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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 21: 263–272.

KRISZTINA MENYHÁRT

Die sprachliche Situation der bulgarischen Gemeinschaft in Ungarn

 

Einleitung

Die bulgarische Gemeinschaft bildet eine der kleinsten ethnischen Gruppen in Ungarn (vgl. Tabelle 1). Die Grundlage der Gemeinschaft bildeten die eingewanderten Gastarbeiter (bulgarische Gärtner) und ihre Nachkommen, die sich von den 1720er Jahren an ganz bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg kontinuierlich in Ungarn niederließen. Das Rückgrat der gegenwärtigen Gemeinschaft bilden also die Familien jener bulgarischen Gärtner, die sich zwischen 1947 und 1956 Ungarn zu ihrer Wohnstätte gewählt hatten. Ein kleinerer, doch nicht zu vernachlässigender Teil der hier lebenden Bulgaren sind die durch Eheschließungen oder durch das Lernen oder das Studium hierher gelangten Personen. So müssen wir uns, wenn wir von „ungarländischen Bulgaren” sprechen, eine kulturell und sprachlich heterogene, im allgemeinen eine großstädtische Lebensweise führende Gemeinschaft vorstellen, die von der gemeinsamen Sprache, von ihrem Ursprung, ihrer Kultur und ihren Feiertagen zusammengehalten wird.

Untersuchen wir die Gemeinschaft vom sprachlichen Gesichtspunkt aus, können wir mehrere Schichten entdecken. Die Generation der ältesten Bulgaren bewahrt noch die unterschiedlichen bulgarischen Dialekte, die sie aus den Dörfern von zu Hause mit sich gebracht haben, ihre Ungarischkenntnisse sind sehr mangelhaft, sie sprechen Ungarisch mit einem starken Akzent. Viele ihrer Kinder sind aber sowohl in der bulgarischen als auch in der ungarischen Literatursprache bewandert, haben sie doch ihre Ausbildung an bulgarischen oder an ungarischen Unterrichtseinrichtungen absolviert. Die Mehrheit dieser Generation kann schon als stabil zweisprachig bezeichnet werden, können und verwenden sie doch beide Sprachen auf einem hohen Niveau. Bei den jüngsten Angehörigen der bulgarischen Gemeinschaft (der dritten und der vierten Generation) kann schon eindeutig die Dominanz des Ungarischen beobachtet werden, der Prozess des Sprachverlusts hat begonnen (vgl. im Zusammenhang mit diesem Begriff Bartha 1995).

In vorliegender Studie stellen wir im Spiegel der verschiedenen, zur Verfügung stehenden Angaben die sprachliche Situation der ungarländischen bulgarischen Gemeinschaft, die bereits abgeschlossenen oder noch laufenden linguistischen Forschungen dar, bzw. suchen wir die Antwort auf die Frage, ob die bulgarische Sprache in Ungarn bewahrt werden kann.

1. Die sprachliche Situation der ungarländischen Bulgaren im Spiegel der Angaben der Volkszählung

Die Angaben der im Jahre 2000 abgehaltenen Volkszählung zeigen, dass im Vergleich zur Lage von vor 10 Jahren sich die Zahl der Bulgaren nicht bedeutend verändert hat – im Jahre 1990 hatten sich 1370 Personen als Bulgaren bezeichnet, 2000 machte die Zahl 1358 Personen aus (Tabelle 1).

 

Tabelle 1
Demographische Angaben der ungarländischen Bulgaren im Jahre 2000

Siedlung

Zahl der zur bulgarischen Nationalität gehörenden Personen

Zahl der mit der Kultur, den Traditionen verbundenen Personen

Zahl der Bulgarisch-muttersprachler

Zahl der das Bulgarische verwendenden Sprecher

im Landes-
durchschnitt

1358

1693

1299

1118

Budapest

784

961

755

667

Komitat Pest

187

231

202

146

Debrecen

15

66

12

18

Miskolc

34

44

28

15

Pécs

36

42

29

17

Szeged

26

31

27

24

(Quelle: Band „Nemzetiségi kötődés – a nemzeti, etnikai kisebbségek adatai” [Nationalitätenbindung – Angaben der nationalen, ethnischen Minderheiten])

 

Die Angaben der Volkszählung bieten auch die Möglichkeit, genaue Informationen über die territoriale Gliederung der Bulgaren zu erhalten. So kann festgestellt werden, dass sie in rund 300 Siedlungen wohnen. 70,4 % der Gemeinschaft wohnen in Budapest und in seiner Agglomeration, 12 % in den größeren Provinzstädten, während 17,6 % in kleineren Siedlungen leben. Diese Angaben beweisen es, dass die Bulgaren in Ungarn überwiegend ein großstädtisches Leben führen, sie haben sozusagen keine in einem Block lebende Gemeinschaft.

Die sich auf die sprachliche Situation beziehenden Angaben zeigen, dass 95,7 % der sich als von bulgarischer Nationalität Bezeichnenden auch Bulgarischmuttersprachler sind, während an den Alltagen 82,3 % von ihnen die Sprache der Minderheit verwenden. Dieser Anteil liegt bei den mit der bulgarischen Kultur verbundenen Personen bei 76,7 bzw. bei 66 %, das bedeutet, dass die Zahl der die bulgarische Sprache verwendenden Personen relativ groß ist. Natürlich kann aufgrund der Angaben der Volkszählung nicht auf das sprachliche Niveau oder auf die tatsächliche Frequenz des Sprachgebrauchs geschlossen werden, doch verweisen diese Ergebnisse darauf, dass die Mitglieder der bulgarischen Gemeinschaft es für wichtig halten hervorzuheben, dass sie die bulgarische Sprache für ihre Muttersprache halten.

2. Linguistische Untersuchungen im Kreise der Bulgaren

Die im Kreise der ungarländischen Bulgaren durchgeführten Forschungen untersuchten ganz bis zum Anfang der 90er Jahre die Tätigkeit der bulgarischen Gärtner vom Gesichtspunkt der Wirtschaftsgeschichte aus (vgl. Menyhártné Csangova 1989; Boross 1973; Czibulya 1987). Der wichtigste Grund hiervon ist, dass die ungarländische bulgarische Gemeinschaft nicht der typische Gegenstand der bulgarischen Dialektforschungen war (Szotirov /Sotirow/ 2000), stammten sie doch nicht aus einem Gebiet, bzw. bildeten sie keine Sprachinsel im Aufnahmeland (im Gegensatz zu den Bulgaren in Rumänien, die im Banat leben). Der Sprachgebrauch der ungarländischen Bulgaren kann vor allem vom Gesichtspunkt der Zweisprachigkeit aus untersucht werden, die sich hierauf beziehenden Forschungen begannen in den 90er Jahren. Die ersten Arbeiten hängen mit dem Namen von Rosiza Penkowa (Roszica Penkova) (1994) zusammen, die sich mit den sprachlichen Problemen der zweisprachigen Kinder in der Schule befasste. Mit der Entstehung des Forschungsinstituts für Bulgaristik im Jahre 1996 wurden die Forschungen auch organisierter.

2.1 Soziolinguistische und Sprachgebrauchsuntersuchungen

Die erste Monographie linguistischen Themas, die sich mit den ungarländischen Bulgaren beschäftigte, verfasste im Jahre 2000 Petar Sotirow (Petar Szotirov), der Bulgarischlektor an der Universität Debrecen. Im ersten Teil seiner Arbeit untersuchte er die Frage, wer eigentlich die Bulgaren in Ungarn sind, wie groß ist die Zahl der Gemeinschaft, bzw. aufgrund welcher Kriterien gilt jemand als Bulgare. Im zweiten Teil befasst er sich detailliert mit der Situation der bulgarischen Sprache, mit der Rolle der bulgarischen Sprache innerhalb der Minderheitengemeinschaft, mit dem „Wettkampf” zwischen dem Bulgarischen und dem Ungarischen, mit dem Niveau der Bewandertheit in der Muttersprache, bzw. mit jenen Tendenzen und Faktoren, von denen die sprachliche Situation der Bulgaren beeinflusst wird. Der Autor analysiert aufgrund von eigenen Beobachtungen und einer 25 Familien umfassenden Fragebogenermessung den sprachlichen Zustand und die Besonderheiten des Sprachgebrauchs der bulgarischen Gemeinschaft (vor allem mit Teilnehmern aus Debrecen und Miskolc). Seine Ergebnisse sind in den Tabellen 2 und 3 zusammengefasst.

 

Tabelle 2

Sprachwahl der gesellschaftlichen Kommunikation bei einer Gruppe der ungarischen Bulgaren     

Schauplatz                               Sprachwahl

zu Hause                                 eher ungarisch

mit Freunden                           eher ungarisch

Unterricht                                eher ungarisch

Handel                                                nur ungarisch

Arbeit                                      nur ungarisch

Verwaltung                             nur ungarisch

Minderheitenorganisationen   eher ungarisch

Religion                                  nur bulgarisch

 

Die Angaben der Tabelle 2 widerspiegeln gut die innerhalb der bulgarischen Gemeinschaft sich abspielenden sprachlichen Prozesse. Das Bulgarische ist auf fast allen Gebieten des Sprachgebrauchs – von der Familie bis zu den Selbstverwaltungskörperschaften der Minderheiten – in den Hintergrund gerückt, die an der Untersuchung teilnehmenden Personen wickeln ihre Kommunikation eher in ungarischer Sprache ab. Der einzige Ort, an dem das Bulgarische dominiert, ist die Kirche; ihr religiöses Leben führen die Bulgaren (genau so wie auch die anderen Minderheiten – vgl. Borbély 2000) fast ausschließlich in ihrer Muttersprache.

Auf Tabelle 3 ist die Gliederung in Prozent der Sprachwahl der Interaktionen innerhalb der Familie zu sehen. Aufgrund der erhaltenen Angaben stellt Sotirow fest, dass die Verdrängung der bulgarischen Sprache am meisten bei gemischten (ungarisch-bulgarischen) Familien zu beobachten ist. Bei diesen wird die entscheidende Mehrheit der Interaktionen (2/3 von ihnen) in ungarischer Sprache abgewickelt. Die Ergebnisse des Autors zeigen auch, dass das Bulgarische von der jüngsten Generation vor allem in der Kommunikation mit den (bulgarischen) Großeltern verwendet wird – der Anteil davon macht bei den Kinder von bulgarischen Eltern 95 %, im Falle der bulgarischen Mutter/des ungarischen Vaters 60 %, im Falle des bulgarischen Vaters/der ungarischen Mutter 67 % aus.

 

Tabelle 3
Sprache der Interaktionen innerhalb der Familie

Sprachgebrauch in der Familie

Nur Ungarisch

Vor allem Ungarisch

In beiden Sprachen

Vor allem Bulgarisch

Nur Bulgarisch

bulgarische Mutter und bulgarischer Vater

0 %

1,7 %

8,4 %

10,1 %

79,8 %

bulgarische Mutter – ungarischer Vater

60 %

13,3 %

13,3 %

0,0 %

13,4 %

ungarische Mutter- bulgarischer Vater

50 %

17,0 %

15,5 %

1,7 %

15,8 %

 

Von den Erscheinungen, die die Bewahrung bzw. den Verlust der Sprache beeinflussen, hebt der Autor vor allem die persönlichen Faktoren heraus, wie die Entwicklung des Lebensweges, die berufliche Geltung oder die Einflüsse der Umgebung in engerem oder weiterem Sinne. Sotirow beschäftigt sich auch mit der Frage der sprachlichen und ethnischen Assimilation, die seiner Meinung nach bei den ungarländischen Bulgaren ein freiwilliger und objektiver Vorgang ist, und eher mit dem Begriff der Akkulturation charakterisiert werden kann. Für jeden Fall zeugen die demographischen Kennziffern, untersucht man einen längeren Zeitraum, von einem deutlichen Rückgang der Zahl der Bulgaren: 1925 wurden 25 – 28 000 Bulgaren registriert, im Jahre 2000 nur mehr ungefähr 1 700.

Mit den bisher aufgezählten Angaben stimmen auch die Ergebnisse der Untersuchung von Menyhárt (2000) überein, die den Sprachgebrauch von zweisprachigen Kindern (bulgarisch-ungarisch) in Budapest innerhalb der Familie und den gesellschaftlichen Gebrauch untersuchten (Tabelle 4). Die Untersuchung erfasste zwanzig Kinder zwischen 9 und 13 Jahren, 12 von ihnen besuchten die Budapester Bulgarische Schule, während 8 von ihnen in eine ungarische Grundschule gingen.

 

Tabelle 4
Besonderheiten im Sprachgebrauch der bulgarisch-ungarisch
zweisprachigen Kinder

Sprachgebrauch

Bulgarisch (vor allem)

In beiden Sprachen

Ungarisch (vor allem)

mit den Eltern

7 Kinder

5 Kinder

8 Kinder

mit den Großeltern*

11 Kinder

5 Kinder

2 Kinder

mit den Geschwistern*

3 Kinder

8 Kinder

3 Kinder

mit Freunden

12 Kinder

8 Kinder

* Nicht von allen Kindern leben die Großeltern, bzw. manche haben keine Geschwister

 

Aufgrund der Angaben konnte festgestellt werden, dass bei 15 Kindern das sprachliche Umfeld der engeren Familie praktisch einsprachig war (ungarisch oder bulgarisch), und nur in 5 teilnehmenden Familien werden systematisch beide Sprachen verwendet, obzwar 78 % der Eltern beide Sprachen sprechen. Die Kinder sprechen vor allem mit ihren Geschwistern und mit ihren ebenfalls zweisprachigen Freunden in der Kommunikation parallel sowohl die bulgarische als auch die ungarische Sprache. Jene Kinder, die die ungarische Schule besuchen, haben fast nur Freunde mit ungarischer Muttersprache, mit denen sie naturgemäß ungarisch sprechen. Die Bewahrer der Minderheitsprache sind eindeutig die Großeltern: 55 % der Kinder unterhalten sich mit ihnen nur bulgarisch.

Im Laufe der Befragung baten wir die Kinder auch, das Niveau ihrer Bulgarisch- und ihrer Ungarischkenntnisse zu bewerten. 55 % der Teilnehmer waren der Meinung, dass sie die ungarische Sprache besser können, im Falle des Bulgarischen waren dies nur 15 %. 30 % der Kinder sind der eigenen Meinung nach in beiden Sprachen gleich bewandert. Auch diese Fakten beweisen es, dass bei der jüngsten Generation der Prozess des Sprachverlusts begonnen hat.

Im Jahre 2000/2001 wurde zusammen mit der Slowakischen Akademie der Wissenschaften eine Befragung nach der Identität mehrerer Minderheiten in Ungarn (unter ihnen auch der bulgarischen Minderheit) mit Fragebogen der Identität und der sprachlichen Situation vorgenommen. Auch das Forschungsinstitut für Bulgaristik der Bulgarischen Landesselbstverwaltungskörperschaft nahm daran teil. Die Zielgruppen waren folgende: junge/alte Familien in der Stadt, junge/alte Familie auf dem Land (insgesamt vier Gruppen), an der Erforschung nahmen 50 Familien teil. Die Bearbeitung der gesammelten Angaben ist noch im Gange, so kann in dieser Studie über die Ergebnisse noch nicht berichtet werden.

2.2 Psycholinguistische und phonetische Untersuchungen

Im vergangenen Jahrzehnt wurde die Sprache der ungarländischen Bulgaren nicht nur von soziolinguistischen, sondern auch von psycholinguistischen und phonetischen Gesichtspunkten aus analysiert mit Rücksicht auf die aktuellen Fragen der Zweisprachigkeit. Die Forschungen erstreckten sich auf die Untersuchung der Sprachproduktion und der Sprachwahrnehmung/dem Sprachverständnis sowohl der Kinder als auch der Erwachsenen.

Die Zeitverhältnisse der bulgarischen bzw. der ungarischen Sprache werden von der Studie von Menyhárt (2000) untersucht, aufgrund der Angaben von drei Altersgruppen: Kinder, Erwachsene und Senioren (ihr Durchschnittalter lag bei 10, bei 32 und bei 73 Jahren). Die Untersuchung analysiert das Artikulations- und das Sprechtempo der Sprache, und stellt fest, dass (1) der Faktor des Lebensalters in der Sprache unabhängig vom Fakt der Ein- und Zweisprachigkeit ist, bzw. (2) dass die dominierende Sprache der Zweisprachigen auch aus der Zeitstruktur der Sprache nachweisbar ist.

Die Zusammenhänge zwischen der Zweisprachigkeit und dem Akzent in der Sprache der ungarländischen Bulgaren wird von Menyhárt (2002a) von akustisch-phonetischem Gesichtspunkt aus in einer anderen Studie untersucht. Es wird festgestellt, dass der Zustand der Zweisprachigkeit auch dann noch auf die Aussprache des Sprechers einwirkt, wenn man weder subjektiv, noch objektiv einen Akzent nachweisen kann.

Die zweite Gruppe der Forschungen legt die sprachlichen Besonderheiten der bulgarisch-ungarischen zweisprachigen Kinder dar. Die erste Arbeit in diesem Zusammenhang ist die kurze Studie von Penkowa (1994), in der die grammatischen Fehler der die bulgarische Schule besuchenden Kinder analysiert werden, mit besonderer Rücksicht auf die Wechselwirkung des Ungarischen und des Bulgarischen. Kjucsukov (Kjutschukow) (1998; 1999) untersucht die mündlichen narrativen Fähigkeiten der bulgarisch-ungarischen zweisprachigen Schüler in bulgarischer Sprache, indem er diese mit der bulgarischen Aussprache von türkisch-bulgarischen Teilnehmern ähnlichen Alters vergleicht. Der Autor stellt fest, dass beide Kindergruppen bei der Gestaltung von Geschichten ähnliche Fehler begehen, z. B. unterlassen sie die Kongruenz nach dem grammatischen Geschlecht, verwenden sie unrichtige Wörter oder ist ihre Satzkonstruktion nicht vorschriftsmäßig. Der Meinung der Autoren nach wäre es sehr wichtig, dass die zweisprachigen Kinder sich die bulgarische Grammatik aus besonderen Grammatiklehrbüchern aneignen sollen.

Die Zusammenhänge zwischen der Sprachproduktion und dem Sprachverständnis der bulgarisch-ungarischen zweisprachigen Kinder werden von Menyhárt (1998; 2001; 2002b) in mehreren Arbeiten untersucht. Die Untersuchungen erstreckten sich auf das Sprechtempo, den Wortschatz, die Fähigkeit der Wortaktivierung sowie auf das Satz- und Textverständnis der zweisprachigen Kinder (sowie auf die Kontrollgruppen von bulgarischen und ungarischen einsprachigen Kindern). Die Durchschnittsergebnisse sind in Tabelle 5 enthalten.

 

Tabelle 5
Durchschnittswerte der untersuchten Fertigkeiten nach der Person in ungarischer und bulgarischen Sprache

Sprache

Sprechproduktion

Mentales Lexikon

Sprechverstehen

 

Sprechtempo

Wörter insgesamt

Zahl der Wörter

Reaktionszeit

Satzverstehen

Textverständnis

Ungarisch

7,6 Laute/sec

38 St.

22,7 St.

3,4 sec

92,2 %

84,3 %

Bulgarisch

7,0 Laute/sec

33,5 St.

19,3 St.

3,2 sec

92,5 %

67,5 %

Diese Reihe von Experimenten zeigte eindeutig den Einfluss des dominierenden ungarischen sprachlichen Umfelds (in der Tabelle wurde halbfett gedruckt jener Index angegeben, in dem die Kinder eine bessere Leistung brachten). Das Sprechtempo der Teilnehmer war in ungarischer Sprache schneller, ihr ungarischer Wortschatz war reicher, mit den angegebenen Anlauten aktivierten sie mehr Wörter in ungarischer Sprache bzw. verstanden sie auch den zusammenhängenden Text ungarisch besser. Die kognitiven Vorteile der Zweisprachigkeit wies der Fakt nach, dass die zweisprachigen Kinder in beiden Sprachen mit zunehmendem Alter eine gut dokumentierbare Entwicklung zeigten. Im Fall der einsprachigen Kontrollgruppen war diese Tendenz nicht so eindeutig zu beobachten.

Aufgrund der durchgeführten Messungen und Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass die bulgarische Sprache von den meisten Anwendungsbereichen verdrängt wurde, auch die Anzeichen des Prozesses des Sprachverlusts zeigten sich, besonders unter den Angehörigen der jüngsten Generation, obzwar die kognitiven Vorteile der Zweisprachigkeit auf hohem Niveau eindeutig nachzuweisen sind. Auf bedauerliche Weise halten die Mitglieder der Gemeinschaft die Beibehaltung der bulgarischen Sprache nur in der Theorie für wichtig, dies ist auch am kontinuierlichen Rückgang der Schülerzahl der Budapester Bulgarischen Schule zu sehen.

 

3. Die sprachlichen Rechte der bulgarischen Gemeinschaft in Ungarn und die Bewahrung der Minderheitsprache

Die Minderheitenrechte der ungarländischen Bulgaren, zu diesen gehören auch die sprachlichen Rechte, werden von der Verfassung der Republik Ungarn bzw. vom Minderheitengesetz des Jahres 1993 garantiert. Die bulgarische Gemeinschaft in Ungarn verfügt im Verhältnis zu ihrer Zahl über ein abwechslungsreiches System von Institutionen, diese Institutionen haben alle die Aufgabe, die Bewahrung der bulgarischen Identität und der Sprache zu sichern. Im Jahre 2002 waren 30 Selbstverwaltungskörperschaften der bulgarischen Minderheiten in Siedlungen mit 150 Mitgliedern gegründet wurden, während im Februar 2003 auch die bulgarische Minderheitenselbstverwaltung der Hauptstadt und des ganzen Landes gewählt wurden. Wie bei mehreren Minderheiten in Ungarn, so verlief dies auch bei den Bulgaren nicht ohne Debatten, infolge der Verfügungen des Minderheitengesetzes kam es in mehreren Orten vor, dass nicht der Minderheit angehörende Personen in die bulgarischen Selbstverwaltungskörperschaften gewählt wurden. Diese Erscheinungen untergraben die Minderheitenidentität und das Zusammengehörigkeitsgefühl, bzw. tragen zum weiteren Zerfall der bulgarischen Gemeinschaft und zum Vorgang der Akkulturation (der Assimilation) bei.

Als ob in der letzten Zeit die Anstrengungen und Maßnahmen zur Bewahrung der Sprache der Minderheit von ihrem Elan verloren hätten. Es wurde bereits erwähnt, dass die Zahl der Schüler in der Budapester Bulgarischen Schule von Jahr zu Jahr sinkt, so sind in der Schule zusammengezogene Klassen tätig, das verringert das Niveau des Unterrichts und hält die Eltern zurück, ihre Kinder bei dieser Schule anzumelden. Es ist fraglich, ob die Bulgarische Schule, die in diesem Jahr die 85-Jahr-Feier ihres Bestehens feierte, diesen Tiefpunkt überwinden wird. Obzwar gegenwärtig die Einstellung der einzigen Unterrichtsanstalt der ungarländischen Bulgaren nicht auf der Tagesordnung steht, kann dies jedoch, wenn sich das Verhältnis der Gemeinschaft zu dieser Frage nicht ändert, auch geschehen. Gegenwärtig lernen in den 12 Klassen der Schule, bzw. in der Einführungsklasse insgesamt 64 Kinder.

Seit der Mitte der 90er Jahre gibt es neben der Schule auch eine Samstagsschule, die von den bulgarischen Kinder besucht wird, die übrigens die ungarische Schule besuchen, deren Eltern aber die Bewahrung der Minderheitsprache für wichtig halten. Den Teilnehmern wird die Möglichkeit gesichert, Schreiben und Lesen in bulgarischer Sprache zu lernen, bzw. können sie die bulgarische Kultur, Geschichte, Geographie usw. kennen lernen. Samstagsschulen oder zumindest bulgarische Sprachkurse wurden auch in Miskolc, in Halásztelek sowie im Kulturverein der Ungarländischen Bulgaren aufgenommen, nach der anfangs vorhandenen Begeisterung sind diese aber eingestellt worden.

Die erfolgreichste Initiative der bulgarischen Minderheit war die Gründung von Volkstanzgruppen, die zahlreichen Jugendlichen die Bekanntschaft mit der bulgarischen Volksmusik und dem Volkstanz ermöglichen, bzw. die Beziehung zur bulgarischen Volkskultur und zum Mutterland herstellen; das trägt mittelbar auch zur Bewahrung der Minderheitsprache bei.

 

Zusammenfassung

Die sprachlichen Rechte der in der Diaspora lebenden ungarländischen Bulgaren, die eine großstädtische Lebensweise führen, wird von den gültigen ungarischen Gesetzen gesichert, die Möglichkeit der Bewahrung der einen Mehrwert bedeutenden Zweisprachigkeit ist also theoretisch gegeben. Die kleine Zahl der Gemeinschaft und der Fakt, dass rund zwei Drittel der Bulgaren in Budapest und Umgebung leben, erschwert die Beibehaltung der bulgarischen Sprache sehr, denn die Sprache der Minderheit kann sozusagen nur innerhalb der bulgarischen Minderheiteninstitutionen verwendet werden. Die erhaltenen Angaben zeigen aber, dass allein das kirchliche Leben jener Schauplatz ist, wo die bulgarische Sprache dominiert, an allen sonstigen Orten, dazu gehören auch die Minderheitenselbstverwaltungen, dominiert die ungarische Sprache.

Eindeutig ist, dass (auch) die bulgarische Gemeinschaft früher oder später das Schicksal der Assimilation ereilt, dafür muss aber nicht unbedingt die Minderheitenpolitik des ungarischen Staates verantwortlich gemacht werden. Es trifft zwar zu, dass dem Gesetz über die Rechtsstellung der Minderheiten nach die Vertreter der Minderheiten nicht von den Mitgliedern der konkreten ethnischen Gruppe gewählt werden, sondern von allen ungarischen Wahlbürgern, außerdem liegt auch die Kontrolle der Tätigkeit der Selbstverwaltungen nicht bei den Minderheitengemeinschaften. Dennoch besteht im Falle der ungarländischen Bulgaren in einem hohen Maße die Rolle der individuellen Entscheidung und Verantwortung, müssen doch die Mitglieder der verstreut lebenden bulgarischen Familien auch etwas bewusst und konsequent für die Bewahrung und Erhaltung der bulgarischen Sprache tun. Obzwar die Aufrechterhaltung des zweisprachigen Zustandes von den Mitglieder der konkreten Minderheit viele Anstrengungen verlangt, hat die etwas hinzufügende Zweisprachigkeit unleugbar auch Vorteile. Die Bewahrung der konkreten Sprache und Kultur ist jedoch in erster Linie Pflicht und Verantwortung der Träger dieser Kultur.

 

Literatur

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Borbély, Anna (2000): A kisebbségi nyelv megőrzését elősegítő faktorok Méhkeréken [Die Bewahrung der Förderungsfaktoren der Minderheitensprache]. In: Borbély, Anna (Hrsg.): Nyelvek és kultúrák érintkezése a Kárpát-medencében [Berührung von Sprachen und Kulturen im Karpatenbecken]. MTA Nyelvtudományi Intézet [Ungarische Akademie der Wissenschaften, Institut für Sprachwissenschaften], Budapest, p. 45-53.

Boross, Marietta (1973): Bolgár és bolgár rendszerű kertészetek Magyarországon 1870–1945 [Bulgarische Hortikultur und Hortikultur im bulgarischen Stil in Ungarn 1870 – 1945]. In: Ethnográfia [Ethnographie] 1-2. p. 29-52.

Czibulya Ferenc (1987): Bolgárkertészet magyar földön [Bulgarische Hortikultur im Land Ungarn]. Mezőgazdasági Kiadó [Agrar Verlag]. Budapest.

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Kjucsukov, Hriszto (1999): Savremenni idei za obuøovane na deca bilingvi. [Moderne Richtungen im Unterricht für zweisprachige Kinder]. IPKU. Várna.

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Menyhárt Krisztina (2002b): A beszédprodukció és a beszédpercepció sajátosságai magyar–bolgár kétnyelvű gyermekeknéll [Die Eigenarten der Sprachproduktion und der Sprachperzeption bei ungarisch-bulgarischen zweisprachigen Kindern]. PhD-Dissertation. ELTE BTK. Budapest.

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