaut werden (Bulgarien, Rumänien). Da die Türkei wegen dem Vorstoß des Islams als „unzuverlässiger” Verbündeter und EU-Kandidat eingestuft wurde. (Dieser letztere Gesichtspunkt hat sich seit dem 11. September 2011 bedeutend verstärkt, was auch verständlich ist.) Doch die sich mit der Weltwirtschaft beschäftigenden Ökonomen behaupten: das besondere Interesse für die südosteuropäische Region begründet auch die Umgestaltung der Routen des Welthandels. Der Seehandel von China und Indien, sowie von Europa sucht auf dem Mittelmeer nach neuen Häfen: die großen westeuropäischen Häfen sind von Marseilles bis Hamburg überfüllt, somit bleiben der östliche Becken des Mittelmeeres, das Schwarze Meer und das Ägäische Meer. Von dort aus kann die Ware mit Schiffen, oder mit Zügen in nordwestliche Richtung zu den größeren Absatzmärkten geliefert werden. (Angenommen, dass diese Regionen die bedeutenden Absatzmärkte bleiben.)

Die Investitionen nach Südeuropa wurden gestartet. Die erste Welle erfolgte 2005, als die Pläne der südosteuropäischen Erweiterung klar wurden: die Ziele waren zuerst Bulgarien und Rumänien (seither verwirklicht), dann der ganze Westbalkan. Das Interesse für die Region hat sich 2010 wieder gesteigert, als es sich herausgestellt hat: die EU-Erweiterung darf nicht einmal wegen der inzwischen ausgebrochenen Finanzkrise gestoppt werden. Sogar neue Argumente gab es für die Erweiterung: dazu, dass der globale Geld- und Produktionsmarkt, sowie die lokalen ethnischen und religiösen Konflikte beherrscht werden können, müssen globale Organisationen und Institute gegründet werden. (Die gleichen Argumente haben wir damals in den 1990er Jahren in verschiedenen Ausschüssen betont, als wir die erste Erweiterung vorantreiben wollten…) Nach Griechenland müssen auch die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens in die Europäische Union aufgenommen werden. Die Frage war nur die Reihenfolge. Wieder scheinen die Interessen der Großmächte entscheidend zu sein. Wird man dem traditionellen deutschen Drang nachgeben – der von Italien und auch von Ungarn als neuem Mitglied unterstützt wurde, na ja, so ist halt die Geschichte, man kann ja wieder die Handbücher des Ersten und Zweiten Weltkrieges über die traditionellen Verbündetensysteme in die Hand nehmen –, und Kroatien die Priorität gewähren? Damit würde Serbien, der den russischen Interessen näher steht, einen Nachteil erleiden – man muss ja wirklich die Geschichtsbücher über die Verbündetensysteme des Ersten und Zweiten Weltkrieges wieder lesen. Die Serben haben es emotional als eine Strafe erlebt: sie meinten, dass sie kollektiv für das „dunkle Erbe” der Region, nicht nur für die Diktatur von Tito, sondern auch für die gegenseitigen Massenmorde verantwortlich gemacht werden, die in der Region während des Zweiten Weltkriegs, sowie in den 1990er Jahren in den Kriegen nach der Auflösung Jugoslawiens begangen wurden. (Die Europa mit Entsetzen beobachtet hat, da diese Formen der Massengewalt seit dem Zweiten Weltkrieg nur in Afrika und im Fernen Osten erschienen sind.)

Das Interesse der Politik und der Wirtschaft (Ungarn, 2005)

Es liegt im Interesse des Ungarntums im Karpatenbecken, sowie des ungarischen Staates, dass sie der südosteuropäischen Region mehr Aufmerksamkeit widmen. Unsere Leitsätze: der ungarische Staat und die mit der Region benachbarte ungarische Kultur werden in den folgenden Jahrzehnten große Möglichkeiten haben. Wir befinden uns wieder auf der „Hauptstraße” der europäischen Geschichte. Diesmal werden wir aber nicht zu Aktionen gerufen, die uns in Kriege locken, sondern zu Unternehmen, Wirtschaftung, bzw. zur Mobilisierung unserer Reserven. Wenn wir noch solche haben. Wer die Zeitschrift „História” liest, kann sich daran erinnern: im Oktober 2005 haben wir als Programm des Zentrums für Gesellschaftsforschung, des Europa Institutes und der Zeitschrift „História” angegeben: Richtung Balkan. Wir haben die besten Experten der akademischen Institute, der Agrar- und technischen Universitäten, sowie der Institute für Gesellschaftsforschung zur Formulierung der Balkan-Strategie gesammelt. Was bietet die EU-Erweiterung für das Karpatenbecken und somit für die Ungarische Republik im Bereich der Naturwirtschaft, des Agrarwesens, der Industrie, des Verkehrs, des Handels, sowie in der regionalen Entwicklung im Bereich des Ausbaus von Rechtsinstituten. (Grenzüberschreitende Wasserwirtschaft, Wettbewerb und Kooperation in der Lebensmittelproduktion, Ausbau von internationalen Verkehrskorridoren im Straßen-, Bahn- und Schiffverkehr, Industrieansiedlung, Möglichkeiten der Kapitalinvestitionen, grenzüberschreitende Politik für den ländlichen Raum, sowie grenzüberschreitende nationale Politik.) Wir haben das www.balkancenter.hu Homepage gestartet, das auch seither funktioniert. Wir haben eine Konferenzreihe veranstaltet, sowie drei Balkan-Bände in Englisch herausgegeben… Daran hat sich auch das Institut für Geschichtswissenschaft teilgenommen: die Forschungsgruppe für die Geschichte des Balkans wurde gegründet, und die Spezialisten der Balkanregion begannen als eine Arbeitsgruppe zu arbeiten. Wir haben noch konsequenter als bisher betont: man kann sich nicht mit der Geschichte der Völker des Karpatenbeckens beschäftigen, wenn man die Quellen und die Fachliteratur nicht in der Sprache der hier lebenden Völker lesen kann.

Das Interesse der Geschichtswissenschaft (2005-2010)

Was bietet die neue weltpolitische Situation der ungarischen Geschichtswissenschaft? Man könnte sogar fragen: was verlangt von uns unsere traditionelle europäische Bindung in den nächsten Jahrzehnten im Bereich der Forschung der südosteuropäischen Region?

Die historische Anschauung des Karpatenbeckens

Man kann in der Region keine Geschichte schreiben und die Geschichtswissenschaft so betreiben, wie es in der Blütezeit der Nationalstaaten zwischen 1920-2007 geschah. In der Geschichte der Region werden die naturhistorischen Gegebenheiten wieder sichtbar – die die nationalstaatliche Perspektive durchbrechen. Die eigenartige geomorphologische Gliederung der Region – die die Hügel- und Berglandschaft vom Mittelmeer bis zum Karpatenbecken zum Grenzgebiet von Weltmächten machte: zu einem Grenzgebiet zwischen dem römischen und dem byzantinischen Reich, bzw. zwischen dem türkischen und dem deutschen Reich. (Während in der Region der nördlichen Tiefebene – zwischen Donau und Theiß – der Durchgang frei war.) Die geostrategischen Faktoren der türkisch-ungarischen, osmanischen-christlichen Koexistenz werden dadurch verständlich. Warum die ungarische Tiefebene im 15.-18. Jahrhundert von den Türken wegen der Versorgung und des Verkehrs der Armeen zum westlichen „Endpunkt” gemacht wurde, was für unsere Historiker (Gyula Káldy Nagy, Klára Hegyi, Pál Fodor, Géza Dávid) eine bestimmende Rolle in der internationalen Osmanistik gewährt. (Das ist eines der seltenen Themen der ungarischen Geschichte, das auch im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig ist!) Es wird auch verständlich, wie die Flussebenen, die vom Osten nach Westen bis zu den Habsburgischen Kronländern (bereits ab 1460) einen freien Durchgang gesichert haben, die Angriffe der Türken in Westeuropa im 15.-18. Jahrhundert erleichtert haben. Dieses einen freien Durchgang sichernde Gebiet hat das Schicksal der Serben grundlegend geprägt. Neben den verlorenen Schlachten waren sie ständig den Türken ausgeliefert, und nach der Schlacht auf dem Amselfeld (1389) zogen die Serben auf die südlichen Gebiete der ungarischen Tiefebene und sie wurden zu einem der ständigen militärischen Bestandteile in der Geschichte des ungarischen Staates. (Diese Koexistenz wurde in der Geschichtsschreibung der vergangenen achtzig Jahre kaum dargestellt. Eher die Spannungen wurden in der Zeit der Kämpfe zwischen dem Habsburgreich und den Ungarn dargestellt. Genauso waren die von Kroaten und Slowenen bewohnten Gebiete den Türken ausgeliefert, wodurch die Habsburg-Politik und die Orientierung in die Richtung der Kronländer der kroatischen Stände ebenso geprägt wurden – da sie vom Ungarischen Königreich nach 1490 keinen Schutz mehr erhalten haben. Genauso wird dadurch die dalmatinische Politik nach 1538 verständlich, als die „Heilige Liga”, die Allianz des deutschen-venezianischen-vatikanischen Staates auf dem Mittelmeer von der türkischen Flotte eine vernichtende Niederlage erlitten hat, und damit die Meeresküste geöffnet wurde. Jedoch auch die in Europa im Zeitalter einzigartige militärische Organisation, die so genannte Grenzwache – und dieses Thema muss ebenfalls behandelt werden – gewinnt an Bedeutung als eine territorial, wirtschaftlich und sozial organisierte Organisation zwischen 1538-1867. Diese 300 Jahre alte Organisation gründete eine eigenartige Autonomie zwischen den Kroaten, Serben und Rumänen in der Berglandschaft, sowie in der sumpfigen südlichen Tiefebene. Wenn man die Privilegien und die von den ungarischen abweichenden Lebensformen nicht kennt, dann kann man die rumänisch-ungarischen und serbisch-ungarischen Kämpfe im 18.-19. Jahrhundert (1703-1711, 1848-1849), sowie die Nationalgeschichte im 18.-19. Jahrhundert kaum verstehen (Enikő A.Sajti). Genauso wenig kann man die Geschichte der nationalen Bewegungen in Kroatien im 18.-19. Jahrhundert verstehen. Mit den Kroaten hatten die Ungarn nur einmal einen Waffenkonflikt, doch liefert in allen Geschichtsbüchern dieser einziger Kampf im Jahre 1848 den Anlass, über die kroatisch-ungarischen Beziehungen zu sprechen. Man vergisst – ebenfalls ein naturhistorischer Faktor: Ausgang aus dem Karpatenbecken auf die Meeresküste - zu betonen, wie der Vermittlerhandel und die Wirtschaftung auf der Küste in der südlichen Region die Bedeutung der kroatischen Aristokratenfamilien (Blagay, Frangepán, Zrínyi) in der Geschichte des Karpatenbeckens und somit auch in der Geschichte der Habsburg-Länder – zu denen auch das Ungarische Königreich gehört - erhöht hat (Ágnes R. Várkonyi, Géza Pálffy, Antal Molnár). Es wird vielleicht auch verständlich, welche Rolle die kroatische Küste und die Rohstoffe (Holzwirtschaft) in Kroatien in der Industrialisierung der Habsburger Monarchie, sowohl in der Entwicklung der Kronländer, als auch des Ungarischen Königreiches gespielt haben (Dénes Sokcsevits, Zoltán Szász). Geschweige denn von der prägenden Rolle dieser historischen Begebenheiten bezüglich der internationalen Isolierung des ungarischen Staates im Zeitalter der Nationalstaaten nach 1920. Man beginnt langsam (Magda Ádám, Emil Palotás, Géza Jeszenszky, Attila Seres) auch darüber zu sprechen, mit welchen wirtschaftlichen Nachteilen die Staatsgründungen in dieser Randregion, sowie deren Trennung von der Tiefebene im Karpatenbecken für die Ungarn, Kroaten, Serben und Rumänen verbunden war…

Wir erwarten also von der aktiven Forschung der Geschichte von Südosteuropa die Durchsetzung der regionalen Anschauung. (Die zuletzt vor 1918 in der Geschichtsschreibung der Region präsent war…) Diese neue regionale Anschauung kann sich auf die Zusammenarbeit der Geschichtsschreibungen der Region stützen. Das kann durch die spontane Kooperation der Forscher einzelner kleinen Themen nicht verwirklicht werden, sondern muss sich auf die Wissenschaftspolitik, auf die Erkenntnisse der Leiter der nach 1920 ausgebauten nationalstaatlichen – Akademie, Universitäten – Geschichtswissenschaften, sowie auf planmäßige Programme der Wissenschaftspolitik, bzw. auf die Kooperation der Fachinstitute der rumänisch-serbisch-kroatisch-bosnisch-slowenischen, sowie der ungarisch-österreichischen Geschichtswissenschaft stützen. Deshalb haben wir 2005 zuerst im virtuellen Balkan-Institut des Zentrums für Gesellschaftsforschung, dann im Institut für Geschichtswissenschaft mit dem bewussten Institutsausbau begonnen, sowie haben wir in den vergangenen Jahren junge Forscher gesammelt, die die Sprache der Nachbarländer verstehen und sich in die lokale und westliche Forschung von Südosteuropa integrieren können (unter der Leitung von József Juhász und Imre Ress: Árpád Hornyák, László Bíró, Attila Seres, Andrea Antal, László Ritter, Krisztián Csaplár-Degovics). Zu der diesbezüglichen Forschung muss man neben den örtlichen Sprachen – Rumänisch, Südslawisch – nicht nur Englisch, sondern die Muttersprache der in Verbindung mit der Forschung der Region aktivsten deutsch-österreichischen Geschichtsforschung, die deutsche Sprache verstehen. Der Ausbau einer Forschungsrichtung ist nicht wie die „grünflächige” Investition eines industriellen Unternehmens, oder eines technischen Institutes. Der Ausbau einer Forschungsgruppe von Südosteuropa kann das Ergebnis eines Jahrzehnte dauernden Institutsbaus, bzw. einer Personenpolitik sein.

Möglichkeit auf dem internationalen Markt der Geschichtswissenschaft

Die Entwicklung der südost-europäischen Region kann also ein wissenschaftspolitisches Ziel und ein nationalpolitisches Interesse sein, die nur selten zusammenfallen – jetzt doch.

Wie steht es aber bezüglich dieses Unternehmens auf dem internationalen Markt der Geschichtswissenschaft?

Die Forschung der Geschichte der südosteuropäischen Region war natürlicherweise mit den Veränderungen der weltpolitischen-politischen Rolle der Region verbunden. (Nicht nur in unseren Tagen, sondern auch in den vergangenen 150 Jahren. Eine schöne Aufgabe wäre die ausführliche Bearbeitung der Geschichte der Forschung in Ungarn: der Überblick der Arbeiten der Naturhistoriker – Geobotaniker, Tiergeographen, Klimaforscher, Experten der Wasserwirtschaft -, Ethnographen, Historiker, Archäologen. Zahlreiche auch gegenwärtig nützliche Ideen, sowie in den Zeitschriften erscheinenden Kenntnisse könnten entdeckt werden. Schon deshalb, weil eine der größten Persönlichkeiten der Region, Lajos Thallóczy ein Ungar war.)

Als die Türken nach dem Karpatenbecken auch aus dem Westbalkan verdrängt wurden (1878-1912) und die Völker der Region sich neu belebt und ihre Staaten gegründet und diese vor den westlichen Investitionen geöffnet haben, so wurden auch die Forschungen auf die „neue” Region der Investitionen aufmerksam. Am Ende des 19. Jahrhunderts schienen der deutsche und der österreich-ungarische Staat den Kampf der Großmächte gewinnen zu haben. Die Deutschen waren in der Wirtschaft und die Monarchie in den Verwaltungssystemen über die von den Türken verlassenen Regionen des Balkans aktiv. (1878, 1908: die Okkupation, und später die Annektierung von Bosnien.) Das große Unternehmen der ungarischen Geschichtsschreibung, die historischen Arbeiten von Lajos Thallóczy und des ungarischen Historikerkreises in Wien über Südosteuropa waren mit dieser Periode verbunden: die Zusammenstellung des Archivs der serbisch-ungarischen, kroatisch-ungarischen und der slawonischen Beziehungen zwischen 1903-1915. Der Thallóczy-Nachlass fasst die Geschichte des 12.-16. Jahrhunderts, also die Vorgeschichte des Ausbaus der Grenzschutzgegend gegen die Türken zusammen. In unseren Tagen, als man die österreichisch-kroatisch-rumänischen, und hoffentlich auch die serbisch-bosnischen Archive frei forschen kann, könnte die vergleichende Geschichte des Grenzschutzgebietes (1538-1872), dann die vergleichende Geschichte der industriellen-technischen Revolution (Straßen- und Eisenbahnbau, Handel, innere Migration usw.) bezüglich der Region verfasst werden. Danach könnte man die in der Region aktive Politik der Großmächte (diesbezüglich war die ungarische Geschichtsschreibung ab 1986 mit der Herausgabe der Archivbände von Trianon unter den ersten) untersuchen, sowie die vergleichende Geschichte der Sowjetsystems, bzw. der südslawischen Staaten forschen. (Wir müssen einmal doch erleben können, dass die lokalen Geschichtsschreibungen selbst die vergleichende Geschichte der Region verfassen, und nicht nur als fleißige Archivforscher die „Grundmaterialien” für die amerikanische, französische und deutsche Geschichtsschreibung liefern werden, die die Geschichte der lokalen Völker aufgrund ihrer eigenen nationalen-weltpolitischen Gesichtspunkte synthetisieren.)

In der Periode zwischen 1920-1945, nach dem Zerfall der Österreich-Ungarischen Monarchie waren die Deutschen in der Forschung der Gesellschaft der Region durch die Mobilisierung der lokalen (bairischen) süddeutschen und sozialen Kräfte am aktivsten. Das Ziel war die Aufdeckung der Geschichte der nach Südosteuropa eingewanderten Deutschen und der mit ihnen in Verbindung stehenden lokalen Völker. So wurde in München im Jahre 1930 das berühmte Südostinstitut gegründet, hinter dem die Südosteuropäische Gesellschaft als Zivilgesellschaft, sowie der bairische Staat standen. Das Südostinstitut beschäftigte sich zuerst nur mit der vergleichenden Geschichte des Deutschtums der benachbarten Gebiete – Tschechien, Österreich, Süd-Tirol -, und später mit dem deutschen Einwanderungsgebiet bis zum Schwarzen Meer. (Das Jahr 1936 brachte eine neue Konzeption, die mit der Person des herausragenden Historikers und Wissenschaftsorganisators Fritz Valjavec verbunden war. Einzelne Persönlichkeiten wie der ungarische Thallóczy, oder der deutsche Valjavec können in der Gestaltung der Richtungen der Wissenschaftsorganisation eine große Rolle spielen. Natürlich auch die südosteuropäischen Pläne des Hitler-Deutschlands haben die deutsche Südosteuropa-Forschung unterstützt. Die Forschungen unseres ehemaligen Doktoranden, sowie unserer Freunde Karl Nehring und Gerhard Seewann sind maßgeblich in diesem Thema.)

Nach dem Zweiten Weltkrieg – nach dem Zerfall des südosteuropäischen Deutschtums – wurde das Institut das Zentrum der vergleichenden historischen Forschung, und später der allgemeinen sozialen Forschung der Region. (Für die Forschung der südosteuropäischen Deutschtums wurde 1957 eine andere Gesellschaft gegründet.) Nach dem Österreichischen Staatsvertrag (1955) wurde auch die österreichische Geschichtswissenschaft aktiv: 1958 wurde das von der Universität unabhängige Forschungsinstitut, das Österreichische Ost- und Südostinstitut gegründet, das sich mit der geographisch-soziologischen, jedoch vor allem mit der vergleichenden Geschichtswissenschaft beschäftigt hat und das bis zum Tod des Institutsgründers R.G. Plaschka (2001) als primäres Institut der vergleichenden regionalen Wissenschaftsorganisierung galt. (Das Erbe unseres alten Freundes Plaschka versuchten wir nach 1996 an der Akademie und im Europa Institut zu übernehmen, vor allem durch die Organisierung von Konferenzen über die vergleichende Geschichte der Region in der Neuzeit und in der neuesten Zeit mit den österreichischen Schülern von Plaschka, mit H. Haselsteiner und A. Suppan, die Konferenzmaterialien wurden auch veröffentlicht.)

Eigenartig war in der Südosteuropa-Forschung das Forschungsinstitut für Balkanistik und Slawistik in Moskau. (In diesem Institut haben wir als Stipendiaten auch mehrere Monate verbracht.) Alle von den Sowjets besetzten Staaten hatten russisch-sowjetische Historiker als „Referenten”. (Unsere waren T. Islamow und V. Susarin.) Das Institut in Moskau konnte mit dem Münchener, dem Wiener, sowie mit dem Berliner, Kölner Institut, bzw. mit dem Wiener Universitätslehrstuhl aus dem Gesichtspunkt der Organisierung nicht verglichen werden. (Es gab überhaupt keine Konferenzen, oder keine Veröffentlichungen wurden herausgegeben.) Nur „offiziell” wurde das Interesse für die synthetisierenden Themen der Region in den ehemaligen besetzten Ländern – so auch in Ungarn – wach gehalten, mit politischen-wissenschaftspolitischen Mitteln wurde also die Südosteuropa-Forschung unterstützt. (Die Historiker der besetzten Länder – wir Ungarn auch nicht – haben wegen dieser politischen Unterstützung die Relevanz des Themas nicht erkannt.)

Über die Ost-Forschung der Vereinigten Staaten sprechen wir an dieser Stelle nicht, obwohl diese in der allgemeinen Forschung der Sowjet-Region, bzw. - auf eigenartiger Weise – als Teil der Osmanistik im Westen einen großen Einfluss hatte, welcher in Europa geringer war.

Die Südosteuropa-Forschung nach dem Zerfall der Sowjetunion (1992-2010)

Nach dem Zerfall der Sowjetunion (1992) wurde das Interesse für Osteuropa weltweit im Allgemeinen geringer, sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Deutschland. Es wurde sichtbar, dass die westlichen wissenschaftlichen Institute ebenso den aktuellen politischen Richtungen ausgeliefert wurden (und sind), wie die östlichen Institute. Die deutsche und österreichische Südosteuropa-Forschung fielen auf eigenartiger Weise der politischen Wende zum Opfer.

Ist das Kurzsichtigkeit, oder ein Richtungswechsel der Politik, oder der Mangel an Mitteln, eine Sparmaßnahme, oder das verlorene Interesse, oder kann die junge Forschergeneration die mit der Kenntnis der zahlreichen Sprachen und der nationalen Fachliteraturen verbundene Arbeit nicht übernehmen? Es kann nicht genau festgestellt werden, was – genau im Zeitalter der Erweiterung der Europäischen Union – dazu geführt hat, dass das Interesse für Südosteuropa sichtbar geringer ist. Tatsache ist: das Münchener Institut wurde vom bairischen Staat mit dem Südosteuropa-Institut der Regensburger Universität vereinigt (die Umorganisierung läuft gegenwärtig), und im Jahre 2008 wurde von der österreichischen Regierung das Wiener Ost- und Südosteuropa Institut aufgelöst. An der Wiener Universität wurde in diesen Monaten aus dem Institut für Ost- und Südosteuropa das Institut für die Geschichte Osteuropas gegründet. Bemerkenswert ist, dass „osteuropäische” Programme sowohl in den bairischen, als auch in den österreichischen Instituten verkündet werden. (Manche sprechen über das geringe Interesse für die südosteuropäische Politik und über das verstärkte Interesse für die polnisch-ukrainisch-russischen Gebiete. Manche fügen noch hinzu: dieser Wechsel ist auch der Tatsache zu danken, dass die EU-Erweiterung nach 2007 zu stoppen scheint. Jetzt im Jahre 2010* kann ein erneuter „Zurückwechsel” erfolgen.)

Wie auch immer: die Mitglieder der deutschen-österreichischen Generation, die sich mit der Forschung der südosteuropäischen Region beschäftigt haben, sind bereits in der Rente, und die sich mit diesem Forschungsthema beschäftigenden speziellen Institute wurden aufgelöst. In den Forschungsinstituten wird die südosteuropäische Region der allgemeinen osteuropäischen Thematik untergeordnet, und unter den Themen wird die Geschichte den allgemeinen wirtschaftlichen, politologischen, soziologischen Themen untergeordnet. Wie auch immer das sein wird: die deutsche Forschungsorganisation in Regensburg ist eine der besten organisierten Geschichtswissenschaftswerkstätte (neben den Lehrstühlen in Leipzig, Berlin, Freiburg und Tübingen). In Regensburg beginnt man eben in diesen Monaten mit den Redaktionsarbeiten der sechs Bände des Handbuches über die Geschichte Südosteuropas. (Zugegeben, mit einer politologischen, ökonomischen Thematik.) Wie das auch immer sein wird: die anspruchsvolle Münchener Konferenzreihe der „Gesellschaft für Südosteuropa” ist immer noch das wichtigste Forum der Forscher für die südosteuropäischen nationalen Geschichtsschreibungen. (Auch die ungarische Geschichtsschreibung wird dazu, also zu Südosteuropa gezählt.)

Unsere Folgerung: die fachwissenschaftlichen, methodologischen Gesichtspunkte, die thematische Erneuerung, die Möglichkeit der internationalen wissenschaftlichen Durchsetzung und die nationalpolitischen Gesichtspunkte fallen zusammen. Es kommt zwar selten vor, doch diesmal ist das der Fall. (Wir haben an dieser Stelle die kulturelle, wissenschaftliche Unterstützung des Ungarntums in der Woiwodschaft nicht behandelt.) Es liegt auch an den Institutsleitern, sowie an der Motivierung der jungen Forscher, ob die Möglichkeit auch zu Ergebnissen führen wird.

 

* Vorliegende Studie wurde an der Institutssitzung am 17. Dezember 2010 vorgetragen.
Auf Ungarisch erschienen in der Zeitshrift História 2011/5–6.