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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 21: 23–30.

LÁSZLÓ SZARKA

Die Muttersprache der Minderheiten als gefährdete Sprache

 

Seit der Prophezeiung Herders beschäftigt sich die Intelligenz der kleinen Nationen Mittelosteuropas damit, ob die kleinen Sprachen, die nationalen Kulturen dieses Raumes verschwinden können, sei es so, dass die weniger lebensfähigen, kleinen Sprachen mit der Verbreitung der slawischen Sprachen und der früher als unumgänglich aufgefassten, heute jedoch wieder unvorstellbar scheinenden Assimilation zuerst an Raum verlieren, dann aussterben, oder aber auf die Weise, dass die Verbreitung der europäischen großen Sprachen, ihre allgemein werdende Verwendung der wichtigste Verursacher des Untergangs der kleinen Sprachen ist.

Was für Faktoren und in welchem Ausmaße können zur Gefährdung einzelner Sprachen beitragen, welche Faktoren engen den Gebrauch der Sprachen der kleinen Nationen im Bereich der zur konkreten Sprachgemeinschaft, der Gemeinschaft der Sprecher gehörenden Minderheiten ein? Gehen wir von der Tatsache aus, dass es in der Reihe der auf zwischen 4 000 und 10 000 geschätzten Sprachen der Welt den Angaben von István Fodor nach nur 138 Sprachen gibt, die von mehr als 1 000 000 Sprechern gesprochen werden. Wenn wir die untere Grenze der Größe der Sprachgemeinschaft auf 10 000 Personen festlegen, ist auch dann nur von 993 Sprachen die Rede. Die restlichen 5 000 bis 9 000 Sprachen gehören also zu jenen gefährdeten Sprachen, die von einigen tausend, bzw. von einigen hundert oder von noch weniger Menschen gesprochen werden und die keine Schriftlichkeit haben. Nur auf 500 kann die Zahl der auch über eine schriftsprachliche Variante verfügenden Sprachen angesetzt werden, dazu gehören auch die Sprachen des Altertums. (Fodor, 2001: p. 229; Bartha, 1999 : p. 17-18).

Das statistische Kriterium der Kategorie der „gefährdeten Sprache” ist jenes, das von der Größenordnung der Sprachgemeinschaft ausgeht, das die überwiegende Mehrheit der Sprachen der Welt in dieser Kategorie unterbringt, darunter auch die Sprachen unserer Sprachverwandten, nämlich der Wogulen, Ostjaken und der Samojeden, doch gilt bis zum Ausgang des 20. Jahrhunderts auch die Abnahme der autochthonen ungarischen Bevölkerung im Burgenland und in Kroatien (in Süd-Baranja und in Slavonien) als ein die Existenz der muttersprachlichen Gemeinschaft gefährdender statistischer Faktor. (Kocsis, 1998: p. 181-186, 200-203). Ähnlich den beiden kleinsten ungarischen Minderheitengemeinschaften bereitet auch der kontinuierliche Rückgang der Bevölkerungszahl die größte Sorge für die Gruppen der Minderheiten in Ungarn. Innerhalb des außerordentlich komplexen Ensembles der Erscheinungen der Assimilationsprozesse in Ungarn (die von historischen, siedlungsstrukturellen, minderheitentypologischen, minderheitenpolitischen Gründen, von den Wechselwirkungen zwischen Hungarisierung und Hungarisiertwerden, von den Folgen der äußeren und inneren Migration usw. abzuleiten sind) bedeuten gegenwärtig ohne Zweifel die außerordentlich ungünstigen demographischen Indizes das größte Problem. Die Angaben zur Muttersprache der zehn Volkszählungen des 20. Jahrhunderts zeigen, dass auf dem Territorium des heutigen Ungarns unter dem summierten Einfluss der vorstehend erwähnten Gründe und Ursachen die Gesamtzahl der Gruppen von nicht-ungarischer Nationalität innerhalb eines Jahrhunderts von 1 037 000 auf 135 152 gesunken ist.

Obendrein hat sich das Tempo des Rückgangs auch im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts nicht verlangsamt: im Jahre 2001 bekannten sich rund 9 Prozent weniger als von nicht-ungarischer Muttersprache als im Jahre 1990. Zwischen 1990 und 2001 hat im größten Ausmaß die Zahl der Ungarndeutschen abgenommen, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung des Landes von 8,8 % auf 0,4 % gesunken ist; der Anteil der Slowaken ging von 2,6 % auf 0,3 %, der der Kroaten von 1 % auf 0,1 % und der der Serben von 0,4 % auf 0,03 % zurück. (Daten der Volkszählung des Jahres 1990, 1992: p. 6-7). Bei der Volkszählung des Jahres 2001 – als aufgrund der Empfehlung des Datenschutzbeauftragten auch die Daten zur Muttersprache als sensitive Daten galten demgemäß die Beantwortung der Frage nicht obligatorisch war – zeigten nur die Angaben der Muttersprache von fünf Minderheiten eine Zunahme. Parallel zur minimalen Zunahme der Personen mit Roma als Muttersprache (um 1,3%) erreichten nur die Griechisch-, Serbisch- und Slowenischmuttersprachler ein bedeutendes Wachstum (zwischen 8 und 12 Prozent). Die Zahl der Armenischmuttersprachler ist von 37 auf 294 Personen gestiegen, d. h. die Zahl der sich als Armenischmuttersprachler bezeichnenden Personen lag beinahe um 800 % (!) höher als vor zehn Jahren. Die Werte der Volkszählungsangaben der zu den anderen Minderheiten gehörenden nicht-ungarischen Muttersprachler haben abgenommen. Im Jahre 2001 haben sich 14 345 Personen als Kroatischmuttersprachler bezeichnet, um 3 232 Personen (18,4 Prozent) weniger als im Jahre 1990. Die Zahl der Deutschmuttersprachler hat von 37 511 Personen um 4 281 Personen, d. h. um 11,4 % abgenommen. Doch ist auch die Zahl der Bulgarisch-, Slowakisch-, Polnisch- und Rumänischmuttersprachler gesunken. Die Zahl der im Jahre 1991 zusammen gezählten Rusinisch- und Ukrainischmuttersprachler aber (674 Personen) ist auch einzeln bedeutend angestiegen. Den Angaben von 2001 zufolge gaben 1 113 Personen das Rusinische (Ruthenische) und 4 885 Personen das Ukrainische als Muttersprache an. (Volkszählung des Jahres 2001. 2002, p. 10)

Die den offiziellen Angaben der Volkszählung nach zahlenmäßig unter 5 000 Personen liegenden Minderheiten, die über einzelne Regionen Ungarns verstreut leben (Serben, Slowenen, Griechen, Armenier, Bulgaren, Ukrainer, Rusinen), können ihre kleinen Minderheitengemeinschaften nur unter schwierigen Umständen aufrechterhalten und diese auch als Gemeinschaften der Sprecher auffassen.

Die von unterschiedlichen Gründen ableitbare demographische Abnahme der mittelosteuropäischen Minderheiten bedeutet an sich nicht den Tod der von ihnen gesprochenen Sprache. (Szépe, 2001 : p. 145-147). Die von den sprachlichen Minderheiten gebrauchten spezifischen, nirgends anderswo existierenden Gemeinschaftssprachvarianten aber sind entweder mit ihren historischen und dialektologischen Besonderheiten Träger von regionalen Kulturen, der Identität von historischen oder ethnographischen Gruppen oder sie bedeuten die belebende Kraft der zwischen der Zwei- und Mehrsprachigkeit entstandenen Kontaktvarianten. Diese Gruppen hören infolge ihrer von demographischen Faktoren abzuleitenden Abnahme und im Prozess des stärker werdenden Sprachwechsels oder des Sprachverlusts zu existieren auf. Dieser Sprachwechsel aber verändert nicht nur den Sprachgebrauch der Individuen, denn die muttersprachliche Mundart der ganzen Gruppe oder der Gemeinschaft, die Kontaktvariante geht dabei verloren, die sich in der zweisprachlichen Sprachsituation herausgebildet hat, und damit kann auch die Existenz der spezifischen ethnischen, ethnosozialen Wurzelkultur in Gefahr geraten.

In diesem Sinne können wir vom Tod der in einem besonderen Sprachgebrauch existierenden Sprache der Minderheitengruppe sprechen, auch in dem Fall, wenn die konkrete Sprache anderswo, z. B. im Staat der konkreten Sprachnation oder in einer anderen Minderheitensituation, auch weiterhin gebraucht wird. (Bartha, 1999 : p. 124-127).

Die Gründe für die Gefährdung sind vielfältig und sind auf den Mangel an sprachlicher Planung, am Innehalten der internen sprachlichen Entwicklung, usw., auf die nicht mit der industriellen Entwicklung oder mit den Anforderungen der Modernität Schritt halten könnenden Umstände zurückzuführen. Infolge solcher Gründe sind ebenfalls viele Sprachen endgültig in Gefahr geraten. Zum großen Teil kann von derartigen Faktoren die Gefährdung der Stammessprachen in der dritten Welt abgeleitet werden.

Auch im Falle der Gemeinschaften der eine Minderheitenmuttersprache Sprechenden kann diese Gefahrenquelle in Bezug auf die Erhaltung der Muttersprache ernste Probleme aufwerfen, befinden sich diese Gemeinschaften, die nur mit dünnen Fäden mit der kulturellen, wissenschaftlichen, informatischen Infrastruktur des Mutterlandes, des „Muttersprachenlandes”, mit der aktiven Sprachgemeinschaft der nationalen Gesellschaft verbundenen sind bzw. zu einem großen Teil getrennt, losgelöst und ab ovo im Gebrauch der Muttersprache in einer benachteiligten Ausgangssituation. Darüber hinaus kommt die Sprache der Mehrheitsnation auch in den von der Minderheit besiedelten Regionen in der Verwaltung, im Unterricht, an den Arbeitsplätzen immer stärker zur Geltung, und so gehen die Möglichkeiten des einsprachigen Gebrauchs der Muttersprache allmählich fast automatisch in eine Variante der Zweisprachigkeit, der Doppelsprachigkeit über. Im Wortschatz, in der Ausdrucksweise, im Sprachgebrauch der in den „Kompetenzbereich” der Amtssprache gehörenden Bereiche (Armee, Polizei, Verwaltung, Eisenbahn, Gesundheitswesen usw.) beginnt die Sprache der Mehrheit früher oder später dominant zu werden. Danach folgt dann die Umgestaltung der sich abwickelnden sprachlichen Dominanz im beruflichen Sprachgebrauch, in der Presse, im politischen öffentlichen Leben, in den Mischehen, in den Siedlungen mit gemischter Bevölkerung usw., was außer den Mängeln der Rechte des Minderheitensprachgebrauchs grundlegend von der Endlichkeit der inneren Kraftreserven der Minderheitensprache abgeleitet werden kann.

Die bisherigen Analysen der im Falle der Gemeinschaften der ungarischen Minderheit zu beobachtenden Prozesse weisen darauf hin, dass die Zweisprachigkeit – als determinierender Faktor der ungarischen Kontaktsprache der von den ungarischen Gemeinschaften gesprochenen Sprache in Rumänien, Jugoslawien, in der Slowakei, in der Karpatenukraine, in Slowenien, Kroatien und im Burgendland, zum Großteil auf den seit der Minderheitsformung vergangenen Zeit herausgebildeten neueren bzw. auf enge Gebiete lokalisierbaren Schauplätzen des Sprachgebrauchs mit den besonderen minderheitenspezifischen Fragen des Sprachmangels kämpft. (Csernicskó, 1998 : p. 155 – 161; Göncz , 1999 : p. 123 – 132; Lanstyák, 2000 : p. 176–185).

Die dritte Quelle der sprachlichen Gefährdung ist die Assimilationspolitik des zentralisierenden und unterdrückenden (diskriminierenden) Nationalstaates. Eine andere Frage ist, dass es ziemlich schwer ist, genau die Grenzen zwischen der gewaltsamen und der natürlichen Assimilation anzugeben. In der Geschichte der Assimilationsprozesse kann im allgemeinen der Assimilationszwang im Verhältnis der nebeneinander lebenden Ethnien, Nationen und Volksgruppen gegen die kleineren oder wirtschaftlich schwächeren, weniger organisierten, politisch nicht dominanten Gruppen nachgewiesen werden. Dieser kann im Laufe der Zeit aufgrund der Nachfolge der gesellschaftlichen Mobilität, der positiven oder progressiven gesellschaftlichen Muster zu einem freiwilligen Sprach- und Identitätswandel, d. h. zu einer Art von natürlicher Assimilation werden.

Die Assimilation der Nationalstaaten, d. h. die Verdrängung der Muttersprache der Gruppen der Minderheiten aus dem offiziellen Sprachgebrauch, z. B. aus der Verwaltung, die Stigmatisierung des Gebrauchs der Muttersprache der Minderheiten, die Beschränkung oder der Mangel des muttersprachlichen Unterrichts, das Sinken des Prestiges der Muttersprache der Minderheit im Laufe der im Zusammenleben zwischen der Mehrheit und der Minderheit häufigen einseitigen Zweisprachigkeit, sowie der gewaltsame Raumgewinn der Mehrheitssprache stellt auch für die Muttersprache der mittelosteuropäischen Minderheiten eine ernste, auch am Anfang des 21. Jahrhunderts nachweisbare Gefahrenquelle dar. Die sogenannte natürliche Assimilation tritt in dieser Region in erster Linie in den Schichten der am mobilsten städtischen, jugendlichen Intellektuellen in der Mehrheitsumgebung, der als Angestellte arbeitenden Minderheitengruppen, bzw. im Falle der territorial verstreut lebenden, historischen oder neu eingewanderten Minderheiten auf, also in der Lage der Diaspora. (Szépe, 2001 : p. 16-22). Diese spontan oder zumindest überwiegend freiwillig verlaufenden Prozesse des Sprachwechsels können mit Mitteln zum Schutz der Rechte der Minderheitensprachen kaum effizient ausgeglichen werden.

Die sprachliche Gefährdung hat noch eine vierte, gegenwärtig eher noch als theoretisch geltende Quelle, die im allgemeinen mit der sprachlichen Assimilationsbegleiterscheinung der Globalisierungsprozesse, mit dem umfangreichen Vordringen des Englischen identifiziert wird. Doch löst dieser Prozess auch auf den ersten Blick im Vergleich zu den vorstehend erwähnten Faktoren ganz andere Prozesse aus, bzw. regt sie an, und zwar sowohl auf der Seite der Sprachgebraucher bzw. der Gemeinschaften sowohl der Mehrheit als auch der Minderheit. In Bezug auf das Allgemeinwerden der Englischkenntnisse wird es sich lohnen, die analoge Entwicklung der kleinen Nationen in Skandinavien bzw. in Westeuropa im Allgemeinen zu Grunde zu legen. Die mehrheitliche Einsprachigkeit des 20. Jahrhunderts, die wegen ihrer Bequemheit und in den Augen vieler vorhandenen Risikolosigkeit ein wünschenswertes Modell des Sprachgebrauchs ist, wird wahrscheinlich auch in unserer Region innerhalb von kurzer Zeit nicht mehr haltbar sein. Für die Gemeinschaften der Minderheiten bedeutet die Aneignung des Englischen und im Allgemeinen der Weltsprachen den Beginn der Mehrsprachigkeit. Bei jenen Minderheiten, wo der muttersprachliche Unterricht in der Schule in Wirklichkeit das Wiedererlernen der „vergessenen” Muttersprache der Gemeinschaft bedeutet, lässt sich schon jetzt diese Erscheinung beobachten, dass das Erlernen einer Weltsprache das Wiedererlernen der Muttersprache der Minderheit in den Hintergrund zu verdrängen beginnt.

In der Sprachenpolitik in den Ausmaßen des europäischen Kontinents bzw. für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union geltend liegt zwar die Erkenntnis vor, dass man sich neben der Mehrheitssprache bzw. der Staatssprache kontinuierlich auch mit den Rechten, mit dem Unterricht, der Anregung des Gebrauchs der Minderheitensprachen beschäftigen muss, doch bleibt die gegenwärtige Regulierung und das sprachenpolitische institutionelle System hinter den tatsächlichen Anforderungen zurück (Szépe, 1998 : p. 76-77; Kovács, 1993 : p. 18-23).

Untersuchen wir also die Sprache der Minderheiten in Ungarn und der ungarischen Minderheiten jenseits der ungarischen Staatsgrenzen von den aufgezählten Gesichtspunkten der Gefährdung aus, zeigen sich grundlegende Unterschiede zwischen den Gemeinschaften der Roma, der Bea- und der Romani-Sprache und den anderen Minderheiten in Ungarn, bzw. zwischen den ungarischen Minderheiten jenseits der ungarischen Landesgrenzen. Doch bestehen auch wesentliche Unterschiede zwischen letzteren, was die sprachliche Situation dieser anbelangt. Im Falle der von den Romani-Zigeunern in Ungarn gesprochenen Lovari-Mundart und der von den Bea-Zigeunern gesprochenen Mundarten in Rumänien sind fast sämtliche Ursachen der Gefährdung vorhanden. (Réger, 1995 : p. 79-85; Kiss, Jenő, 1995 : p. 190-191).

Im Falle der Muttersprache der in Ungarn lebenden Minderheiten bedeutet vor allem die Jahrzehnte hindurch angeheizte nationalstaatliche und die in den vergangenen Jahrzehnten angestiegene natürliche Assimilation (in Mischehen, der im Laufe einer Generation sich in der ungarischsprachigen Umgebung abgespielte Sprachwandel, Abbruch der Sprachvererbung in den Familien) den wichtigsten Grund für die sprachliche Gefährdung. Entfernt die Gemeinschaft sich von der Sprachentwicklung des Mutterlandes, wird sie von dieser losgerissen, bleibt auch die natürliche Vererbung, die Weitergabe der regionalen Sprache vorhanden, und bis zur Gegenwart obliegt zum Großteil die Erhaltung, das Wiedererlernen der Sprachen dem Schulsystem der Minderheiten, wozu dieses Unterrichtssystem jedoch nicht fähig ist (Gyivicsán, 1993 : p. 241-249; Bindorfer, 2001 : p. 57-67).

Dasselbe kann auch von den ungarischen Gemeinschaften jenseits der Landesgrenzen gesagt werden, doch ist hier die Dominanz der ungarischen Sprache, der Einfluss der zentralen Sprachvariante Ungarns viel stärker, und die regionalen bzw. Kontaktvarianten des Ungarischen sichern kontinuierlich die Lebensfähigkeit des ungarischen Sprachgebrauchs.

In der Gesamtheit kann festgestellt werden, dass die Sprachen der Minderheiten sich auch in unserem Raum in unterschiedlichen Stadien der Gefährdung befinden. Das müsste aber auch bei den Rechtsschöpfern und Rechtsanwendern und natürlich auch bei den Fachleuten bewusst gemacht werden, die sich mit der Sprachplanung und der Sprachpolitik befassen. Die Erscheinungen des Sprachwechsel und des Sprachverlusts, die sich im Bereich der Minderheiten beobachten lassen, können nur dann genau umschrieben werden, wenn die Praxis der individuellen und kollektiven Zweisprachigkeit gründlich untersucht werden. Es müsste z. B. geklärt werden, inwieweit die zwischen den nicht-ungarischen Gemeinschaften in Ungarn und den ungarischen Gemeinschaften jenseits der ungarischen Landesgrenzen nachweisbaren wesentlichen Unterschiede rechtlich-politischen Ursprungs sind, und inwiefern diese mit den typologischen Besonderheiten der einzelnen Minderheiten erklärt werden können. Wie auch das untersucht werden muss, welche Art der individuellen und kollektiven Zweisprachigkeit für die sprachliche Situation der konkreten Minderheiten charakteristisch sind, und inwiefern diese für die mit der einsprachigen Mehrheit zusammenlebenden, in eine einer einseitigen Zweisprachigkeit lebenden Minderheiten den von der Mehrheit geforderten, ja sogar obligatorisch gemachten mehrheitssprachlichen Sprachgebrauch auf allen Ebenen des offiziellen Sprachgebrauchs bedeuten.

In Bezug auf die internationale sprachliche Regelung der europäischen Minderheiten lässt sich heute noch nicht genau feststellen, in welchem Ausmaße diese imstande ist, das sprachrechtliche Verhalten der einzelnen Länder zu beeinflussen und in welchem Maße diese völkerrechtlichen Dokumente und Empfehlungen imstande sind, die in der Region entstandenen Unterschiede im Sprachgebrauch zu berücksichtigen.

Die internationalen Empfehlungen sind jedoch damit zusammen sehr wichtig, können sie doch z. B. auch vom Gesichtspunkt der muttersprachlichen Erneuerung der Minderheiten in Ungarn eine sehr wichtige internationale Unterstützung sichern. Für die einsprachigen bzw. von der ungarischen Muttersprache dominierten ungarischen Minderheiten bedeuten die internationalen Empfehlungen fallweise weitere große Herausforderungen, können diese doch von den Sprachpolitikern der Mehrheit dazu verwendet werden, den doppelsprachigen Charakter, die Zweisprachigkeit der Minderheitenschulen zu fördern, zugleich versucht man, das Prestige, den Bereich des offiziellen Gebrauchs der Minderheitensprachen kontinuierlich einzuengen.

Die europäischen sprachlichen Empfehlungen, sei nun von der Charta der Minderheitensprache oder von den Haager Unterrichtsempfehlungen des Minderheitenhauptkommissars der OSZE die Rede, sind bestrebt, ausgeglichene Situationen der Zweisprachigkeit der Minderheiten- und Mehrheitssprachen zu verwirklichen. Die tatsächliche Entwicklung wird aber von der alltäglichen Praxis des Sprachgebrauchs, vom Kommunikationswert und vom Prestige der Sprachen entschieden.

 

Literatur

A nemzetiségek életkörülményei [Die Lebensverhältnisse der Minderheiten]. Központi Statisztikai Hivatal [Statistisches Zentralamt], Budapest 1995

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