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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 21: 199–214.

GIZELLA SZABÓMIHÁLY

Sprachliche Rechte der Minderheiten in der Slowakei
und Gebiete des Minderheitensprachgebrauchs mit besonderer Rücksicht
auf die ungarische Gemeinschaft

 

1. Historischer Überblick

1.1 Das Territorium der heutigen Slowakei bildete vom 11. Jahrhundert an einen integrierenden Bestandteil des Königreichs Ungarn (von 1867 an der Österreichisch-Ungarischen Monarchie), dann trat es der am 28. Oktober 1918 proklamierten Tschechoslowakischen Republik bei. 1938-39 zerfiel das Land: Deutschland gründete im tschechischen Landesteil das Protektorat Böhmen und Mähren, die südlichen, von Ungarn besiedelten Gebiete der Slowakei wurden im Sinne des Wiener Schiedsspruchs1 an Ungarn angegliedert, im nördlichen Teil der Slowakei kam die deutschfreundliche Slowakische Republik zustande. Die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges erklärten das Münchener Abkommen und die Wiener Schiedssprüche für ungültig und dadurch kamen die nach dem Ersten Weltkrieg gezogenen Grenzen wieder zustande. Am 1. Januar 1969 wurde das Land zu einer tschechisch-slowakischen Föderation, und als Folge der nach den Veränderungen des Jahres 1989 stärker gewordenen Autonomiebestrebungen konstituierte sich am 1. Januar 1993 die unabhängige Slowakische Republik.

1.2 Die Tschechoslowakei wurde unter Berufung auf die 14 Punkte Wilsons von der nationalen Autonomie als gemeinsamer Staat der tschechischen und slowakischen Nation gegründet, doch verblieben innerhalb ihrer Grenzen in bedeutender Zahl Minderheiten, vor allem Deutsche und Ungarn2. Vom Gesichtspunkt der Rechte des Sprachgebrauchs der Minderheiten aus kam dem Vertrag zum Schutz der Minderheiten von Saint-Germain-en-Laye eine grundlegende Bedeutung zu, von dem gewisse Verfügungen auch in die Verfassung (1920), bzw. auch in das Gesetz über die Sprache (1920) aufgenommen wurden, denn der Minderheitenvertrag (und die Verfassung) sicherten allen Staatsbürgern des Landes den freien Sprachgebrauch im Privat- und im Handelsverkehr, auf kirchlichem Gebiet, in der Presse usw. Im Schulwesen konnte die Sprache der Minderheit die Unterrichtssprache, eventuell wahlweise gelerntes oder obligatorisches Unterrichtsfach sein.

Die Minderheiten hatten zwischen den beiden Weltkriegen relativ umfassende sprachliche Rechte, obzwar die Anwendung des Sprachgesetzes bis 1926 durch die fehlende Durchführungsbestimmung, danach durch die übermäßige Reglementierung erschwert wurde. Die Staatsgewalt war außerdem bemüht zu erreichen, dass die Zahl der Verwaltungseinheiten, in denen die erforderlichen 20 % der Minderheitenbevölkerung zur Anwendung der Minderheitenrechte leben, geringer wird.

1.3 Gemäß der Verfassung (1939) der zwischen 1939 und 1945 existierenden Slowakischen Republik können die Angehörigen der autochthonen „Nationalitätengruppen“ ihre Muttersprache im öffentlichen Leben und im Unterricht gebrauchen, wenn im Mutterland der betreffenden Minderheit die slowakische Minderheit auch ähnliche Rechte erhält. Da die Juden und die Roma nicht für autochthon gehalten wurden, wurden ihnen nicht einmal die minimalsten grundlegenden Rechte zugestanden (der sogenannte „Judenkodex“, der die Entrechtung der Juden verfügte, wurde im Jahre 1941 angenommen).

Nach 1945 war eines der Ziele des neu entstandenen Staates die vollständige Beseitigung der sogenannten deutschen „Kriegsverbrecher“ und der ungarischen Minderheit. Den Personen deutscher und ungarischer Nationalität (die aktiven Antifaschisten ausgenommen) wurde die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit aberkannt, mit der Genehmigung der Siegermächte wurde die deutsche Bevölkerung ausgesiedelt; die einseitige Aussiedelung der ungarischen Bevölkerung wurde aber von den Großmächten nicht unterstützt, deshalb suchten die Behörden nach anderen Lösungen. Rund 45 000 Ungarn wurden als Zwangsarbeiter nach Tschechien deportiert; im Rahmen des Abkommens über den Bevölkerungstausch (im Jahre 1946) wurden 90 000 Personen nach Ungarn ausgesiedelt, an ihre Stelle wurden Slowaken, die sich freiwillig gemeldet hatten, aus Ungarn in die Slowakei umgesiedelt (insgesamt 73 000 Personen). Zugleich wurde auch die sogenannte Reslowakisierung begonnen, deren Wesen darin bestand, dass aufgrund eines Antrags die betroffene Person offiziell zur Person slowakischer Nationalität erklärt wurde, und dadurch die Staatsbürgerschaft erhielt3. Die Angehörigen der deutschen und der ungarischen Minderheit durften außerdem im offiziellen Verkehr nicht ihre Muttersprache verwenden, vielerorts auch in der Öffentlichkeit nicht, es durften keine ungarischen und deutschen Schulen, Vereine usw. tätig sein.4 Unter dem Einfluss der in der internationalen und tschechoslowakischen Politik eingetreten Veränderungen erhielten 1948 die in der Tschechoslowakei verbliebenen Deutschen und Ungarn, wenn sie den Treueid ablegten, ihre Staatsangehörigkeit zurück, es wurden wieder ungarische Schulen eröffnet, die Veröffentlichung von ungarischen Presseerzeugnissen wurde genehmigt.

1.4 Die im Jahre 1948 verabschiedete neue Verfassung definierte die Tschechoslowakische Republik als einheitlichen Staat von zwei gleichberechtigten slawischen Völkern, der Tschechen und der Slowaken, die Existenz von Minderheiten wurde nicht einmal erwähnt. In das Verfassungsgesetz von 1956 jedoch wurde bereits aufgenommen, dass die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der Ungarn und der Ukrainer gefördert werden muss5. Im Sinne der Verfassung des Jahres 1960 sicherte der Staat den Staatsbürgern von ungarischer, ukrainischer und polnischer Nationalität die Möglichkeit des muttersprachlichen Unterrichts und der kulturellen Entwicklung. Laut dem Verfassungsgesetz von 1968 wurde den ungarischen, deutschen, polnischen und ukrainischen Staatsbürgern vom Staat Folgendes gesichert: das Recht der Schulbildung in der eigenen Sprache; das Recht auf die vielseitige kulturelle Entwicklung; das Recht, in den von ihnen bewohnten Gebieten ihre Sprache im offiziellen Verkehr gebrauchen zu dürfen; das Recht des Zusammenschlusses zu kulturellen Organisationen der Nationalitäten; das Recht auf die Presse und die Information in der eigenen Sprache. In der Zeit zwischen 1948 und 1989 wurden vom Zentralkomitee der kommunistischen Partei zahlreiche Beschlüsse angenommen, deren Realisierung aber von der jeweiligen (oberen und lokalen) Leitung abhing.

 

2. Die Situation nach dem Systemwandel und die Sprachenpolitik der selbständigen Slowakei

In den 90er Jahren waren für die Gesetzgebung in Bezug auf den Sprachgebrauch zwei Tendenzen charakteristisch: die eine Tendenz verbreitete und stärkte die Verwendung der slowakischen Sprache als Symbol der nationalen und staatlichen Souveränität, die andere Tendenz bedeutete die Regelung der Rechte des Sprachgebrauchs der Minderheiten auf der Ebene des Gesetzes, was zum größten Teil unter dem internationalen Druck akzeptiert wurde.

2.1 In der Slowakei war eines der Ziele der ersten Gesetze, die nach dem Systemwandel angenommen wurden, gerade die Regelung des Sprachgebrauchs. Das Gesetz über die Sprache des Jahres 1990 legt als offizielle Sprache das Slowakische fest, das auf dem gesamten Territorium des Staates das gebräuchliche Instrument der Kommunikation ist. Die in der Staatsverwaltung und in den Organen der lokalen Selbstverwaltungen Beschäftigten, die natürlichen und juristischen Persönlichkeiten wenden im Amtsverkehr die offizielle Sprache an; die öffentlichen Urkunden werden in dieser Sprache ausgestellt; die Siedlungen und deren Teile, sowie die öffentlichen Flächen (Straßen usw.) werden in der offiziellen Sprache bezeichnet.

Die Minderheitensprachen können in der öffentlichen Berührung in solchen Siedlungen verwendet werden, wo der Anteil der konkreten Minderheit die 20 % überschreitet. Die Mitarbeiter der staatlichen Ämter und der Selbstverwaltungsbehörden sind aber nicht verpflichtet, die Sprache der konkreten Minderheit zu beherrschen und zu gebrauchen. Außerdem verweist das Gesetz es in den Kompetenzbereich des Amtes, die Möglichkeit, die Zweckmäßigkeit und die Art und Weise des Gebrauchs der Minderheitensprache zu entscheiden. All das bot Raum zur subjektiven Interpretation bzw. machte die Durchführung gänzlich willkürlich (s. das Gutachten von Y. J. D. Peeters. 1995: p. 330). Das Sprachengesetz des Jahres 1990 blieb bis 1995, bis zur Verabschiedung des sog. Gesetzes über die Staatssprache gültig, sein Geist determinierte aber auch die spätere juristische Regelung, einzelne Verfügungen – bei anderer Wortwahl – tauchen auch in den später angenommenen Gesetzen auf.

2.2 Im Jahre 1991 trat eine Veränderung in der staatsrechtlichen Situation der Minderheiten in der Slowakei ein: das /tschechoslowakische/ Verfassungsgesetz Nr. 23 aus dem Jahre 1991 (Charta der Grund- und Freiheitsrechte6) setzte die Verfassung des Jahres 1968 außer Kraft, die die Minderheiten in der Slowakei als staatsbildend anerkannte, dadurch sank die staatsrechtliche Situation der Minderheiten auf den Zustand von vor 1968 zurück, die sich auch seither nicht änderte, dass 1992 die slowakische Verfassung der Präambel nach von der slowakischen Nation angenommen wurde. Die Verfassung erhob die slowakische Sprache auf den Rang der Staatssprache, zugleich aber wird bezüglich den Gebrauch der Minderheitensprachen die Verabschiedung eines besonderen Gesetzes angenommen. Mit den Minderheiten befassen sich Abschnitt 4, Artikel 33 und 34 der Verfassung, diese beruhen im Grunde genommen auf den diesbezüglichen Bestimmungen der Charta der Grund- und Freiheitsrechte: die Minderheiten haben das Recht, sich in der Muttersprache Informationen zu beschaffen, sich zu informieren, sich zu bilden und dazu, ihre Sprache im offiziellen Verkehr zu gebrauchen. Nach der slowakischen Verfassung ist ein zusätzliches Recht der Minderheiten das Recht der Aneignung der Staatssprache. Artikel 34 Abs. 3 besagt darüber hinaus, dass die Durchsetzung des Rechtes der Minderheiten „nicht zur Gefährdung der Souveränität und der territorialen Einheit der Slowakei, weder zur Diskriminierung der anderen Staatsangehörigen führen kann“.7

Für das verfassungsrechtliche Herangehen an die Rechte der Minderheiten in der Slowakei ist Folgendes charakteristisch: die Minderheitenrechte werden als individuelles und als staatsbürgerliches Recht formuliert, sie bilden den organischen Bestandteil der grundlegenden Menschenrechte; sie beruhen auf zwei Grundprinzipien, das eine ist das Prinzip der Gleichheit und der Diskriminierungsfreiheit der Staatsangehörigen (Somorová 2000; Šutaj–Olejník 1998: 285), andererseits das Prinzip der Anerkennung der spezifischen individuellen Minderheitenrechte.

2.3 In den Jahren 1993-94 nahm der slowakische Nationalrat (das Parlament) drei Gesetze an, die für die Minderheiten relativ vorteilhaft den Gebrauch der Personen- und Ortsnamen regelten8. Im Sinne des Gesetzes über die Familien- und Vornamen (1993) wurde es möglich, dass die Eltern ihren Kinder „fremdsprachige“ (d. h. nicht slowakische) Vornamen geben. Aufgrund des Gesetzes über die standesamtliche Registrierung (1994) kann gebührenfrei der Auszug aus dem Standesamt beantragt werden, der den Personennamen in der muttersprachlichen Form anführt, bzw. können die Frauen von nicht slowakischer Nationalität ihren Familiennamen ohne die Endung -ová verwenden (im nicht slowakischsprachigen Kontext). Die dritte wichtige Vorschrift (1994) genehmigte es, dass an den Ortsgrenzen von Siedlungen, in denen der Minderheitenanteil die 20 % ausmacht, auf den Ortstafeln an den Straßen neben dem in der Staatssprache festgelegten offiziellen Namen des Ortes auch der traditionelle Name in der Minderheitensprache angegeben werden kann.9

Im Jahre 1995 wurde von der Slowakei das Rahmenabkommen zum Minderheitenschutz des Europarates unterzeichnet und ratifiziert (verkündet in 1998), und im gleichen Jahr wurde der ungarisch-slowakische Grundvertrag unterzeichnet (verkündet in 1997), in diesen ging die slowakische Regierung die Verpflichtung ein, die in nachstehenden Dokumenten enthaltenen Normen und politischen Pflichten direkt anzuwenden: das Rahmenabkommen des Europarates zum Schutz der nationalen Minderheiten; das Dokument von Kopenhagen der Konferenz über die Menschliche Dimension der KSZE; die Deklaration Nr. 47/135 der UN-Generalversammlung über die Rechte der den nationalen oder ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten angehörenden Personen, die Empfehlung Nr. 1201 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates.10

2.4 Das Gesetz über die Sprache des Jahres 1990 wurde vom 1. Januar 1996 an vom sogenannten Gesetz über die Staatssprache abgelöst, das im Grunde genommen die Verfügungen des früheren Gesetzes mit Bezug auf den Gebrauch der Amtssprache auf das Unterrichtswesen, auf die Massenkommunikation, auf die öffentliche Bildung, auf die bewaffneten Kräfte, auf die Armee, auf die Feuerwehr, auf das Gerichtsverfahren, auf das Wirtschaftsleben und auf das Gesundheitswesen ausdehnte. Im Sinne des Gesetzes genießt auf dem Territorium der Slowakischen Republik die slowakische Sprache Vorteile gegenüber jeder anderen Sprache, das Slowakische ist die Sprache jedweder offizieller Berührung in Wort und Schrift. Auf Aufschriften in der Öffentlichkeit, auf Informationstafeln und in Werbeschriften können fremdsprachige Aufschriften (also z. B. in der Minderheitensprache) als Übersetzung des slowakischen Textes erst danach vorkommen. Der Gebrauch der Minderheitensprachen11 ist in den Rundfunk- und Fernsehsendungen der Minderheiten zugelassen (die örtlichen Rundfunk- und Fernsehsender dürfen nur dann ein nicht-slowakisches Programm übertragen, wenn dieses davor oder danach auch in der Staatssprache übertragen wird), in der Minderheitenpresse, bei kulturellen Programmen der Minderheit (das Programm muss aber zuerst slowakisch angesagt werden), sowie im Verlaufe eines Gerichtsverfahrens, da das Gesetz die bezüglichen Bestimmungen der Zivil- und Strafprozessordnung in Kraft gelassen hat.12 Für einen Verstoß gegen das Gesetz konnten vom Jahre 1997 an die juristischen Persönlichkeiten mit hohen Bußgeldern bestraft werden.

Gegen das Gesetz über die Staatssprache gab es nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland Proteste (z. B. der Europarat, der Hohe Kommissar für nationale Minderheiten der OSZE), ja sogar zahlreiche bekannte Linguisten (s. Simon – Kontra 2000: p. 85 – 86). Aufgrund einer Eingabe von Parlamentsabgeordneten befasste sich auch der Verfassungsgerichtshof damit (1997); das Gesetz wurde nicht für verfassungswidrig gehalten, es wurden nur bestimmte Verfügungen beanstandet, außerdem wurde festgestellt, dass so lange keine Strafe verhängt werden kann, bis jene Vorschriften nicht in der Form von allgemein gültigen Rechtsnormen erscheinen, gegen deren Verstoß Sanktionen verhängt werden können (ausführlicher: Gyurcsik 1998: p. 47–52).

2.5 Gleichzeitig mit der Verabschiedung des Gesetzes über die Staatssprache brachte sowohl die Regierung als auch das slowakische Parlament seine Verpflichtung zum Ausdruck, auch über die Rechte des Sprachgebrauchs der Minderheiten ein Gesetz anzunehmen, wozu es aber erst im Jahre 1999 kam13. Das Gesetz Nr. 184 aus dem Jahre 1999 regelt seinem Titel nach die Rechte des Sprachgebrauchs der nationalen Minderheiten, doch engt Artikel 1 dies aber nur auf den offiziellen Verkehr ein. Das Gesetz ermöglicht den Gebrauch der Minderheitensprache in solchen Siedlungen in gewissen Behörden, wo den Angaben der letzten Volkszählung nach der Anteil der konkreten Minderheit an der Gesamtbevölkerung mindestens 20 % ausmacht.

In diesen Siedlungen können die Privatpersonen ihre schriftlichen Anträge an die Selbstverwaltungskörperschaft und an die staatlichen Behörden in der Siedlung auch in der Sprache der konkreten Minderheitensprache richten, und auf diese erteilt die Behörde eine Antwort in der Minderheitensprache, bzw. fertigt auf Antrag auch gewisse Beschlüsse in der Minderheitensprache aus. In diesen Siedlungen können die Verwaltungsbehörden sowie die Straßen und öffentlichen Flächen auch in der Minderheitensprache bezeichnet werden; die Sitzungen der lokalen Selbstverwaltungskörperschaften können, wenn damit alle Anwesenden einverstanden sind, auch in der Minderheitensprache abgehalten werden. Im Falle einer in slowakischer Sprache abgehaltenen Beratung kann der der Minderheit angehörende Abgeordnete auf der Sitzung der Selbstverwaltungskörperschaft auch in seiner Muttersprache das Wort ergreifen, doch hat die lokale Selbstverwaltungskörperschaft die Kosten des eventuellen Dolmetschens zu tragen. Die Behörde verwendet im Laufe ihrer Arbeit die Staatssprache, und hat die Möglichkeit zur Anwendung der Minderheitensprache, der Mitarbeiter ist aber nicht verpflichtet, die Sprache der Minderheiten zu sprechen.

Das Gesetz über den Gebrauch der Minderheitensprache hat jene Verfügung des Gesetzes über die Staatssprache außer Kraft gesetzt, die sich auf die Verhängung der Geldstrafe wegen des Verstoßes gegen das Gesetz bezog14.

2.6 In der Slowakei stand im Grunde genommen seit 1992 die Frage der Charta der Regionalen oder Minderheitensprachen auf der Tagesordnung, dennoch wurde sie vom Parlament erst 2001 mit Wirkung vom 1. Januar 2002 an angenommen. Obzwar sie gewisse neue Element enthält, geht es aus der Erklärung, die bei der Deponierung der Ratifikationsurkunde abgegeben wurde, eindeutig hervor, dass das Ziel die Annahme einer solchen Variante war, die die gegenwärtige slowakische Sprachenpolitik und die innerstaatliche juristische Regelung sanktioniert. Das Wesentliche daran ist: in der Grundbedeutung verwendet jeder Staatsangehörige auf den öffentlichen Schauplätzen (in erster Linie in den Ämtern) die slowakische Sprache „mit integrierender Funktion“, in einem gewissen gesetzlichen Rahmen können die zu den Minderheiten gehörenden Privatpersonen auch ihre Muttersprache verwenden, doch darf die Praktizierung dieses Rechts nicht gegen den Gebrauch der Staatssprache (des Slowakischen) verstoßen (Erklärung zur Charta Punkt 1, 4 und 5). Die Zweisprachigkeit ist nur für die Minderheitensprecher wünschenswert, im Falle des zur slowakischen Mehrheitsnation gehörenden Staatsangehörigen, auch wenn er in von Minderheiten bewohnten Siedlungen lebt und eine Aufgabe im öffentlichen Dienst versieht, wird die Kenntnis der Minderheitensprache nicht verlangt, ja das kann sogar als Diskriminierung aufgefasst werden.15

Punkt 2 der der Charta beigeschlossenen Erklärung bezeichnet „als Gebiet des Gebrauchs der Regionalen oder Minderheitensprache“ kein geographisches oder auf eine andere Art und Weise umrissenes, festgelegtes Gebiet, sondern durch die Übernahme der geltenden Bestimmungen des Gesetzes über den Gebrauch der Minderheitensprache die Siedlungen, die einem gewissen Kriterium entsprechen (d. h. die den Anteil von 20 % der Minderheitenbevölkerung aufweisen), obzwar im Falle der Minderheiten in der Slowakei die Siedlungsstruktur der ungarischen und der rusinischen (ukrainischen) Gemeinschaften so ist, dass die dem vorstehenden Kriterium entsprechenden Siedlungen beinahe einen zusammenhängenden Streifen, ein Gebiet bilden. Der Grund dieser Lösung ist einer der determinierenden Gedanken der slowakischen Minderheitenpolitik: die Furcht vor der ungarischen Grenzrevision, und deshalb wird jene Lösung zurückgewiesen, wo die Möglichkeit der territorialen Autonomie auftauchen kann.

Im Gesetz über den Gebrauch der Minderheitensprache und demzufolge auch in der Charta wird der Anteil der Minderheiten aufgrund der Zugehörigkeit zur Nationalität festgelegt, zu der sich die Personen bekannten, obzwar die Zugehörigkeit zu einer Nationalität und die Sprachkenntnisse (d. h. die Muttersprache) einander nicht unbedingt decken. Im Falle der größeren Minderheiten in der Slowakei (z. B. der Ungarn und der Ukrainer) ist die Zahl jener, die sich als Ungarisch-/Rusinischmuttersprachler bekannten größer, als die bei der Volkszählung die konkrete Nationalität angeben.16 Im Falle der Minderheitenrechte ist es schwer, den Bereich der Begünstigten festzulegen (Alfredsson 1998: p. 7-10), im Falle der sprachlichen Rechte wäre es vielleicht zweckmäßiger, von den Sprachkenntnissen auszugehen.

 

3. Möglichkeit und Praxis des Gebrauchs der Minderheitensprachen auf den einzelnen Schauplätzen des Sprachgebrauchs

3.1 Im Laufe des vergangenen Jahrhunderts ist die Zahl der Minderheiten in der Slowakei bedeutend zurückgegangen, doch gilt das Land auch heute noch als Nationalitätenstaat. Die Gliederung der Bevölkerung nach Nationalitäten ist aufgrund der Volkszählung des Jahres 2001 nachstehende: Slowaken 4.614.854 (85,8 %), Ungarn 520.528 (9,7 %), Roma 89.920 (1,7 %)17 , Tschechen 44.620 (0,8 %), Rusinen 24.201 (0,4 %). Ukrainer 10.841 (0,2 %), Deutsche 5.405 (0,1 %), Polen 2.602 (0,07 %), Kroaten 890 (0,02 %), sonstige und unbekannt 65.187 (1,2 %). (Quelle: www.statistics.sk).

Die Angehörigen der Gemeinschaften mit niedrigerer Anzahl (Deutsche, Polen, Kroaten, Bulgaren) verwenden ihre Muttersprache im Allgemeinen nur innerhalb der Gemeinschaft, in der Schule (im Unterricht) (wenn der Bedarf an Unterricht der Muttersprache als Schulfach auftaucht)18 und im kulturellen Leben. Gegenwärtig gibt es keine Siedlung, wo ihr Anteil an der Bevölkerung die 20 % erreichen würde. Die Tschechen bilden eine spezifische Gruppe, denn nach Artikel 6 des Gesetzes über den Gebrauch der Minderheitensprachen des Jahres 1999 entspricht der Gebrauch der tschechischen Sprache im Amtsverkehr der Bedingung der grundlegenden Verständlichkeit mit der Staatssprache (dies trifft auch in Wirklichkeit zu), d. h. die Kommunikation in tschechischer Sprache gilt nicht als Kommunikation in einer Minderheitensprache.

Die Roma wurden erst nach dem Systemwandel als Minderheit anerkannt, und obzwar ihr Anteil gegenwärtig in 54 Siedlungen die 20 % Schwelle erreicht, sprechen sie auf den meisten öffentlichen Schauplätzen die Sprache der Mehrheit, also Slowakisch und/oder Ungarisch. Ein umfangreicherer Gebrauch der Romasprache wird dadurch erschwert, dass es kaum öffentliche Angestellte gibt, die die Romasprache oder auch die Romasprachen sprechen; die Roma kennen die in der Slowakei kodifizierte Romasprache nicht und auch von Seiten der örtlichen Mehrheit gibt es einen Widerstand gegen diese Sprache.

Im Fall der Rusinen-Ukrainer bedeutet ein grundlegendes Problem das ungeklärte Identitätsbewusstsein und die Sprache. Die Kenntnisse in der ukrainischen Umgangssprache liegen auch bei den sich als Ukrainer bekennenden Personen nur bei 40 % (Zel’ová 1999: p. 42). Das Vordringen der rusinischen Orientierung wird durch die fehlenden Kenntnisse in der russischen Umgangssprache verzögert: die Bevölkerung verwendet in der Familie und auf den örtlichen öffentlichen Schauplätzen die Mundart.

Die von den Gesetzen gebotenen Möglichkeiten werden am meisten von den zur größten Minderheit gehörenden Bevölkerung, also von den Ungarn, angewendet. Für die Gemeinschaft der Ungarischsprecher in der Slowakei wird die traditionell national gebundene Bevölkerung gehalten (in erster Linie von ungarischer Nationalität und Muttersprache) (vgl. Lanstyák 2000: p. ). Für diese Gruppe ist die Zweisprachigkeit, in der das Ungarische dominiert und die Bemühung zum Erhalten der Minderheitensprache charakteristisch. Da das Ungartum zu mehr als 70% in Siedlungen lebt, in denen es die örtliche Mehrheit bildet, und da in ihrer Reihe auch zahlreiche Städte zu finden sind, kann ein Großteil der Ungarn theoretisch in seinem Wohnort die Muttersprache immer auf öffentlichen Schauplätzen verwenden. In den Dörfern und Städten mit bedeutender slowakischer Bevölkerung ist auch der Gebrauch der slowakischen Sprache sehr stark (manchmal ausschließlich). Die Kommunikation in slowakischer Sprache ist bei den Behörden, am Arbeitsplatz und im Gesundheitswesen am stärksten (Lanstyák 2000: p. 125). Da der Sprachgebrauch der Ungarn am ehesten differenziert ist, wird nachstehend in erster Linie diese Volksgruppe behandelt..

3.2 Unterrichtswesen: im Fall der Ungarn und der Rusinen-Ukrainer sichert der Staat traditionell entweder eine muttersprachliche Ausbildung oder den Unterricht in der Muttersprache bis einschließlich zum Abitur. In den Unterrichtseinrichtungen der rusinischen und der ukrainischen Minderheit ist die Unterrichtssprache das Ukrainische, d. h. es existiert kein Unterricht in rusinischer Sprache; infolge der von den 50er Jahren an bis beinahe zur jetzigen Zeit andauernde Ukrainisierung ist das Interesse für die Schulen mit ukrainischer Unterrichtsprache sehr gesunken. Im Schuljahr 2001/2002 gestaltete sich die Zahl der Klassen mit ungarischer und ukrainischer Unterrichtssprache bzw. ihr Prozentanteil im Landesmaßstab zu den anderen Klassen nach Schultypen wie folgt: Grundschule – 2128 (7,5 %) ungarisch, 42 (0,15 %) ukrainisch; Gymnasium – 193 (6,6 %) ungarisch, 6 (0,2 %) ukrainisch; Fachoberschule und Fachschule – 564 (6,7 %) ungarisch19, mit ukrainischer Unterrichtssprache keine. (Quelle: www. education.gov.sk) Schulen mit Roma-Unterrichtssprache existieren nicht wobei jetzt die Einführung der Romasprache als Unterrichtsfach von den Zuständigen in Betracht gezogen wird.

Ein altes Bestreben der ungarischen Gemeinschaft ist die Gründung einer selbständigen ungarischen Hochschuleinrichtung (Universität), bisher ist dies nicht realisiert worden. Die Ausbildung auf Hochschulniveau, zum Teil in der Muttersprache, erfolgt an den Hochschulen, an denen die Lehrer für die Minderheitenschulen ausgebildet werden. Neuerdings ist das Studium der Wirtschaftswissenschaften, Informatik, Agrarwissenschaft usw. an in der Slowakei errichteten Außenstellen von Hochschuleinrichtungen in Ungarn möglich.

3.3 Rechtsprechung: Der Zivilprozessordnung nach können die Seiten vor dem Gericht ihre Muttersprache verwenden und das Gericht ist verpflichtet, ihnen identische Bedingungen für die Durchsetzung des Rechts zu sichern. Genauso können auch alle vor den Organen des Strafverfahrens ihre Muttersprache verwenden. Außerdem kann sich jeder in seiner Muttersprache an den Verfassungsgerichtshof und an den Ombudsmann für Menschenrechte wenden. Die Kosten für das Dolmetschen und Übersetzen belasten den Staat.

3.4 Verwaltungsbehörden und Dienstleistungsorgane: Der Volkszählung des Jahres 2001 nach gestaltete sich die Zahl der Siedlungen, in denen der Anteil einer Minderheit die 20 % Schwelle überschritt, wie folgt: 501 waren ungarische, 83 rusinische, 6 ukrainische und 54 Roma-Siedlungen (Quellen: Sčítanie 2001). Da die Minderheitensprache im Laufe der Kontakthaltung mit dem Organ der Selbstverwaltungskörperschaft oder der Verwaltung der konkreten Siedlung verwendbar ist, wird ihre Geltung von der Verwaltungsstruktur und der Lage der Behörden beeinflusst. Gegenwärtig sind in der Slowakei der internationalen Regionalgliederung zufolge auf der Ebene NUTS 5 die örtlichen Selbstverwaltungskörperschaften, auf der Ebene NUTS 3 die sekundären oder regionalen Selbstwaltungskörperschaften, auf der Ebene NUTS 4 die Organe der staatlichen Verwaltungsorgane (Kreise) und auf der Ebene NUTS 3 die Verwaltungsorgane der Bezirke tätig. Im Laufe der Kontaktaufrechterhaltung mit den lokalen Selbstverwaltungskörperschaften könnten theoretisch 89,5 % der Ungarn, 37,8 % der Rusinen, 3,9 % der Ukrainer und 22,1 % der Roma ihre Muttersprache gebrauchen. Die staatlichen Verwaltungsorgane mit der Kompetenz des Kreises sind im Allgemeinen in den Kreisstädten tätig (wo der Zahlenanteil der Minderheitenbevölkerung geringer ist), bei diesen Behörden können 62,6 % der Ungarn und 21,2 % der Rusinen ihre Muttersprache gebrauchen. Der Sitz der 8 regionalen Selbstverwaltungen ist in den Bezirksstädten zu finden, in diesen erreicht aber keine einzige Minderheit den Anteil von 20 %, auf dieser Ebene kann also weder bei der Selbstverwaltungskörperschaft, noch bei den Organen der Verwaltung eine Minderheitensprache verwendet werden.

Obzwar das Gesetz über den Gebrauch der Minderheitensprachen und auch die Charta die Möglichkeit zum schriftlichen Gebrauch der Minderheitensprache im Kontakt mit den obigen Behörden bieten würde, gibt es hierfür kaum Beispiele. Die eine Ursache hierfür ist, dass die Anträge im Allgemeinen auf den hierfür eingeführten Formularen eingereicht werden müssen, diese sind aber alle in slowakischer Sprache verfasst. Es gibt kaum Arten von Anträgen, wo der Klient seinen Antrag mit eigenen Worten formulieren kann. Das Gesetz über den Gebrauch der Minderheitensprachen erwähnt es nur im Falle der Selbstverwaltungen, dass dem Antragsteller auf Wunsch ein Formular in der Minderheitensprache gesichert werden soll. Der zweite Grund ist das Fehlen an Informationen bei den Klienten (sie kennen ihre Rechte nicht), außerdem kennen sie auch die amtliche Terminologie und den Stil in der Muttersprache nicht. Letzteres gilt auch für die Sachbearbeiter bei den Behörden. Probleme bereitet außerdem auch, dass die Gesetze und sonstige Rechtsnormen nur in slowakischer Sprache erscheinen.20

Im Sinne des Gesetzes Nr. 211 aus dem Jahre 2000 über die Öffentlichkeit der Angaben von öffentlichem Interesse erteilt das zur Information verpflichtete Organ in den unter die Kompetenz des Gesetzes über den Gebrauch der Minderheitensprachen fallenden Siedlungen die Informationen auch in der Minderheitensprache. Von diesem Gesetz wird der Gebrauch der Minderheitensprache für einen breiteren Kreis der Behörden vorgeschrieben als vom Gesetz über den Sprachgebrauch der Minderheitensprachen des Jahres 1999, obzwar nur auf dem Gebiet der Information der Staatsbürger.

3.5 Massenmedien: Nach den Gesetzen über den slowakischen Rundfunk und über das slowakische Fernsehen (1991) strahlen diese öffentlich-rechtlichen Medien auch in den Sprachen der Minderheiten Programme aus.21 In 11 Siedlungen in der südlichen Slowakei produzieren lokale Fernsehstudios auch ungarische Programme. Direktübertragungen in ungarischer Sprache dürfen aber nicht gesendet werden, weil alles auch slowakisch gesendet werden muss. Aus demselben Grund können auch keine nur in Minderheitensprachen sendende regionale Rundfunkstationen senden. Auf dem ungarischen Sprachgebiet in der Slowakei können auch die Rundfunk- und Fernsehsender aus Ungarn empfangen werden, traditionell bevorzugen die Ungarn in der Slowakei diese (s. Lampl– Sorbán 1999).

Dem im Jahre 2001 modifizierten sogenannten Mediengesetz nach kann im Falle des Einhaltens der Verfügungen des Gesetzes der Verlag der Presseerzeugnisse in nicht-slowakischer Sprache bzw. die Vervielfältigung von audiovisuellen Produkten nicht beschränkt werden.

3.6 Kulturelle Aktivitäten und kulturelle Einrichtungen: Von der Verfassung wird das Recht zur Gründung und zur Aufrechterhaltung der kulturellen Einrichtungen in Minderheitensprachen garantiert; die Sprache der öffentlichen kulturellen Veranstaltungen wird vom Gesetz über die Staatssprache geregelt. Nach dem Ende der zentralisierten Kulturpolitik wurde das kulturelle Leben der slowakischen Minderheiten in ihrer Muttersprache reichhaltiger, doch seine Formen werden auch weiterhin vom ruralen Charakter der Minderheitengesellschaft determiniert, in ihr dominiert die Laienkunstbewegung (Tanzgruppen, Theaterensembles, Chöre). In der Slowakei sind an professionellen Theatern gegenwärtig zwei ungarische, ein ukrainisches und ein Roma-Theater tätig.

3.7 Konfessionelles Leben: Der Sprachgebrauch der Kirchen wird nicht von Gesetzen geregelt, dies ist die interne Angelegenheit der konkreten Kirche. Die liturgische Sprache der prawoslawischen Kirche ist das Altkirchenslawische, in den anderen Kirchen werden die Gottesdienste in der Muttersprache der Gläubigen gehalten. Den Angaben der Volkszählung von 2001 zufolge sind von der Bevölkerung der Slowakei 68,9 % römische Katholiken, 8,9 % Lutheraner, 4,1 % Unierte (griechische Katholiken), 2,0 % Reformierte und 0,9 % Prawoslawen (Quelle: www.statistics.sk). 65 % der Ungarn in der Slowakei sind Katholiken22, in ihrem Falle stellt ein Problem der Mangel an ungarischen Priestern dar, sowie der Umstand, dass von den slowakischen Kirchenleitern die Gründung des ungarischen Bistums abgelehnt wird. 78% der Reformierten sind Ungarn, doch gibt es in der östlichen Slowakei auch slowakischsprachige Kirchgemeinden. Seit 1989 wurden mehrere ungarische konfessionelle Grund- und Oberschulen gegründet, in den staatlichen Schulen kann der Religionsunterricht nach der Unterrichtssprache besucht werden. Die Rusinen wählen statt der ihnen seinerzeit aufgezwungenen prawoslawischen Religion wieder die griechisch-katholische (unierte) Religion.

3.8 Wirtschaftsleben: § 8 des Gesetzes über die Staatssprache schreibt in der Wirtschaft, in den Dienstleistungen und im Gesundheitswesen fast für jedes Gebiet den Gebrauch der slowakischen Sprache vor, die Sprache der Minderheit ist in der Kommunikation mit den die Staatssprache nicht sprechenden Kranken bzw. in den Werbe- und sonstigen Aufschriften möglich, in letzterem Fall aber erst nach dem slowakischen Text. Die schriftliche Kommunikation zwischen den Wirtschaftsorganen und die sonstigen Dokumente (z. B. Gründungsurkunden, Buchhaltung, Statistiken, Berichte, Rechnungen usw.) werden ausschließlich slowakisch gehalten. Texte in der Minderheitensprache (vor allem in ungarischer Sprache) kommen in der Presse, in Anzeigen, Aufschriften (Namen von Geschäften, Warenangebot) vor, obzwar auch in den mehrheitlich von Ungarn bewohnten Siedlungen, vor allem in den Städten, wo die nur in der Mehrheitssprache verfassten Aufschriften dominieren. Die Minderheitensprachen, so auch die ungarische, werden in dieser Sphäre fast ausschließlich nur in der mündlichen Kommunikation verwendet. In der sozialen Versorgung und im Gesundheitswesen sind die Dokumentationen und der Briefwechsel slowakisch, die für die Kranken und die Besucher usw. bestimmten Informationstexte sind auf dem ungarischen Sprachgebiet vielerorts zweisprachig. Mündlich hängt der Gebrauch der ungarischen Sprache theoretisch davon ab, ob der Arzt, die Krankenschwester usw. die Sprache beherrscht.

4 Es ist beinahe unmöglich, die sprachlichen Rechte, die Rechte des Sprachgebrauchs der europäischen Minderheiten unterschiedlicher Herkunft, Zahl und Situation zu überschauen, und wir sind uns auch bewusst, dass vom Gesichtspunkt der Anerkennung der Minderheitenrechte die auf internationaler Ebene geführte Gesetzgebungstätigkeit bedeutender ist als die innerstaatliche Gesetzgebung der einzelnen Länder (Alfredsson 1998: p. 27). In Kenntnis der bezüglichen Fachliteratur (Kovács 1996; Varennes 1998; u. a.) kann aber ausgesagt werden, dass die slowakischen Gesetze den minimalen europäischen Normen entsprechen (vgl. noch Report 1999). Sowohl die Gesetze als auch die Praxis zeigt, dass wir in der Slowakei eher nur vom passiven Minderheitenschutz sprechen können. Gegenüber der innerstaatlichen rechtlichen Regelung bedeutet die Charta einen gewissen Fortschritt, fraglich ist aber, wie die Zuständigen die einzelnen Maßnahmen durchführen werden, ob es auf diesem Gebiet zu Fortschritten kommt.

 

Anmerkungen

1

Da früher innerhalb von Ungarn kein selbständiges slowakisches Verwaltungsgebiet existierte, wurde die südliche Grenze des neuen tschechoslowakischen Staates auf der Friedenskonferenz in Paris (Vertrag von Trianon, 11. Juni 1919) festgelegt, und zwar unter Berücksichtigung der tschechischen Forderungen bedeutend südlicher, als die slowakisch-ungarische Sprachgrenze verlief. Die mit dem Wiener Schiedsspruch vom 2. November 1938 von Deutschland und Italien als Schiedsrichter festgelegten Grenzen folgten zum größten Teil der Linie der slowakisch-ungarischen ethnischen Grenze. Infolge der Grenzveränderungen nach dem Ersten Weltkrieg wurden die auf den zu Ungarn gelangten Gebieten lebenden Slowaken von ihrem Mutterland losgerissen; die Rusinen (Ruthenen) wurden von den Grenzveränderungen nach dem Zweiten Weltkrieg betroffen, denn aus den ehemaligen nordungarischen Komitaten entstand nach dem Ersten Weltkrieg die Ruska Kraina (Karpatenukraine), die an die Tschechoslowakei angegliedert wurde; im Jahre 1945 wurde sie der sowjetischen Oberhoheit unterstellt. (S. in vorliegendem Band die Studie von I. Csernicskó)

2

Aufgrund der Angaben der letzten Volkszählung der Monarchie im Jahre 1910 waren in den später die Tschechoslowakei bildenden Gebieten – in den tschechischen Provinzen (Böhmen = Tschechien), Nordungarn (Slowakei), Karpatenukraine – 59,1 % der Bevölkerung Tschechen und Slowaken, 27,58 % (in Tschechien 34,65 %) waren Deutsche, 7,88 % (in der Slowakei 30,3 %) waren Ungarn, 5,45 % Ruthenen (Rusinen-Ukrainer), oder waren polnischer, rumänischer, kroatischer und sonstiger Muttersprache. (Gyurgyík 1998: p. 122-123)

3

Das deklarierte Ziel der Reslowakisierung war die „Zurückführung“ der slawischen Elemente, die sich an das Ungartum assimiliert hatten.

4

In Bezug auf diese Periode s. Kaplan 1990; Vadkerty 1994

5

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Bewohner mit rusinischer Muttersprache in der Slowakei als Ukrainer bezeichnet. Das Gesetz über den tschechisch-slowakischen Staatenbund (1968) führte die alternative Bezeichnung ukrainisch (rusinisch) ein, bei der Volkszählung im Jahre 1991 aber kam die ukrainische und die rusinische Nationalität schon getrennt vor.

6

Entspricht inhaltlich der Europäischen Vereinbarung über die Menschenrechte und die grundlegenden Freiheitsrechte (1950)

7

Auch die internationalen Dokumente enthalten im Allgemeinen Verfügungen im Zusammenhang mit der Achtung der Souveränität und der territorialen Integrität sowie der Rechte der Mehrheitsbevölkerung der Unterzeichnerstaaten [z. B. Rahmenabkommen über den Minderheitenschutz § 20 und § 21], aus der Übernahme dieser in die Verfassung kommt die Befürchtung zum Ausdruck, dass die Anwendung der Minderheitenrechte den Staat gefährden würde.

8

Dies waren u. a. die Bedingungen für die Aufnahme des Landes in den Europarat.

9

In der Tschechoslowakei konnte seit 1948 jede Siedlung nur einen tschechischen oder slowakischen Namen haben, der traditionelle Name in der Minderheitensprache durfte nicht gebraucht werden.

10

Es ist nicht bekannt, ob sich die slowakische Regierung mit der Durchsetzung der Verfügung des Rahmenabkommens beschäftigt hat. Die Durchführung des Grundlagenvertrages wird von einer ungarisch-slowakischen gemischten Kommission beaufsichtigt, die bisher drei Sitzungen abhielt. Im Zusammenhang mit den Rechten der Minderheiten verweisen die offiziellen Organe nicht auf den Grundlagenvertrag.

11

Dem § 1 zufolge wird von diesem Gesetz der Gebrauch der Minderheitensprachen und die Sprache der religiösen Liturgie nicht geregelt.

12

Das Recht des Gebrauchs der Muttersprache in Zivil- und in Strafverfahren garantieren die gültigen Gesetze seit der Mitte der 50er Jahre. In diesen Fällen ist nicht von einem besonderen Minderheitenrecht die Rede. Im Sinne der internationalen Vereinbarungen steht das Recht des Gebrauchs der Muttersprache auch den Ausländern zu.

13

Von der Slowakischen Republik wurde mehrmals die Verpflichtung für die Annahme der Rechtsnorm über den Gebrauch der Sprache der nationalen Minderheiten und der ethnischen Gruppen übernommen, z. B. im Jahre 1993, bei der Aufnahme des Landes in den Europarat und in dem Memorandum, das dem Aufnahmeantrag in die Europäische Union beigeschlossen wurde. Diese Verpflichtung ist auch in den Beschlüssen des gemeinsamen Parlamentsausschusses der Europäischen Union und des Nationalrates der Slowakischen Republik in den Jahren 1997, 1998 und 1999 enthalten.

14

Diese Verfügung des Gesetzes über die Staatssprache löste auch in Kreisen der slowakischen Intellektuellen Debatten aus (Findra 1998). Vom Gesetz wurde nämlich als Staatssprache die kodifizierte Form des Slowakischen festgelegt, das bedeutet, dass auch der Gebrauch einer Substandardvariante (z. B. einer Mundart) hätte sanktioniert werden können.

15

Im Sinne von Punkt 6 der der Charta beigeschlossenen Erklärung „können Artikel 12 Absatz 1 Punkt 3 sowie Artikel 13 Absatz 2 Punkt c dann angewendet werden, wenn sie nicht im Widerspruch stehen zu jenen Bestimmungen der slowakischen Rechtsordnung, die die Diskriminierung in den auf dem Territorium der Slowakischen Republik gültigen arbeitsrechtlichen Relationen der Staatsbürger der Slowakischen Republik verbieten.“ Die zitierten Bestimmungen der Charta enthalten, dass die Signatarmacht bestrebt ist, in den Institutionen der Kultur, des Sozial- und Gesundheitswesens Mitarbeiter anzustellen, die auch die Minderheitensprache sprechen.

16

Bei den Volkszählungen in der Tschechoslowakei wurden Fragen zur Muttersprache nur 1970, 1991 und 2001 gestellt. Den bisher veröffentlichen Angaben der Volkszählung von 2001 nach (www.statistics.sk) gibt es 10% mehr Ungarischmuttersprachler als es Personen ungarischer Nationalität gibt, die Zahl der Rusinischmuttersprachler jedoch ist schon doppelt so hoch als die Zahl der Personen rusinischer Nationalität.

17

Die Zahl der Roma wird von den Fachleuten auf 250- 300 000 angesetzt. In slowakischer Umgebung bekennen die Zigeuner sich als von slowakischer Nationalität, in ungarischer Umgebung im Allgemeinen als von ungarischer Nationalität.

18

Im Schuljahr 2000/2001 entstand in der Slowakei eine staatliche Schule mit deutscher Unterrichtssprache und eine Privatschule mit bulgarischer Unterrichtssprache.

19

In diesen Schulen wird die Berufsausbildung im Allgemeinen in slowakischer Sprache abgehalten.

20

Von Seiten des Staates zeigen sich einstweilen keine handgreiflichen Anzeichen dafür, dass er den offiziellen Gebrauch der Minderheitensprachen anregen oder stärker fördern wollte. Diese Aufgabe hat zum Teil das im Jahre 2001 als Zivilverband der ungarischen Linguisten in der Slowakei das „Gramma Sprachbüro“ auf sich genommen, einstweilen üben wir nur im Kreis der ungarischen Minderheit eine Informationstätigkeit aus, organisieren wir Kurse für die Mitarbeiter der Selbstverwaltungskörperschaften, bereiten wir die ungarischen Varianten von Mustern von Anträgen und Beschlüssen vor, arbeiten wir an einem Wörterbuch für die Verwaltungssprache Slowakisch - Ungarisch.

21

Der staatliche Rundfunk sendet seit 1928 Sendungen in ungarischen Sprache, seine

gegenwärtige Sendezeit macht 45 Stunden wöchentlich aus (das sind rund 4 % der gesamten Sendezeit). Das öffentlich-rechtliche Fernsehen sendet seit 1983 ungarische Nachrichtensendungen, insgesamt in 1,4 Stunden pro Woche, das sind 0,04 % der gesamten Sendezeit.

22

Da die Angaben der Volkszählung von 2001 über die konfessionelle Gliederung der Minderheiten noch nicht vorliegen, stammen die weiteren Angaben aus der Volkszählung von 1991.

Literatur

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