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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 21: 221–225.

ZSIGMOND RITOÓK

Sprachkultur in der Zeit der Globalisierung

 

Es ist ein Gemeinplatz, dass wir uns in der Zeit der Globalisierung befinden. Von den zahlreichen Bezügen würde ich jetzt nur einige im Zusammenhang mit der Sprache erwähnen.

1. Die Internationalisierung der Kontakte in den Wissenschaften und in der beruflich-fachlichen Kultur (auf den internationalen Beratungen ist der Sprachgebrauch geregelt, eventuell nur auf eine Sprache beschränkt; dies gilt auch für die Sprache der Fachliteratur, die Termini einer Sprache werden zu Internationalismen).

2. Die Internationalisierung der Kontakte in den Massenmedien, in den Medien (Rundfunk, Fernsehen, Film). Im umfangreichen Genuss dieser genießen jene einen Vorteil, die über die Kenntnisse gewisser Sprachen verfügen.

3. Den Gebrauch des Fachwortschatzes der Fachsprache, von unverändert aus Fremdsprachen übernommenen Fachwörtern unterstützen psychologische Faktoren: man braucht nicht darüber nachzudenken, wie diese in einer anderen Sprache auszudrücken sind, darüber hinaus wird noch der Anschein der Eingeweihtheit vermittelt.

4. Die Sprache widerspiegelt naturgemäß eine gewisse Betrachtungsweise, Denkweise, trägt eine gewisse Wertordnung, was in lokaler (nationaler) Beziehung abschwächend auf das Identitätsbewusstsein der Gemeinschaft einwirkt.

5. Demgegenüber wirken die lokalen (nationalen) Identitätsbewusstseine, das Bestehen auf der Nationalsprache, der sich in dieser äußernden Betrachtungsweise, der Wertordnung, auf den eventuell historisch determinierten, begründeten Formen des Sich-Verschließens vor den anderen Sprachen, den anderen Sprachen gegenüber.

Aus den beiden gegeneinander gerichteten Faktoren kann sich im glücklichen Falle eine günstig wirkende Spannung entwickeln – aus den Gegensätzen kommt die schönste Harmonie zustande, sagten die Griechen, im unglücklichen Falle eine ungünstige. An der ersteren zu arbeiten, letztere zu umgehen, darin besteht die Sprachenpolitik.

 

„Kleine” Sprachen und „große” Sprachen

Offenkundig sind die Sprachen nicht gleich. Es gibt von vielen gebrauchte „große” Sprachen und von wenigeren Sprechern verwendete „kleine” Sprachen. Es gibt Sprachen, die in solchen Ländern gesprochen werden, die in der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung ein großes Gewicht bedeuten, in der Weltpolitik eine wichtige Rolle spielen, und es gibt solche Länder, die – eventuell trotz der großen Zahl ihrer Bevölkerung – nicht determinierend sind. Es besteht kein Zweifel daran, dass im Zeitalter der Aufklärung, im 17.–18. Jahrhundert, das Französische eine solche Sprache war, obzwar es in Europa Sprachen gab, die von einer an der Zahl bedeutenderen Bevölkerung gesprochen wurden. Es besteht kein Zweifel daran, dass heutzutage, auch infolge des wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Gewichts der USA, das Englische eine derartige Sprache ist. Das, was ich vorstehend in Punkt 1 und 2 angeführt hatte, gilt in erster Linie hierfür, doch kommt dagegen auch die in Punkt 5 erwähnte Gegenwirkung zur Geltung.

Theoretisch gibt es für jedes Land die Möglichkeit des Sprachwechsels – in einigen Ländern befasst man sich damit auch in der Praxis –: die Aufgabe einer kleinen Sprache und die Übernahme einer großen Sprache, im konkreten Fall des Englischen. Hierfür gibt es ein Beispiel, wenn es auch nicht vollkommen und vor allem nicht freiwillig war: der Übergang der Iren zum Gebrauch der englischen Sprache. Dennoch gibt es auf dem Weg hierhin Schwierigkeiten. Die eine: nicht einmal in den entferntesten Perspektiven ist es wahrscheinlich, dass die Sprecher einiger großer Sprachen (z. B. die Franzosen, Spanier oder gerade die Araber, ganz zu schweigen von den Chinesen) die Verwendung ihrer eigenen Sprache aufgeben werden, auch wenn sie im internationalen Verkehr das Englische annehmen. Die zweite Schwierigkeit liegt im Raum näher: in Osteuropa, wo die Nationalsprache traditionell an das Nationalbewusstsein gekoppelt ist („in ihrer Sprache lebt die Nation”) wäre der Sprachwechsel kaum leicht realisierbar. Die andere Möglichkeit, dass wir diese Frage einfach nicht zur Kenntnis nehmen, und die in unsere Sprache auf dem Wege des wissenschaftlichen oder sonstigen Sprachgebrauchs eindringenden fremden Elemente einfach als Fremdkörper auffassen, diese an entsprechender Stelle verwenden, und uns übrigens mit dem vorhandenen ungarischen Sprachzustand zufrieden geben, indem wir darauf vertrauen, dass die erwähnten Fremdkörper im Laufe der Zeit als Lehnwörter in die ungarische Sprache Einzug halten. Es ist hier üblich, sich auf die bulgarisch-türkischen oder slawischen Lehnwörter des Ungarischen zu berufen. Die Parallele ist aber nicht ganz überzeugend. Zur Zeit der Übernahme der bulgarisch-türkischen oder slawischen Lehnwörter war die ungarische Gesellschaft in Bezug auf die Lebensweise viel einheitlicher als heute, also konnten die Lehnwörter leicht in den Sprachgebrauch der gesamten Gesellschaft einziehen. Heutzutage werden die fremden Ausdrücke einer Fachsprache nur von gewissen Teilen der Gesellschaft verwendet, und aus Fachbüchern können ganze Sätze zitiert werden, in denen außer dem bestimmten Artikel und den Konjunktionen kein einziges ungarisches Wort enthalten ist. So kann also eine besondere Zwei- und Mehrsprachigkeit zustande kommen.

Was für benachteiligende Folgen dies von gesellschaftlichen, Unterrichts- und Anschlussgesichtspunkten aus haben kann und hat, darauf wurde von Ferenc Glatz mehrmals hingewiesen, ich möchte es jetzt nicht wiederholen, sondern nur darauf verweisen. Im Falle einer derartigen Zweisprachigkeit wird die ungarische Sprache an den Rand verdrängt, und die nur Ungarisch sprechenden Personen können sich die höhere fachliche Bildung nur schwieriger aneignen, dadurch wird das Zerreißen der Gesellschaft in zwei Teile, das übrigens auch aus wirtschaftlichen Gründen droht, auch kulturell vertieft. Hierzu muss ich aber noch etwas hinzufügen. Nach dem ungarischen Schriftsteller Sándor Márai kann jemand nur in seiner Muttersprache Schriftsteller werden. Márai, der den größeren Teil seines Lebens im Ausland verbracht hatte, nach 1948 in der Emigration, der sich für einen Europäer, für international gehalten hat, der kaum Heimweh nach dem ungarischen Lande verspürte, jedoch nach der ungarischen Kultur, nach der ungarischen Sprache immer. Und nicht nur er, der Schriftsteller, der Übermittler von Gedanken hatte dieses Gefühl, sondern auch z. B. Joel Alon, der ehemalige Botschafter des Staates Israel in Budapest, der Ungarn als erwachsener junger Mann verlassen hatte, und der sagte, dass er keine besondere Ergriffenheit in der Stadt seiner Jugend verspürt, in der ungarischen Literatur aber ja. Für ihn ist auch jetzt die ungarische Literatur die Literatur. Die „Zweisprachigkeit” hat also nicht nur vom Gesichtspunkt der fachlichen Bildung aus nachteilige Folgen, sondern auch vom Gesichtspunkt des literarischen Werkes und der Wirkung aus. Ein einziges Beispiel dafür, wenn die Zweisprachigkeit zur Einsprachigkeit wird. Der berühmte Dichter der Mansen (Wogulen), Juwan Schestalow, der sein Studium in Moskau absolvierte, schrieb seine ersten Gedichte noch in seiner Muttersprache, später dann in russischer Sprache. Von hier aus gesehen ist es verständlich, wenn von der anderen Seite aus die Gefahr des Nationalismus erwähnt wurde. Dies war die Gegenwirkung. Es gibt aber noch eine Frage.

 

Minderheitensprachen, Mehrheitssprachen

Es gibt nicht nur große und kleine Sprachen, sondern es gibt auch kleine Sprachen und noch kleinere Sprachen, verständlicher formuliert: Minderheitensprachen, wo diese Fragen noch schärfer aufgeworfen werden. Eine kleinere Sprache ist immer mehr oder weniger eingeschlossen, isoliert, denn in einer fremdsprachigen Umgebung bewahrt sie notwendigerweise ihre Besonderheiten, die dort, wo diese Sprache die Mehrheitssprache ist, schon aufgegeben wurden. Dies sind nicht unbedingt „archaische” Wendungen, einstweilen sind sie nur aus der Mode. Dadurch sind sie als die nahe Vergangenheit der Sprache vom sprachgeschichtlichen Gesichtspunkt aus lehrreich. Die Minderheitssprachen aber verändern sich selbst als Sprachinseln zum Teil auch unter dem Einfluss der sie umgebenden Sprache, nicht nur deshalb, weil sie von dieser Wörter, Wortformen, Strukturen übernehmen, sondern weil sie fremde Elemente (den Fachwortschatz!) selbst anders assimilieren oder ersetzen wie dort, wo die Sprache die Mehrheitssprache ist. So können sie auch diese bereichern.

Insofern bedeuten sie für die beschreibende Linguistik und für die Dialektologie ein interessantes Forschungsthema.

Es geht aus dem vorstehend Gesagten hervor, dass sie nicht nur als Forschungsgegenstand wichtig sind, sondern auch als Mittel der leichteren Aneignung der Kultur – näher formuliert, der fachlichen Bildung (Fachausdrücke) – und als Ausdrücke der Gefühlswelt, des Wertesystems der betreffenden sprachlichen Gemeinschaft, einfacher formuliert als Literatur in der Minderheitssprache. Die Möglichkeit der geistigen Selbstverwirklichung ist dazu erforderlich, dass sich eine irgendeine Sprache sprechende Gruppe innerhalb der sie umgebenden Sprache wohl fühlt.

Dies ist vielleicht nirgendwo so wichtig wie gerade hier in den östlichen Landschaften Europas, wo die Sprachen aufeinander stoßen, einander berühren, und mit ihnen zusammen berühren sich auch die Denkweisen und die Traditionen, das historische Bewusstsein. Hier ist die Lösung der Probleme die Aufgabe der Sprachpolitik, weil dies keine sprachwissenschaftliche Fragen sind. Die Traditionen, die Vergangenheit ist von Erinnerungen beladen. Das Ungarische war bis zum Ende des Ersten Weltkrieges eine Mehrheitssprache, das Ungartum war als staatsbildende Nation eine herrschende Nation. Die Erinnerung hieran wirkt, manchmal auch verzerrend, auch bis heute noch, der ungarische Sprachgebrauch kann Empfindlichkeiten reizen. Das kann nicht bejaht werden, ist aber verständig. Trianon hat Ungarn empfindlich gemacht, und ob das nicht mindestens in der Form der Gleichgültigkeit für die Kulturen anderer Sprachen auch bei uns bis heute gilt?

Empfindlichkeiten, manchmal übermäßige Empfindlichkeiten, manchmal auch künstlich am Leben erhalten, können genau so auch im Falle von Mehrheitssprachen bemerkt werden wie im Falle von Minderheitssprachen. Im Falle von Mehrheitssprachen auch noch die Gleichgültigkeit. Obzwar das Eingehen ineinander auch die Quelle der gegenseitigen Bereicherung sein könnte. Mit Béla Bartók wurde auch die rumänische Volksmusik bereichert. Mit Hviezdoslav auch die ungarische Dichtung. Das ist es, was ich weiter oben als befruchtende Spannung bezeichnet habe.

Die erste Frage ist also, ob wir die noch kleineren Sprachen als eine wichtige, wenn nicht gerade als die wichtigste Grundlage der kulturellen Vielfalt bewahren sollen, und was sollen wir für sie unternehmen? Die hier auftretenden Probleme werden in der Zukunft offensichtlich wieder auftreten: muttersprachlicher Unterricht auf der Unterstufe und auf der Mittelstufe, muttersprachliche Lehrer, Presse, usw.

Dies hängt natürlich auch mit der Frage zusammen, wie sehr wir die fruchtbaren Beziehungen haben wollen, wie fruchtbar wollen wir die Spannungen machen, damit daraus die schönste Harmonie entsteht. Das ist nicht nur eine sprachliche Frage, deshalb höre ich auch damit auf. Kurz nur zwei Dinge: die Beziehung setzt zwei Seiten voraus, kann also nur wechselseitig sein, wer was vom anderen erwartet, dass muss er den Möglichkeiten nach auch selbst geben. Nicht nur in Paragraphen, sondern auch in der Praxis, im gesellschaftlichen Bewusstsein. Das andere: hier hat immer die Mehrheit, die größere Sprache die größeren Pflichten. Ganz einfach deshalb, weil sie die stärkere ist. „Wir aber, die wir stark sind, sollen das Unvermögen der Schwachen tragen und nicht Gefallen an uns selber haben.” (Römer 15,1) Der Apostel Paulus schrieb dies nicht in Bezug auf die größeren und kleineren Sprachen, doch gilt dies mutatis mutandis auch für sie.