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Begegnungen17-II_Zahlungsunfahigkeit

Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 17/II:157–170.

Gesetz .../2002 über die Zahlungsunfähigkeit

 

I. ABSCHNITT
Allgemeine Bestimmungen

Sachlicher Geltungsbereich

§ 1.

Dieses Gesetz regelt das Reorganisationsverfahren und das Konkursverfahren.

Persönlicher Geltungsbereich

§ 2.

Die Geltung dieses Gesetzes erstreckt sich auf eine wirtschaftliche Tätigkeit gewerbsmäßig ausübende juristische Personen, Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit und Personen.

§ 3.

Die Bestimmungen dieses Gesetzes bezüglich Versicherungsaktiengesellschaften, Versicherungsgenossenschaften, private Versicherungskassen, Privatpensionskassen und Geldinstitute sind mit den Abweichungen anzuwenden, welche in den diese Gesellschaften betreffenden Gesetzen enthalten sind.

Begriffsbestimmungen

§ 4.

(1) In Anwendung dieses Gesetzes:

a) Schuldner ist, wer seine Verbindlichkeiten zu Fälligkeit nicht begleichen konnte oder voraussichtlich nicht wird begleichen können;

b) Gläubiger ist, wer eine Geldforderung oder eine in Geld bezifferbare vermögenswerte Forderung gegenüber dem Schuldner hat, und diese – wenn ein Konkursverfahren eröffnet wurde – vom Masseverwalter registriert wurde;

c) Absonderungsgläubiger ist, wessen Forderung durch Pfand oder Kaution gesichert ist;

d) Vermögen ist die Summe der Vermögensgegenstände, über die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Reorganisations- oder des Konkursverfahrens das Eigentumsrecht des Schuldners besteht, weiters welche Vermögensgegenstände nach obigem Zeitpunkt zu seinem Eigentum werden.

e) Konkursmasse ist der Teil des Schuldnervermögens, welcher durch kein Pfandrecht belastet ist. Die durch den Schuldner geleistete Kaution gehört nicht hiezu.

(2) Das länger als zehn Jahre oder unbefristet bestehende Mietrecht und das Nutzungsrecht an einem Vermögensgegenstand gehören ebenfalls zum Vermögen.

(3) Liegenschaften im Eigentum von Wohnbaugenossenschaften gehören nicht zum Vermögen.

Der Gläubigerausschuss

§ 5.

(1) Die Gläubiger sind verpflichtet, binnen 40 Tagen ab der gerichtlichen Eröffnung des Reorganisations- oder Konkursverfahrens einen Gläubigerausschuss zu bilden. Ist die Anzahl der Gläubiger nicht größer als drei, bilden sie kraft des Gesetzes einen Gläubigerausschuss.

(2) Die Bildung des Gläubigerausschusses ist dann gültig, wenn dieser durch mindestens ein Drittel der – im Falle eines Konkursverfahrens durch den Masseverwalter registrierten – Gläubiger gebildet wurde und diese mindestens über die Hälfte der Summe der – im Falle eines Konkursverfahrens registrierten – Forderungen verfügen.

(3) Bei jedem Schuldner kann nur ein Gläubigerausschuss bestehen.

§ 6.

(1) Der Ausschuss vertritt vor Gericht, den Behörden und im Kontakt mit Masseverwalter und Schuldner alle Gläubiger.

(2) Die Funktionsweise und die Vertretung des Ausschusses werden von dessen Mitgliedern durch Vereinbarung festgelegt. Auch nach Ablauf der zur Bildung des Ausschusses vorgeschriebenen Frist kann sich ein Gläubiger dem Ausschuss anschließen, sofern er den Inhalt der Vereinbarung akzeptiert.

§ 7.

(1) Der Vertreter des Ausschusses ist verpflichtet, binnen 8 Tagen ab dessen Bildung das Gericht, den Schuldner und – im Falle eines Konkursverfahrens – den Masseverwalter über Bildung, Mitglieder und Vertretung des Ausschusses in Kenntnis zu setzen. Versäumt er dies, kann das Gericht dem Vertreter gegenüber eine Geldstrafe verhängen.

(2) Wenn die Benachrichtigung des Gerichts gemäß Absatz 1 deshalb ausgeblieben ist, weil das gültige Zustandekommen des Ausschusses nicht möglich war, stellt das Gericht das Reorganisations- oder Konkursverfahren mit Beschluss ein und ordnet – im Falle eines Konkursverfahrens – die Kundmachung des Beschlusses im Firmen-Amtsblatt (Cégközlöny) an. Ein Rekurs gegen den Beschluss ist nicht zulässig.

§ 8.

Die Bestimmungen der §§ 6 und 7 sind auch dann anzuwenden, wenn der Gläubigerausschuss kraft Gesetzes zustande kam.

Allgemeine Regel des Gerichtsverfahrens

§ 9.

Das Reorganisationsverfahren und das Konkursverfahren sind Außerstreitverfahren, welche nach dem Sitz des Schuldners in den Zuständigkeitsbereich der örtlichen Gerichte (Stadtgericht, Bezirkgericht) gehören.

§ 10.

(1) In den in diesem Gesetz bestimmten Fällen ist die Erhebung des Rekurses oder eigenen Rekurses gegen einen erstinstanzlichen Beschluss nicht zulässig.

(2) Eine Revision ist nicht zulässig:

a) gegen den die Zahlungsunfähigkeit feststellenden und den rechtskräftigen Konkurseröffnungsbeschluss;

b) gegen den Beschluss, welcher das Reorganisations- oder Konkursverfahren für aufgehoben erklärt.

(3) Die einstweilige Aussetzung, das Abbrechen oder Ruhen des Konkursverfahrens sind nicht möglich.

§ 11.

(1) In den in diesem Gesetz bestimmten Fällen kann das Gericht eine Geldstrafe dem gegenüber verhängen, der seinen gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachkommt. Die Mindestsumme der Geldstrafe beträgt 100.000 Forint.

(2) Gegen den die Strafe festsetzenden Beschluss ist die Erhebung eines eigenen Rekurses nicht zulässig.

§ 12.

Für Fragen das Gerichtsverfahren betreffend, die dieses Gesetz nicht regelt, sind die Bestimmungen des Gesetzes III/1952 über die Zivilprozessordnung anzuwenden.

Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds

§ 13.

(1) Zum Zwecke der Befriedigung von Lohnforderungen, anderen Forderungen mit Entgeltscharakter sowie den mit diesen verknüpften Kostenersatzforderungen der Arbeitnehmer gegenüber Arbeitgebern, welche von Reorganisations- und Konkursverfahren betroffen sind, ist bei dem staatlichen Lohngarantie-Fonds ein Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds (des weiteren: Fonds) einzurichten.

(2) Jeder Arbeitgeber, der im Jahresdurchschnitt mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt, ist verpflichtet ... Prozent (oder Promille) der Brutto-Lohnmasse als Insolvenz-Beitrag kontinuierlich in den Fonds einzuzahlen. Der Beitrag ist wie eine Steuerschuld einzubringen.

(3) Die Funktionsweise des Fonds, die Ordnung der Ein- und – als Vollziehung des § 63 – Auszahlungen regelt die Regierung im Verordnungswege.

 

II. ABSCHNITT
Das Reorganisationsverfahren

Die Eröffnung des Verfahrens

§ 14.

Das Reorganisationsverfahren ist dann zulässig, wenn der Schuldner seine anerkannte oder nicht bestrittene Schuld zu Fälligkeit voraussichtlich nicht wird erfüllen können, aber die Voraussetzungen für die Eröffnung des Konkursverfahrens nicht vorliegen.

§ 15.

Zur Einleitung des Verfahrens sind berechtigt:

a) der Schuldner,

b) der Gläubiger, der über eine Forderung verfügt, welche mit einem das Vermögen des Schuldners belastenden Pfandrecht gesichert ist, weiters

c) der Gläubiger, der über eine nicht unter Punkt b) fallende mit einem Pfandrecht gesicherte Forderung verfügt, deren Summe ein Drittel des Wertes des Stammkapitals (Grundkapitals) des Schuldners erreicht.

§ 16.

(1) Die Einleitung des Verfahrens erfolgt mit Einreichung des Antrags bei Gericht. Wurde dieser von einem Gläubiger eingebracht, verständigt das Gericht unverzüglich den Schuldner vom Antrag, der binnen 8 Tagen dem Gericht gegenüber eine Erklärung abgeben kann.

(2) Stellt das Gericht fest, dass die Voraussetzungen für die Eröffnung des Verfahrens gegeben sind, eröffnet es innerhalb von 30 Tagen gerechnet ab Einlangung des Antrags mit Beschluss das Reorganisationsverfahren.

(3) Ein Rekurs gegen den Eröffnungsbeschluss ist nur zusammen mit dem Aufhebungsbeschluss zulässig.

§ 17.

(1) Während der Dauer des Reorganisationsverfahrens kann kein solches Verfahren gegen denselben Schuldner eingeleitet werden.

(2) Wird während der Dauer des Reorganisationsverfahrens ein Konkursverfahren gegen den Schuldner angestrebt, setzt das Gericht die Beurteilung eines solchen Antrags bis zur rechtskräftigen Aufhebung des Reorganisationsverfahrens aus.

§ 18.

Der Schuldner ist verpflichtet, von der Eröffnung des Reorganisationsverfahrens die Arbeitnehmer, die zuständige Gewerkschaft und das örtlich zuständige Arbeitsamt in Kenntnis zu setzen.

Rechtsfolgen der Verfahrenseröffnung

§ 19.

(1) Hat das Gericht das Reorganisationsverfahren eröffnet, steht dem Schuldner ein Zahlungsaufschub von drei Monaten ab Zustellung des Eröffnungsbeschlusses gerechnet zu.

(2) Dieser Zahlungsaufschub gilt nicht für folgende Forderungen:

a) Arbeitslohn und andere Zuwendungen mit Entgeltscharakter sowie die diese belastende Einkommenssteuer-Vorauszahlung

b) Krankenversicherungs- und Pensionsversicherungsbeitrag

c) Sozialversicherungsbeitrag

d) Unfallversicherungsbeitrag

e) Beiträge, welche aufgrund des Gesetzes über die Förderung der Beschäftigung und über die Versorgung von Arbeitslosen entrichtet werden müssen

f) Abfertigung

g) Unterhalt, Lebensrente, Entschädigungsrente

h) Bergarbeiter-Einkommenszulage

i) Fachausbildungsbeihilfe

j) Zuwendungen für Schüler in Fachausbildung

k) Wasser- und Kanalisationsgebühren

(3) Der Schuldner darf die vom Aufschub umfassten Forderungen während der Dauer des Aufschubs nicht erfüllen. Handelt er zuwider, kann das Gericht – aufgrund der Meldung eines jeden Gläubigers – mit Beschluss eine Geldstrafe verhängen.

§ 20.

(1) Das Gericht kann die Dauer des Zahlungsaufschubes einmalig um weitere drei Monate verlängern. Die Verlängerung kann derjenige beantragen, der auch zur Einleitung des Reorganisationsverfahrens berechtigt wäre.

(2) Über den Antrag zur Verlängerung entscheidet das Gericht mit Beschluss. Ein eigener Rekurs gegen diesen Beschluss ist nicht zulässig.

(3) Der Schuldner ist verpflichtet, die Gläubiger auch von der Verlängerung des Zahlungsaufschubes unverzüglich zu benachrichtigen.

§ 21.

In Folge der Verfahrenseröffnung ist eine Verpflichtungsbegründung des Schuldners nur mit Zustimmung des Ausschusses gültig.

Der Reorganisationsplan und seine Durchführung

§ 22.

(1) Das Ziel des Reorganisationsverfahrens ist, durch entsprechende Maßnahmen die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit zu bannen. Diesem Ziel dient der Reorganisationsplan.

(2) Der Schuldner ist verpflichtet – binnen zwei Monaten ab Verfahrenseröffnung – den Plan zu erstellen.

§ 23.

Der Reorganisationsplan hat die Bewertung der wirtschaftlichen, finanziellen, organisatorischen und beschäftigungsspezifischen Lage des Schuldners, die Nennung der Quellen der Verluste, deren Minderung oder Beseitigung, die Überprüfung des Tätigkeitsbereiches des Schuldners sowie jede andere zur Festigung der Lage des Schuldners geeignete Maßnahme zu enthalten.

§ 24.

(1) Der Schuldner ist verpflichtet, die Zustimmung jener Gläubiger, die zur Einleitung des Verfahrens berechtigt wären, zum Reorganisationsplan einzuholen.

(2) Der Schuldner ist verpflichtet, auch die anderen Gläubiger in Kenntnis zu setzen. Wenn die im Absatz 1 genannten Gläubiger mit dem Plan einverstanden sind, so ist dieser auch für die anderen Gläubiger maßgeblich.

§ 25.

Kommt hinsichtlich des Reorganisationsplanes unter den Betroffenen keine Einigung zustande, so sind die Bestimmungen des § 30 entsprechend anzuwenden.

§ 26.

(1) Die Durchführung des Reorganisationsplanes wird vom Gläubigerausschuss überwacht.

(2) Der Gläubigerausschuss hat Einblick in die Bücher des Schuldners, darf dessen Waren- und Wertpapierbestand, Kasse, Verträge und Bankkonten untersuchen, kontrolliert die Geltendmachung seiner Forderungen und kann von ihm Auskunft verlangen.

§ 27.

Weicht der Schuldner unnötig und wesentlich vom angenommenen Reorganisationsplan ab, meldet der Gläubigerausschuss oder einer der zur Einleitung des Verfahrens berechtigten Gläubiger die Abweichung unverzüglich dem Gericht. Das Gericht kann dem Schuldner gegenüber eine Geldstrafe verhängen.

Die Aufhebung des Verfahrens

§ 28.

Über die Durchführung des Reorganisationsplanes wird vom Schuldner jährlich ein Bericht, mit Ablauf des dritten Jahres ein Schlussbericht für die Gläubiger erstellt. Ist die Durchführung bereits früher erfolgt, muss unverzüglich ein Schlussbericht erstellt werden.

§ 29.

(1) War die Durchführung des Planes erfolgreich, beantragt der Schuldner mit der Einreichung des Schlussberichtes die Aufhebung des Reorganisationsverfahrens. Dem Schlussbericht müssen die Beurteilungen des Gläubigerausschusses und des Schuldners beigelegt werden.

(2) Das Gericht entscheidet über die Aufhebung des Verfahrens mit Beschluss.

§ 30.

War die Durchführung des Planes erfolglos, muss dies spätestens mit Ablauf des dritten Jahres dem Gericht gemeldet werden; in der Folge ist gemäß § 29 Absatz 2 zu verfahren.

 

III. ABSCHNITT
Das Konkursverfahren

Voraussetzungen zur Eröffnung des Verfahrens

§ 31.

Ein Konkursverfahren ist zulässig, wenn

a) der Schuldner zahlungsunfähig ist oder

b) die fällige und nicht erfüllte Forderung des Gläubigers die Hälfte des Stammkapitals (Grundkapitals) des Schuldners übersteigt oder

c) der Schuldner den im Reorganisationsverfahren angenommenen Reorganisationsplan nicht durchgeführt hat.

Die Eröffnung des Verfahrens

§ 32.

Die Einleitung des Konkursverfahrens erfolgt durch den bei Gericht eingereichten Antrag. Antragsberechtigt ist sowohl der Schuldner als auch jeder Gläubiger.

§ 33.

(1) Der Schuldner ist verpflichtet, die Eröffnung des Konkursverfahrens zu beantragen, wenn er mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet ist und ihm im Durchschnitt des letzten Wirtschaftsjahres kein Stammkapital (Grundkapital) zur Verfügung stand oder seine öffentlichen Schulden die Summe seines Stammkapitals (Grundkapitals) erreichen.

(2) Der Schuldner ist verpflichtet, seine kontoführenden Geldinstitute und die Nummer seiner Bankkonten im Antrag bekannt zu geben.

§ 34.

Wird die Eröffnung des Verfahrens von einem Gläubiger beantragt, muss er

a) in dem im § 31 Punkt a) genannten Fall das Bestehen der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners glaubhaft machen,

b) in den im § 31 Punkt b) genannten Fällen den Rechtstitel der Forderung und den Zeitpunkt der Fälligkeit bekannt geben,

c) in dem im § 31 Punkt c) genannten Fall den angenommenen Reorganisationsplan dem Antrag beilegen.

§ 35.

(1) Wird die Eröffnung des Verfahrens von einem Gläubiger beantragt, benachrichtigt das Gericht – mit der Zusendung eines Exemplars des Antrags – unverzüglich den Schuldner.

(2) Binnen 8 Tagen ab Erhalt der Benachrichtigung gibt der Schuldner dem Gericht gegenüber eine Erklärung über den Inhalt des Antrags ab und gibt gleichzeitig seine kontoführenden Geldinstitute und die Nummern seiner Bankkonten bekannt. Versäumt er dies, ist das Bestehen der Zahlungsunfähigkeit anzunehmen.

§ 36.

(1) Das Gericht stellt die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners dann fest, wenn

a) dieser seine anerkannte oder nicht bestrittene Schuld binnen 60 Tagen ab Fälligkeit nicht beglichen hat oder

b) das gegen diesen durchgeführte Vollstreckungsverfahren erfolglos war, oder

c) dieser die Abgabe der im § 35 Absatz 2 vorgeschriebenen Erklärung versäumt hat.

(2) Stellt das Gericht das Bestehen der Zahlungsunfähigkeit fest, eröffnet es binnen 30 Tagen ab Einlangen des Konkursantrags bei Gericht das Konkursverfahren mit Beschluss. Im entgegengesetzten Fall weist es den Antrag ohne Aufschub mit Beschluss ab.

(3) Gegen den Eröffnungsbeschluss ist ein Rekurs binnen 3 Tagen ab Zustellung zulässig. Das zweitinstanzlich verfahrende Gericht entscheidet über den Rekurs binnen 15 Tagen.

(4) Während der Dauer des Konkursverfahrens kann gegen denselben Schuldner kein Reorganisationsverfahren oder ein anderes Konkursverfahren eröffnet werden. Die Beurteilung eines auf diese Verfahren gerichteten Antrags setzt das Gericht bis zur rechtskräftigen Aufhebung des Konkursverfahrens aus.

§ 37.

Stellt das Gericht fest, dass das Vermögen des Schuldners nicht einmal die Kosten des Verfahrens deckt, kann es das Verfahren nur eröffnen, wenn

a) derjenige, der den Antrag eingereicht hat, das Tragen der Kosten übernimmt und

b) die vom Gericht festgesetzte Summe an das für diesen Zweck eröffnete Konto des Wirtschaftsamtes des Gerichts einzahlt.

§ 38.

(1) Nachdem der Konkurseröffnungsbeschluss Rechtskraft erlangt hat, ordnet das Gericht mit Beschluss die Kundmachung des genannten Beschlusses im Firmen-Amtsblatt (Cégközlöny) an und bestellt einen Masseverwalter. Gegen diesen Beschluss ist kein Rekurs zulässig.

(2) Das Gericht verständigt von der Eröffnung des Konkursverfahrens:

a) das zuständige Firmengericht,

b) die zuständige Steuer- und Zollbehörde und das Finanzamt,

c) das Verwaltungsorgan der Pensionsverwaltungs- und

Krankenversicherungsselbstverwaltung,

d) das zuständige Arbeitsamt,

e) die zuständige Umwelt- und Arbeitnehmerschutzbehörde,

f) das örtlich zuständige Bodenamt,

g) das zuständige Archiv,

h) die kontoführenden Geldinstitute des Schuldners sowie

i) das Wirtschaftsamt des Gerichts.

(3) Der Anfangszeitpunkt des Konkursverfahrens ist der Zeitpunkt der Kundmachung des Eröffnungsbeschlusses im Firmen-Amtsblatt (Cégközlöny).

Rechtsfolgen der Eröffnung des Verfahrens

§ 39.

Ab Eröffnung des Konkursverfahrens ist der Firmenname des Schuldners mit dem Zusatz „csödeljárás alatt” („unter Konkursverfahren”) oder dem Kürzel „cs. a.” zu führen.

§ 40.

(1) In der Folge der Eröffnung des Konkursverfahrens ist der Schuldner verpflichtet:

a) mit dem der Eröffnung des Konkursverfahrens vorangehenden Tag ein Inventar, einen Jahresbericht, einen einfachen Jahresbericht oder eine Jahresbilanz sowie eine Steuererklärung anzufertigen und diese binnen 40 Tagen ab genanntem Zeitpunkt dem Masseverwalter und der Steuerbehörde zu übergeben;

b) den Masseverwalter über laufende Angelegenheiten zu unterrichten;

c) über die nicht aussortierbaren und als geheim qualifizierten Schriftstücke ein Verzeichnis anzulegen und das gesamte Archivmaterial dem Masseverwalter zu übergeben;

d) die Arbeitnehmer, die Gewerkschaften und die Genossenschaftsmitglieder über die Eröffnung des Konkursverfahrens zu unterrichten.

(2) Kommt der Schuldner seinen im Absatz 1 aufgezählten Pflichten nicht nach, kann das Gericht – auf Meldung des Masseverwalters – eine Geldstrafe über ihn verhängen.

§ 41.

Das Vermögen des Schuldners betreffend, kann ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens nur der Masseverwalter Willenserklärungen abgeben.

§ 42.

Im Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens laufen alle bestehenden Schulden des Schuldners ab (sie werden fällig).

§ 43.

(1) Gegen den Schuldner können Geldforderungen nur im Rahmen des Konkursverfahrens geltend gemacht werden; in einem vom Schuldner geführten Prozess kann hingegen der Gläubiger die Einrede zur Aufrechnung erheben.

(2) Die gegen den Schuldner bestehenden Forderungen müssen 30 Tage ab Eröffnung des Konkursverfahrens beim Masseverwalter angemeldet werden. Forderungen, welche nach der Eröffnung des Konkursverfahrens entstanden sind, müssen binnen 15 Tagen ab deren Entstehung angemeldet werden. Das Versäumen dieser Fristen bewirkt einen Rechtsverlust.

(3) Die Verjährung einer beim Masseverwalter angemeldeten Forderung setzt nicht ein, eine laufende Verjährung erlischt kraft Gesetzes.

§ 44.

(1) Ein zum Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens gegen den Schuldner laufendes gerichtliches Vollstreckungsverfahren ist auf Antrag des Masseverwalters unverzüglich einzustellen, die gepfändeten Vermögensgegenstände und das eingeflossene Bargeld sind dem Masseverwalter zu übergeben.

(2) Ein auf der Liegenschaft des Schuldners im Liegenschaftsregister eingetragener Vollstreckungstitel erlischt kraft Gesetzes. Seine Löschung wird vom die Vollstreckung vornehmenden Gericht unverzüglich veranlasst.

Der Masseverwalter

§ 45.

Zur Person des Masseverwalters gibt der Gläubigerausschuss einen Vorschlag dem Gericht gegenüber ab. Es können nur Personen vorgeschlagen werden, die im durch den Landesverein der Masseverwalter geführten Register aufscheinen, angenommen, dass keine Ausschließungsgründe gegen sie vorliegen.

§ 46.

(1) Nicht zum Masseverwalter bestellt werden kann, wer selbst oder wessen Eigentümer der Eigentümer oder Gläubiger des Schuldners ist, weiters dessen führender Amtsträger und nahe Angehörigen (§ 685 Punkt b Bürgerliches Gesetzbuch).

(2) Der Masseverwalter ist verpflichtet, das Bestehen eines Ausschließungsgrundes binnen 30 Tagen ab Erhalt des bestellenden Beschlusses – wenn der Ausschließungsgrund später entstanden ist, ab dessen Entstehung – dem Gericht zu melden. Nur in einem solchen Fall kann der Masseverwalter die Bestellung ablehnen.

§ 47.

(1) Das Gericht enthebt den Masseverwalter, wenn

a) es das Bestehen eines Ausschließungsgrundes feststellt,

b) dieser aus dem Register gelöscht wurde,

c) ein Konkursverfahren über ihn eröffnet wurde,

d) er seiner Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht nachkommen kann,

e) er schwer oder wiederholt gegen die Rechtsvorschriften verstößt.

(2) Gegen den Beschluss über die Enthebung kann der Masseverwalter binnen 8 Tagen Rekurs erheben, es sei denn, er hat das Bestehen des Ausschließungsgrundes selbst gemeldet. Das erstinstanzliche Gericht entscheidet ohne Aufschub über den Rekurs.

(3) Nach Rechtskraft des Beschlusses über die Enthebung des Masseverwalters bestellt das Gericht unverzüglich einen neuen Masseverwalters und ordnet die Kundmachung des Beschlusses über die neuerlichen Bestellung im Firmen-Amtsblatt (Cégközlöny) an.

§ 48.

(1) Der Masseverwalter erfasst die Vermögenslage des Schuldners, plant die Kosten des Verfahrens und erstellt einen Terminplan zur Beendigung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners. Er muss zum Terminplan die Zustimmung des Gläubigerausschusses einholen.

(2) Hält der Masseverwalter die Weiterführung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners während des Konkursverfahrens für nötig, muss er – binnen 60 Tagen ab Kundmachung des Eröffnungsbeschlusses – die Zustimmung des Gläubigerausschusses einholen.

§ 49.

(1) Binnen 40 Tagen ab Ablauf der Frist zur Anmeldung legt der Masseverwalter ein Verzeichnis über die angemeldeten Forderungen an und überprüft und beurteilt diese.

(2) Die Voraussetzung für die Aufnahme einer Forderung in das Verzeichnis ist, dass der Gläubiger – abgesehen von der Steuer- und Zollbehörde – 1 Prozent der Forderungssumme, aber mindestens 2 000 Forint auf das vom Wirtschaftsamt des Gerichtes zu diesem Zweck eröffnete Konto einzahlt und dies beim Masseverwalter nachweist.

(3) Von der Summe auf dem Konto gemäß Punkt 2) kann der Masseverwalter die Auszahlung eines Vorschusses auf seine Belohnung vom Gericht beantragen; das Gericht entscheidet mit Beschluss darüber. Gegen diesen Beschluss ist kein Rekurs zulässig.

§ 50.

(1) Der Masseverwalter kann binnen 90 Tagen ab Eröffnung des Konkursverfahrens den im Jahr, das dem Tag der Einlangung des Konkursantrags voranging, und nach diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Vertrag oder eine andere Willenserklärung vor Gericht mit Klage anfechten, wenn deren Gegenstand

a) eine unentgeltliche Veräußerung aus dem Vermögen des Schuldners oder eine das Vermögen belastende unentgeltliche Verpflichtung oder

b) ein entgeltliches Rechtsgeschäft mit auffallender Unverhältnismäßigkeit der Leistungen oder

c) ein auf das Hintergehen der Gläubiger abzielendes, das Vermögen des Schuldners belastendes Rechtsgeschäft ist.

(2) Der Masseverwalter benachrichtigt den Gläubigerausschuss von der Einreichung der Klage.

(3) Die Versäumung der in Absatz 1 beschriebenen Frist bewirkt einen Rechtsverlust.

§ 51.

(1) Der Masseverwalter ist berechtigt, die vom Schuldner abgeschlossenen Verträge – mit Ausnahme der im Absatz 2 aufgeführten – mit sofortiger Wirkung zu kündigen und, wenn keine der Parteien eine Leistung erbracht hat, vom Vertrag zurückzutreten. Die andere Partei kann ihre so entstandene Forderung mit Anmeldung beim Masseverwalter im Rahmen des Konkursverfahrens geltend machen.

(2) Die Kündigung (Rücktritt) mit sofortiger Wirkung ist bezüglich folgender Verträge nicht zulässig:

a) Wohnungsmietverträge natürlicher Personen; nicht hierzu gehören Verträge, die eine Dienstwohnung betreffen,

b) Verträge, die mit einer Schule oder einem Schüler zur Organisation der praktischen Ausbildung abgeschlossen wurden,

c) Darlehensverträge in Verbindung mit nicht wirtschaftlicher Tätigkeit,

d) Verträge des Genossenschaftsmitglieds in Verbindung mit seinem werkvertragsähnlichen Rechtsverhältnis,

e) Kollektivverträge.

§ 52.

Der Masseverwalter übt die Arbeitgeberrechte aus (Achtung! Fehler im Orig.) und kommt den damit verbundenen Verpflichtungen nach; zur Erhöhung der Arbeitslöhne hat er aber die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen.

§ 53.

Der Masseverwalter bringt die Forderungen des Schuldners ein und verwertet dessen Vermögen. Er ist verpflichtet, während des Verfahrens für die Bewahrung des Vermögens des Schuldners Sorge zu tragen.

§ 54.

(1) Der Masseverwalter verwertet das Vermögen im Wege öffentlichen Wettbewerbs oder Versteigerung. Eine andere Weise der Verwertung kann dann angewendet werden, wenn

a) der Gläubigerausschuss dem zustimmt oder

b) die zu erwartenden Einnahmen die voraussichtlichen Kosten der Verwertung im Wege des Wettbewerbs oder der Versteigerung nicht decken.

(2) Im Zuge der Verwertung des Vermögens dürfen der Masseverwalter, dessen Eigentümer oder führender Amtsträger sowie deren nahe Angehörigen kein Eigentum oder ein anderes vermögenswertes Recht erwerben.

(3) Im Zuge der öffentlichen Verwertung ist eine Aufrechnung gegenüber dem Schuldner nicht zulässig.

§ 55.

(1) Der Masseverwalter macht den öffentlichen Bewerbungsaufruf im Firmen-Amtsblatt (Cégközlöny) kund. Den festgesetzten Anfangszeitpunkt für die Einreichung der Offerten gibt er mindestens 15 Tage vorher bekannt. Die Kundmachung hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung des zu verwertenden Vermögens,

b) die Bedingungen der Verwertung,

c) die Art der Übergabe des die detaillierten Bewerbungsvoraussetzungen enthaltenden Schriftstückes und der Gewährung der Auskünfte,

d) die Form und der Zeitpunkt der Einreichung der Offerten, die Art der Übernahme und Beurteilung,

(2) Die Offerten sind in Anwesenheit eines Notars zu öffnen, der das Verfahren protokolliert.

(3) Der Masseverwalter fasst die Ergebnisse des Wettbewerbs in einem Protokoll zusammen und übersendet es – mit dem Protokoll des Notars – an den Gläubigerausschuss.

§ 56.

(1) Wenn mehrere geeignete, annähernd gleichwertige Offerten eingelangt sind, ist der Masseverwalter verpflichtet, unter den betreffenden Offerten eine offene Preisverhandlung zu führen. Die Bedingungen der Preisverhandlung hat er den Interessenten vor deren Beginn mitzuteilen.

(2) Bei einem Mangel geeigneter Offerten erklärt der Masseverwalter den Wettbewerb für ungültig und schreibt einen neuen aus.

§ 57.

(1) Die Versteigerung wird vom Masseverwalter im Wege eines Versteigerungsediktes angesetzt. Im Edikt sind anzugeben:

a) Name und Sitz des Schuldners,

b) Ort und Zeit der Versteigerung,

c) die zu versteigernden Vermögensgegenstände und deren Schätzwert,

d) bei Versteigerung von beweglichen Sachen der Ort und Zeitpunkt, zu dem die bewegliche Sache vor der Versteigerung besichtigt werden kann.

(2) Bei Versteigerung von Liegenschaften sind im Edikt – abgesehen von den in Absatz 1 Punkte a) bis c) angeführten Angaben – anzugeben:

a) die Daten aus dem Liegenschaftsregister,

b) das Zubehör der Liegenschaft, im Falle eines Gebäudes die charakteristischen Eigenschaften, weiters ob die Liegenschaft sofort in Besitz genommen werden kann oder nicht,

c) die Summe des Versteigerungsvorschusses.

(3) Der Versteigerungsedikt ist mindestens 15 Tage vor dem Zeitpunkt der Versteigerung im Firmen-Amtsblatt (Cégközlöny) kund zu machen.

§ 58.

(1) Bei Versteigerung von Liegenschaften ist der Meistbieter verpflichtet, den Kaufpreis sofort zu bezahlen, es sei denn, der Kaufpreis ist höher als eine Million Forint. In diesem Fall legt der Masseverwalter eine Zahlungsfrist fest, die 60 Tage nicht übersteigen darf.

(2) Zahlt der Käufer den höchstens eine Million Forint betragenden Kaufpreis nicht sofort, ist die bewegliche Sache weiter zu versteigern. Der die Zahlung unterlassende Käufer darf an der weiteren oder einer erneuten Versteigerung der Sache nicht mehr teilnehmen.

§ 59.

(1) Für eine Liegenschaft darf derjenige mitsteigern, der 5 Prozent des Schätzwertes der Liegenschaft spätestens bis zum Anfang der Versteigerung beim Masseverwalter als Vorschuss hinterlegt.

(2) Der Käufer ist verpflichtet, den vollen Kaufpreis der Liegenschaft zu den im Versteigerungsedikt bekannt gegebenen Bedingungen auf das Konto des Schuldners einzuzahlen. Versäumt er dies, geht sein Vorschuss verloren.

(3) Die Verwertung der Liegenschaft im Wege der Versteigerung berührt – sofern dieses Gesetz nicht anders verfügt – die bestehenden Rechte Dritter an der Liegenschaft nicht.

§ 60.

Erreicht der gebotene Kaufpreis den Schätzwert nicht, kann der Masseverwalter den Kaufpreis bis auf die Hälfte des Schätzwertes herabsetzen.

§ 61.

Die Versteigerung ist in Anwesenheit eines Notars durchzuführen. Der Notar fertigt ein Protokoll von der Versteigerung an, von dem er den Käufern eine Kopie aushändigt.

§ 62.

Der Masseverwalter verfährt im Zuge der Befriedigung der Forderungen nach den Bestimmungen der §§ 63–66.

§ 63.

Der Masseverwalter erstellt ein Verzeichnis über die Arbeitslohnforderungen und über Forderungen von Zuwendungen mit Entgeltscharakter der Arbeitnehmer des Schuldners sowie über die mit diesen verbundenen Kostenforderungen und übersendet dies – zur weiteren Verfügung – an den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds (§ 13).

§ 64.

(1) Gläubiger von Forderungen, welche mit das Vermögen des Schuldners belastendem Pfandrecht, mit anderem Pfandrecht oder Kaution gesichert sind, sind aus dem gebundenen Vermögen beziehungsweise aus der Kaution zu befriedigen.

(2) Die Befriedigung der mit Pfandrechten gesicherten Forderungen erfolgt in der Reihenfolge, in der die Pfandrechte entstanden sind. Reicht das gebundene Vermögen (Vermögensteil) zur Befriedigung sämtlicher Forderungen aller Pfandgläubiger nicht aus, so werden die Gläubiger im Verhältnis ihrer Forderungen befriedigt.

(3) Ist die Kaution zur Befriedigung der Forderung des Berechtigten nicht ausreichend, kann dieser die Differenz zu Lasten der Konkursmasse geltend machen.

(4) Das nach der in den Absätzen 1–2 geregelten Geltendmachung des Absonderungsrechtes übrig bleibende Vermögen ist der Konkursmasse zuzuschlagen.

§ 65.

(1) Die Konkursmasse belastende Forderungen sind in der folgenden Reihenfolge zu befriedigen:

a) die Kosten des Konkursverfahrens,

b) Unterhaltsbeitrag, Lebensrente, Entschädigungsrente, Forderungen von Geldzuwendungen, die von landwirtschaftlichen Genossenschaften ihren Mitgliedern statt hauswirtschaftlichen Ackerböden oder Früchten geleistet werden und dem Berechtigten bis zu seinem Ableben zustehen,

c) Forderungen von Gläubigern, die als Klein- oder Kleinstbetriebe qualifiziert werden können, mit Zinsen bis Eröffnung des Konkursverfahrens gerechnet,

d) aus nicht wirtschaftlicher Tätigkeit stammende Forderungen von Privatpersonen, die nicht unter Punkt b) fallen,

e) Schulden gegenüber der Sozialversicherung, Steuern und wie Steuern einzubringende öffentliche Schulden, rückzahlungspflichtige Zuwendungen des Staates, Wasser- und Kanalisationsgebühren; all diese ohne Verzugszinsen, Zuschläge und Geldbußen,

f) sonstige Forderungen,

g) Verzugszinsen, Zuschläge und Geldbußen.

(2) Zu den Kosten des Konkursverfahrens gehören die Kosten der Beendigung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners, eingeschlossen die damit verbundenen Kosten der Kontoführung, die mit der Verwertung des Vermögens verbundenen Kosten, die den Schuldner belastenden Kosten des Gerichtsverfahrens, die mit der Tätigkeit des Gläubigerausschusses verbundenen Kosten, die Kosten der Lagerung der Schriftstücke und die Belohnung des Masseverwalters.

§ 66.

(1) Reicht die Konkursmasse zur Befriedigung der im § 65 Absatz 1 aufgezählten Forderungen nicht aus, sind die Forderungen in folgender Reihenfolge und Weise zu befriedigen:

a) die Kosten des Verfahrens,

b) die im § 65 Absatz 1 aufgezählten übrigen Forderungen, mit der Abweichung, dass innerhalb der einzelnen Gruppen die Gläubiger im Verhältnis ihrer Forderungen zu befriedigen sind.

(2) Deckt die Konkursmasse nicht einmal die Kosten des Verfahrens, sind auch die Gläubiger dieser Gruppe – mit Ausnahme des Masseverwalters – im Verhältnis ihrer Forderungen zu befriedigen.

§ 67.

Der Masseverwalter ist verpflichtet, den Schuldner und den Gläubigerausschuss über die wirtschaftliche Lage des Schuldners und über den Fortgang des Verfahrens zu unterrichten; versäumt er dies, kann Einrede erhoben werden.

§ 68.

(1) Hat der Masseverwalter Rechtsvorschriften verletzt oder ein Versäumnis begangen, kann der Betroffene drei Tage ab Kenntnis bei Gericht Einrede erheben.

(2) Gibt das Gericht der Einrede statt, vernichtet es die beanstandete Verfahrenshandlung des Masseverwalters und stellt den Ausgangszustand wieder her oder schreibt dem Masseverwalter die Setzung einer neuen oder entsprechenden (geeigneten) Handlung vor oder verfährt nach den Bestimmungen des § 47. Im entgegengesetzten Fall weist es die Einwendung ab.

(3) Gegen den der Einrede stattgebenden Beschluss kann nur der Masseverwalter, gegen den abweisenden nur der Einhebende binnen 8 Tagen Rekurs erheben. Das in zweiter Instanz verfahrende Gericht entscheidet über den Rekurs binnen 15 Tagen.

Der Vergleich im Konkursverfahren

§ 69.

(1) Jene Gläubiger – mit den Ausnahmen gemäß Absatz 2 –, die ihre Forderungen beim Masseverwalter angemeldet haben, können mit Ablauf der Frist zur Anmeldung mit dem Schuldner einen Vergleich abschließen. Zur Erstellung eines darauf abzielenden Vorschlags ist derjenige verpflichtet, der den Vergleich initiiert.

(2) In den Abschluss kann nicht mit einbezogen werden, wer Kostenforderungen oder Forderungen von existenzsichernden Leistungen stellt.

§ 70.

(1) Im Vergleich können die Parteien in Reihenfolge, Verhältnis, Weise und Frist der Befriedigung der Schulden übereinkommen; dabei dürfen sie von den Bestimmungen der §§ 65–66 abgehen.

(2) Der Vergleich kann sich nur auf die Befriedigung aus der Konkursmasse beziehen, die Stellung der Absonderungsgläubiger darf er nicht berühren.

(3) Der Vergleich ist gültig, wenn der Masseverwalter und der Gläubigerausschuss mit ihm einverstanden sind.

§ 71.

Wenn mindestens die Hälfte der Gläubiger in jeder Befriedigungsgruppe (§ 65 Absatz 1) mit dem Vergleich einverstanden ist und ihre Forderungen zwei Drittel der Summe aller Forderungen ausmachen, erstreckt sich die Geltung des Vergleichs auf alle Gläubiger.

Die Aufhebung des Verfahrens

§ 72.

Der Masseverwalter erstellt zum Abschluss des Verfahrens eine Abschlussbilanz, eine Einnahmen-Kosten-Aufstellung, einen Vorschlag zur Verteilung des Vermögens, eine Abschluss-Steuererklärung sowie einen Schlussbericht und übersendet diese – sofern ein Vergleich zustande kam auch diesen – dem Gericht und der Steuerbehörde.

§ 73.

In der Abschlussbilanz sind anzugeben:

a) die Geldmittel,

b) die nicht verwertbaren Wertgegenstände zu deren Marktwerten,

c) die uneinbringlichen Forderungen,

d) die nicht begleichbaren Schulden zu deren Wert in den Büchern,

e) das verteilbare Vermögen.

§ 74.

In der Aufstellung über die Entwicklung der Einnahmen und Kosten sind anzugeben:

a) der eingeflossene Gegenwert der Vermögensgegenstände und der registrierte Wert,

b) die Summe der eingebrachten Forderungen,

c) die mit der Weiterführung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners verbundenen Preiseinnahmen und Kosten,

d) die beglichenen Kosten des Konkursverfahrens.

§ 75.

(1) Der Masseverwalter übergibt

a) die Schriftstücke des Schuldners mit historischem Wert dem zuständigen Archiv,

b) die die Pensionsversicherung betreffenden Schriftstücke dem Verwaltungsorgan der zuständigen Pensionsversicherung- Selbstverwaltung.

(2) Der Masseverwalter trägt während des gesetzlich bestimmten Zeitraumes für die Lagerung und Aussortierung des verbleibenden Archivmaterials Sorge.

§ 76.

(1) Das Gericht übersendet binnen 8 Tagen ab deren Einlangen die Abschlussbilanz, die Einnahmen-Kosten-Aufstellung, den Vorschlag zur Verteilung des Vermögens und den Schlussbericht dem Gläubigerausschuss.

(2) Jeder Gläubiger kann binnen 15 Tagen ab Empfangnahme der in Absatz 1 aufgezählten Schriftstücke bezüglich deren Inhalt bei Gericht Einwendung erheben. Diese Frist ist peremptorisch.

(3) Das Gericht hält eine Verhandlung im Gegenstand der Einwendung ab, zu der es den Einwender und den Masseverwalter lädt. Über die Einwendung entscheidet das Gericht mit Beschluss; gegen diesen Beschluss ist ein Rekurs nicht zulässig.

§ 77.

Das Gericht

a) genehmigt mit Beschluss die Abschlussbilanz, die Einnahmen-Kosten-Aufstellung, den Schlussbericht und einen eventuellen Vergleich, vorausgesetzt, dass diese den Rechtsvorschriften entsprechen,

b) bestimmt mit Beschluss das Verhältnis der Befriedigung der Forderungen aus der Konkursmasse und die den einzelnen Gläubigern zukommende Summe,

c) ordnet mit Beschluss gemäß des diesbezüglichen Vorschlags die Verteilung des Vermögens an,

d) stellt die Belohnung mit Beschluss fest und ordnet – unter Berücksichtigung der ausgezahlten Vorschüsse – die Auszahlung derselben an,

e) erklärt mit Beschluss das Konkursverfahren für abgeschlossen und den Schuldner für aufgelöst

binnen 30 Tagen ab Ablauf der Frist zur Einreichung der Einwendungen.

(2) Gegen den Aufhebungsbeschluss ist ein Rekurs binnen 8 Tagen zulässig, über den das in zweiter Instanz verfahrende Gericht binnen 30 Tagen entscheidet.

(3) Nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses ordnet das Gericht erster Instanz unverzüglich die Kundmachung des Beschlusses im Firmen-Amtsblatt (Cégközlöny) an und veranlasst gleichzeitig die Löschung der Firma.

(4) Der im Zuge der Verteilung des verbliebenen Vermögens erfolgte Vermögenserwerb ist von der Abgaben- und der Umsatzsteuerpflicht befreit.

§ 78.

Die Belohnung des Masseverwalters beträgt 5 Prozent der Gesamtsumme der Preiseinnahmen der verwerteten Vermögensgegenstände und der eingebrachten Forderungen, aber mindestens 200.000 Forint, zuzüglich 2 Prozent der aus der Weiterführung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners stammenden Preiseinnahmen. Eine gleich hohe Belohnung gebührt dem Masseverwalter auch beim Abschluss eines Vergleichs.

§ 79.

Die Detailregelungen bezüglich der Ergänzung der Belohnung des Masseverwalters und der Bezahlung der nach der Belohnung zu entrichtenden Umsatzsteuer werden vom Finanzminister im Wege der Verordnung erlassen.

ABSCHNITT IV.
Sonstige und Schlussbestimmungen

Spezielle Regeln bezüglich Wohnbaugenossenschaften

§ 80.

Im Falle von Konkursverfahren gegen Wohnbaugenossenschaften sind die im Eigentum der Genossenschaft stehenden Liegenschaften in das Eigentum der einzelnen Wohnungseigentümer beziehungsweise in das gemeinsame Eigentum der Genossenschaftsmitglieder zu übertragen im Verhältnis ihrer Beteiligung. Diese Bestimmung ist auch auf das Vermögen anzuwenden, welches nach Durchführung des Verfahrens übrig bleibt.

Der Verzicht auf einzelne Forderungen

§ 81.

Die zur Einbringung berechtigte Organisation kann im Zuge des Konkursverfahrens auf solche Forderungen verzichten, die dem zentralen Budget, den abgesonderten staatlichen Geldfonds, den Pensionsversicherungs- und den Gesundheitsversicherungsfonds oder der örtlichen Selbstverwaltung zustehen.

Das Verhältnis dieses Gesetzes zu der EU-Regelung

§ 82.

Dieses Gesetz ist mit der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates der Europäischen Union vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren konform.

Die offizielle Abkürzung des Gesetzestitels

§ 83.

Die offizielle Abkürzung des Titels dieses Gesetzes lautet „Fkt".

Inkrafttreten

§ 84

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar ... in Kraft. Seine Bestimmungen sind auf Verfahren anzuwenden, welche nach dem Inkrafttreten eröffnet wurden.

Aufgehobene und modifizierte Rechtsvorschriften

§ 85.

Wird später zusammengestellt.

Vollziehung

§ 86.

Ermächtigt wird

a) die Regierung, um im Wege der Verordnung die Tätigkeit des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds, die Ordnung der Ein- und – als Vollziehung des § 63 – Auszahlungen zu regeln;

b) der Finanzminister, um im Wege der Verordnung die Detailregelungen bezüglich der Ergänzung der Belohnung des Masseverwalters und der Bezahlung des nach der Belohnung zu entrichtenden Umsatzsteuers festzusetzen.

Kodifikation: György Kampis

Begegnungen17-II_Torok-Zumbok

Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 17/II:137–156.

GÁBOR TÖRÖK–FERENC ZUMBÓK

Konzepte zu einem Insolvenzgesetz in Ungarn

 

I. Zur Notwendigkeit eines neuen Gesetzes

Mittlerweile ist es üblich geworden, im Zuge der für einen Beitritt zur Europäischen Union notwendigen Rechtsharmonisierung gleich ganze Rechtsgebiete mit den Normen der Union in Einklang zu bringen. Dies kann die Schaffung eines neuen Gesetzes bedeuten, manchmal genügt auch eine Anpassung oder Erweiterung der bestehenden Normen. Da die EU gleich zwei Richtlinien zum Thema Insolvenzrecht erlassen hat, ist eine Änderung des in Ungarn seit 1991 geltenden Gesetzes (Nr. 49) unvermeidbar.

Bezüglich der Verrechnung zwischen Banken wurde mit der Richtlinie 26/1998 (V. 19.) des Europäischen Rates die Verpflichtung zur sog. Nettoisierung eingeführt. Dieses Prinzip besagt, dass im Zuge der Verrechnung unter in diesem System tätigen Banken keinerlei – sonst durch nationale Konkursgesetze zwingend vorgeschriebene – Sicherheiten bzw. Sicherheitsansprüche die Erfüllung hindern dürfen. Im ungarischen Justizministerium werden bereits Vorbereitungen zu einem für die Harmonisierung notwendigen Gesetzesentwurf getätigt. Zurzeit deutet einiges darauf hin, als ob diese Frage in einer Rechtsquelle außerhalb des Insolvenzgesetzes geregelt werden wird.

Richtlinie 1346/2000, die am 15. 05. 2001 in Kraft tritt, stellt das internationale Konkursrecht auf Unionsebene dar, welches – wie aus obigem Datum ersichtlich – zum Zeitpunkt des Beitritts unseres Landes bereits lebende Rechtsmaterie sein wird. An sich wäre damit eine grundsätzliche Modifikation des ungarischen Konkursgesetzes noch nicht zwingend notwendig, da die Richtlinie ausschließlich Verfahrensrecht enthält: Sie ermöglicht zwar die Einbeziehung mehrerer, in verschiedenen Mitgliedsländern auffindbarer Vermögenswerte desselben Schuldners in ein und dasselbe Konkursverfahren, erlaubt jedoch selbstverständlich auch ergänzende Verfahren in den jeweiligen Mitgliedsländern. Diese werden dann nach dem materiellen Recht des betreffenden Landes abgewickelt.

Trotzdem ist es offensichtlich, dass das gemeinsame Verfahrensrecht eine Annäherung der verschiedenen nationalen, materiellen Rechtsnormen zur Folge haben wird. Es ist sogar anzunehmen, dass – selbst wenn wir untätig bleiben würden – sich das ungarische Konkursrecht innerhalb von vier bis fünf Jahren nach dem Beitritt den anerkannten und angewendeten Normen der anderen Mitgliedsstaaten anpassen würde.

Es sind eher die seit dem Inkrafttreten des Konkursgesetzes auftretenden praktischen Probleme, die uns zu einer Reform veranlassen.

Wie aus einer Wirtschaftsstudie eindeutig hervorgeht, wird unser geltendes Konkursrecht den Ansprüchen, die von den Betroffenen an eine derartige Regelung gestellt werden, nicht gerecht. Weder die Rechtsadressaten (Gläubiger, Schuldner) noch die Anwender (Gerichte, Masseverwalter) sind mit der gegenwärtigen Regelung zufrieden und äußern – vom jeweiligen Standpunkt aus – gewichtige Kritik. Mit etwas Übertreibung könnte man sagen, dass alle Anregungen zusammengenommen bereits die gesamte Materie eines neuen Gesetzes ergeben würden – natürlich mit zahlreichen einander widersprechenden Vorschriften.

Es ist mittlerweile beinahe ein Gemeinplatz, dass das Konkursrecht das gesetzgeberische Werkzeug der jeweils aktuellen Wirtschaftspolitik ist. Dies zeigen neben zwei Novellierungen unzählige kleinere Modifikationen, deren gemeinsames Ziel die Verbesserung des Gesetzes war. Es ist nicht die derzeitige Aufgabe, zur Frage der Auswirkung dieser Änderungen Stellung zu nehmen. Dies wurde bereits von der Praxis und der Fachliteratur getan. Dennoch ist es angebracht anzumerken, dass die Praxis sich bis heute mit vier verschiedenen Rechtsmaterien „herumschlagen” muss, die in gewisser Weise markant voneinander differieren. Dies bürdet den Akteuren zweifellos eine unnötige und unverhältnismäßig große Last auf und erschwert den Abschluss der Verfahren.

Erfreulicherweise hat die ungarische Rechtskodifikation bereits mehrmals der Schaffung formal neuer und einheitlicher Gesetze (Wettbewerbsgesetz, Gesellschaftsgesetz) gegenüber größeren Modifikationen den Vorzug gegeben und damit die Arbeit der Rechtsanwender erleichtert sowie die Durchschaubarkeit des ungarischen Rechtssystems erhöht.

Daher empfehlen wir, auch im Falle des Konkursrechts eine grundsätzliche Neuformulierung anstelle einer Modifizierung.

 

II. Begriffe, Definitionen

Es ist allgemein bekannt, dass die Terminologie des geltenden ungarischen Konkursrechts weder dem nationalen noch dem internationalen Usus entspricht. Das ist an sich noch kein Problem, besteht der an einen Rechtsbegriff gestellte Anspruch doch darin, das betreffende Rechtsinstitut markant und von anderen klar abgrenzbar zu erkennen. Gleichzeitig muss jedoch bei Übersetzungen in andere Sprachen darauf geachtet werden, dass dieser inhaltliche Wert erhalten bleibt.

Der jetzige Sprachgebrauch wird keinem dieser Kriterien gerecht. Im Jahre 1986 war die Verwendung des Begriffes „Konkurs” schon aus politischen Gründen unmöglich, weshalb wir diese Verordnung mit Gesetzeskraft unglücklicherweise „Liquidationsverfahren” nannten. Diese Terminologie blieb leider auch nach dem Systemwechsel bestehen und bewirkte die eigenartige Situation, dass wir bekannte Begriffe für anderes verwenden und somit unserer rechtshistorischen Tradition widersprechen. Weiterhin kann – und das ist das größere Problem – diese Eigenheit den fremdsprachigen Leser verwirren.

Es ist also offensichtlich, dass unsere Terminologie dem internationalen konkursrechtlichen Sprachgebrauch angepasst werden muss.

Unsere Vorschläge:

Wir empfehlen, das Gesetz „Insolvenzgesetz” zu nennen. Die Gründe: In Deutschland ist seit 1. 1. 1999 ein äußerst umfangreiches und sehr gut vorbereitetes Insolvenzgesetz in Kraft, welches im Einflussbereich der deutschen Rechtsdogmatik, somit auch in Ungarn, bereits große Wirkung gezeigt hat. Der Begriff des Insolvenzrechts ist auch in Ungarn gängig geworden.

Weiter empfehlen wir, den Begriff „Liquidationsverfahren” auf „Konkursverfahren” zu ändern. Obwohl das erwähnte deutsche Gesetz diesen Begriff nicht mehr verwendet, ist er in den anderen zwei deutschsprachigen Ländern und in der EU gängig. Mit dieser Änderung würden wir uns also der großen Mehrheit anschließen.

Wir regen zudem an, den Begriff „Endabschluss” beizubehalten. Einerseits ist dieser Ausdruck in der ungarischen Rechtssprache gängig geworden, andererseits gehört er dogmatisch nicht in den Wirkungsbereich des Insolvenzrechtes, womit keine Begriffsproblematik wie im Falle „Konkurs” – „Liquidation” besteht. Obwohl er streng dogmatisch nicht in das Gesetz gehört, sollte er innerhalb dessen Wirkungsbereichs gehalten werden: Wir treten hier in Folge für radikale Änderungen im Zuge der Neuregelung dieses Verfahrens ein und meinen, dass in diesem Fall der strengen Dogmatik gegenüber der Vermeidung von Missverständnissen der Vorzug zu geben ist.

 

III. Ziele des Gesetzes

Im Zuge der praktischen Erfahrung konnten an der derzeitigen Regelung vor allem aus wirtschaftlicher Sicht erhebliche Mängel festgestellt werden. Das neue Gesetz soll eine vergleichsweise schnelle und einfache Anwendung ermöglichen und darüber hinaus durchschaubar und berechenbar sein. Gegebenenfalls muss auch auf den Automatismus der Verfahren Rücksicht genommen werden.

In Hinblick auf das heutige ungarische Wirtschaftsleben sollte der Schwerpunkt auf das Primat der Gläubigerinteressen gelegt werden. Darunter verstehen wir Folgendes: Theoretisch ist es unbestritten, dass das Insolvenzrecht die normalen schuldrechtlichen Bande durchschneidet und an ihre Stelle im Augenblick der Konkurseröffnung eigene verfahrensrechtliche Regeln setzt. Jedoch darf nicht vergessen werden, dass es sich hier um ein spezielles Rechtsverhältnis handelt: Der Schuldner bestreitet in der Regel nicht Bestand oder Summe der Forderung, er vermag sie lediglich nicht zu erfüllen.

Tatsache ist, dass sich – aus volkswirtschaftlichen Überlegungen heraus – die Rechtsentwicklung im Verlauf der letzten 100 bis 150 Jahre dahingehend geändert hat, den Schuldner zu begünstigen, wobei entsprechende Lösungen zum Nachteil der Gläubiger ausfielen. Jedoch entspricht die systematische Benachteiligung der Gläubigerinteressen nicht den Prinzipien der Rechtsordnung und kann darüber hinaus zu Beeinträchtigungen der normalen Schuldverhältnisse führen. Wirtschaftsstudien belegen, dass das neue ungarische Insolvenzgesetz grundsätzlich eher zum Vorteil der Gläubiger Partei ergreifen sollte. Die Begünstigung ihrer Interessen sollte sich jedoch nicht nur in der größtmöglichen Befriedigung der Gläubigerforderungen erschöpfen; vielmehr sollte dem Gläubiger zu diesem Zweck bei Bedarf und Sinnhaftigkeit eine aktive Rolle in der Reorganisation des Schuldners ermöglicht werden.

 

IV. Konzeptionelle Änderungen

1. Praktische Analysen belegen eindeutig, dass in Ungarn außerordentlich viele Konkursverfahren eröffnet werden. Die Gläubiger missbrauchen diese rechtliche Möglichkeit als psychologische Drohung und verursachen damit die unnötige Arbeitsbelastung der Gerichte und eine Wertinflation dieser Rechtsinstitution. Deshalb erscheint die Erschwerung der Einleitungskriterien von Konkurs- verfahren mittels Rechtsvorschriften sinnvoll. Erste Schritte in diese Richtung wurden durch eine am 1. September 2001 in Kraft tretende Gesetzesänderung getätigt: nach diesem Datum soll die Einleitung eines Verfahrens in jedem Fall 40.000,- Forint kosten.

Um diesen Weg weiterzugehen, empfehlen wir, dass der Schuldner in bestimmten Fällen selbst zur Einleitung des Verfahrens gegen sich verpflichtet wird. Bezüglich der Gläubiger sollte eine Mindesthöhe der Forderungen eingeführt werden.

2. Die derzeitige Regelung setzt die Bedeutung von Sicherheiten, die in dinglichen Rechten bestehen, herab. Dies führt zu wirtschaftlichen Dissonanzen. Unserem Konzept – in dem die Begünstigung der Gläubigerinteressen einen Eckpfeiler darstellt – folgend, schlagen wir vor, das Vermögen des Schuldners nach zwei unterschiedlichen Kriterien zu beurteilen. Mit den Wertgegenständen, für die eine dingliche Sicherheit besteht, soll der dieses dingliche Recht innehabende Gläubiger seine Forderungen unmittelbar befriedigen können (Aussonderungsrecht). Wenn die Verwertung der Sicherheit die volle Höhe der Forderung abdeckt, erlischt der Gläubigerstatus des mit dem Aussonderungsrecht ausgestatteten Gläubigers, ein eventueller Mehrerlös fließt in die Konkursmasse ein. Reicht der Erlös jedoch nicht aus, so wird dieser Gläubiger für die Höhe der Restforderung zum „Normalgläubiger” und tritt in die Rangordnung der Gläubigerbefriedigung ein.

3. In vielen Fällen verursacht die Auszahlung berechtigter Entgeltansprüche von ArbeitnehmerInnen erhebliche Schwierigkeiten. Wenn dafür Deckung gegeben ist, können selbst gesicherte Forderungen nicht in voller Höhe erfüllt werden. Sollte unser oben formulierter Vorschlag (Punkt 4. 2) Anwendung finden, könnte dies aber bewirken, dass die Erfüllung von berechtigten Entgeltansprüchen der ArbeitnehmerInnen noch mehr gefährdet wird. Es könnte nämlich passieren, dass der Großteil des Schuldnervermögens an einen Gläubiger mit gesichertem Befriedigungsrecht ausbezahlt wird. Um sowohl die berechtigten Entgeltansprüche als auch die Begünstigung von Gläubigerinteressen zu wahren, schlagen wir die Errichtung eines Fonds vor. Der Fonds sollte von der Ungarischen Staatsschatzkammer geführt werden. Er würde durch Einzahlung eines bestimmten Prozentsatzes des durch den Arbeitgeber ausbezahlten Arbeitsentgelts gespeist. Auf diesem Wege würde der Fonds immer neu gefüllt und auch die berechtigten Entgeltforderungen der ArbeitnehmerInnen wären gesichert. Bei vorübergehender Abschöpfung des Fonds könnte er durch kurzfristige Umstrukturierung des Staatsbudgets – bei Rückzahlungspflicht – wieder Liquidität erlangen.

Dies würde zwar naturgemäß die Arbeitskraft weiter verteuern, doch würden sich die die ArbeitgeberInnen belastenden Kosten rentieren: Da die gesicherten Forderungen in diesem System tatsächlich garantiert wären, könnte eine größere Bereitschaft der Banken zur Vergabe von Krediten und eine Senkung der Kreditzinsen erwartet werden.

4. Nach geltendem Recht wird der Masseverwalter vom Gericht bestellt. Der Kreis der bestellbaren Masseverwalter wird durch die Regierung auf dem Wege der Verordnung festgelegt. Die Aufnahme in das Verzeichnis der Masseverwalter erfolgt durch öffentliche Ausschreibung.

Die Verordnung über die Masseverwalter bedarf keiner besonderen Modifikation. Hingegen müsste die Art und Weise der Bestellung der Masseverwalter in Zukunft geändert werden. Die Gerichte müssen zurzeit nur einen Umstand bei der Bestellung berücksichtigen, nämlich dass der zu bestellende Masseverwalter im obigen Verzeichnis aufscheint. Das bedeutet derzeit etwa 120–130 berechtigte Organisationen.

Anweisung Nr. 123/1963 über die Zivilprozessordnung besagt, dass bei Einleitung eines Konkursverfahrens die Ermittlung des zu bestellenden Masseverwalters mittels eines Computerprogramms zu erfolgen hat. Dieses Programm empfiehlt – unter Rücksichtsnahme auf die Reihenfolge der im Verzeichnis aufscheinenden Organisation sowie auf deren Auslastung – die im Zuständigkeitsbereich des Gerichtes registrierten oder tätigen Masseverwalter.

Diese Anweisung über die Prozessordnung wirft zahlreiche Probleme auf. Die Regelung erwähnt den im „Zuständigkeitsbereich des Gerichtes registrierten” Masseverwalter. Dieser Begriff ist rechtlich weder eindeutig noch zu klären. Die Verordnung sieht nämlich die Bestellbarkeit der im Verzeichnis aufscheinenden Masseverwalter für jedes Gericht des Landes vor. Eine derartige Nomenklatur wie die Gruppe der „im Zuständigkeitsbereich des Gerichtes registrierten” Masseverwalter existiert in keiner Rechtsvorschrift.

In der Praxis „registrieren” die sich mit Konkursverfahren befassenden Gerichte eigenmächtig zehn bis dreißig der über hundert Masseverwalter in den Zuständigkeitsbereich des Gerichtes hinein. Das Tätigwerden anderer Masseverwalter ist ausgeschlossen. Auch für die Bestellung der Masseverwalter haben die Gerichte mehrere Methoden: Auf dem Wege des sog. Automatismus werden die Masseverwalter von besagtem Computerprogramm schematisch, in einer fixen Reihenfolge bestellt. Es wird also weder auf ihre Qualifikation noch auf ihre praktische Erfahrung Rücksicht genommen. In diesem Falle kann wohl kaum angenommen werden, dass das betreffende Gericht bzw. der das Verfahren leitende Richter unter Rücksichtnahme aller maßgebenden Umstände den Verwalter mit der größten fachlichen Qualifikation und Vorbereitung bestellt.

Die andere Methode ist, dass das Gericht tatsächlich auf die Umstände des Falls, die wirtschaftlichen Eigenheiten des Schuldners und die Qualifikation des Masseverwalters Rücksicht nimmt und versucht, die bestmögliche Wahl zu treffen. Leider hat auch diese Methode einen Haken: Immer häufiger werden Gerichte ungerechtfertigterweise der Bevorzugung einzelner Masseverwalter verdächtigt.

Um selbst den Anschein einer solchen Bevorzugung zu vermeiden, sollte statt der schematischen oder automatischen Bestimmung ein gänzlich neues Auswahlsystem gefunden werden.

Sowohl aus der Praxis als auch während diverser Vorträge wurde der Vorschlag geäußert, dass der Schuldner über die Bestellung eines bestimmten, ihm günstig erscheinenden Masseverwalters entscheiden können soll. Dies erscheint jedoch nicht praktikabel, wenn man bedenkt, dass der Schuldner erhebliche Interessen daran hat, dass weitere Vermögensteile aus dem Restvermögen „gerettet” werden. Würde man diesem Vorschlag folgen, würde immer die Möglichkeit oder der Anschein bestehen, dass Schuldner und Masseverwalter „zusammenspielen”.

Unser Meinung nach könnte die Bestellung des Masseverwalters mit der folgenden Methode am besten und objektivsten bewerkstelligt werden: Unter Rücksichtnahme auf die vertrauliche Natur der Angelegenheit sollte die Bestellung in die Hände des Gläubigers bzw. des Gläubigerausschusses gelegt werden. Die Aufgabe des Gerichtes wäre danach lediglich die Einsetzung des so bestimmten Masseverwalters nach Feststellung der Zahlungsunfähigkeit.

Vorstellbar ist auch jene Variante, in der der Gläubiger mit Stattgabe oder Einverständnis des Landesvereins der Masseverwalter einen die Person des Masseverwalters betreffenden Vorschlag unterbreitet.

Würde man sich für diese Konstruktion entscheiden, müsste auch die Möglichkeit einer eventuellen Abberufung eines so bestellten Masseverwalters während des laufenden Konkursverfahrens überlegt werden.

Nach geltender Regelung ist eine Abberufung während des Verfahrens praktisch unmöglich.

Sollte der Gesetzgeber im Zuge einer Gesetzesänderung die Stellung des Gläubigerausschusses aufwerten wollen, so sollte auch darüber entschieden werden, unter welchen – streng bestimmten – Kriterien bei Vorliegen der im Gesetz genannten Gründe der Gläubiger oder der Gläubigerausschuss den bestellten Masseverwalter wieder abberufen kann.

5. Die kritischste Phase des derzeitigen Konkursverfahrens ist jene, in welcher das Gericht die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners feststellt, den Masseverwalter bestellt und der Schuldner daraufhin gegen die Entscheidung des Gerichts Berufung einlegt. Diese Berufungen sind – so besagen Erhebungen – rein formeller Natur. Die Intention des Schuldners ist nichts anderes, als in der so gewonnenen Zeit das Vermögen der Gesellschaft „beiseite” zu schaffen. Obwohl dies die Interessen der Gläubiger schwer verletzt, können die Rechtsanwender nichts gegen diese Praxis unternehmen.

Eine Analyse dieser Fälle zeigt, dass im Durchschnitt anderthalb Jahre vergehen, bis der Oberste Gerichtshof die letzte Entscheidung trifft. Er bestätigt in neunzig Prozent der Fälle die Entscheidung der Erstgerichte und gibt den Berufungen nicht statt. In diesen anderthalb Jahren können unredliche Eigentümer bzw. die Organe der verschuldeten Gesellschaft den untätig wartenden Gläubigern enorme Schäden verursachen.

Diese unglücklichen Zustände ließen sich unser Meinung nach mit der Einführung eines einzigen neuen Rechtsinstitutes beseitigen: Das Gericht sollte unmittelbar nach Einleitung des Liquidationsverfahrens einen „provisorischen Masseverwalter” bestellen. Die Aufgaben des provisorischen Masseverwalters wären – ohne ins Detail zu gehen – die Wahrung der Gläubigerinteressen und die Beobachtung der wirtschaftlichen Aktivitäten des Schuldners, bis das Gericht – auf Antrag der Gläubiger – den endgültigen Masseverwalter bestellt hat. Desweiteren sollte er sich über die wirtschaftliche Lage des Schuldners eine Übersicht verschaffen, indem er dessen Vermögenslage, Bücher, Kasse, Wertpapier- und Warenbestand, Verträge und Bankkonten prüft beziehungsweise von den Organen der Gesellschaft Aufklärung verlangt. Über die Resultate sollte er die Gläubiger oder den Gläubigerausschuss kontinuierlich unterrichten.

Wir halten es für überlegenswert, die vermögensrelevanten Verpflichtungen des Gemeinschuldners ab dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung an die Zustimmung des Masseverwalters zu knüpfen.

Durch die Bestellung eines provisorischen Masseverwalters würde der Schuldner weder Schaden erleiden noch in eine ungünstige Lage geraten. Wird das Konkursverfahren vom Handelsgericht oder vom Schuldner selbst initiiert, spricht natürlich nichts gegen eine derartige Einschränkung der Rechte des Schuldners. Hat hingegen der wirtschaftliche Rivale des Schuldners das Verfahren beantragt, könnte er theoretisch die Tätigkeit des provisorischen Masseverwalters – die den Schuldner auf jeden Fall einschränkt – missbrauchen, um den Schuldner in eine unangenehme und peinliche Lage zu bringen. Unser Vorschlag für diesen Fall: Wird das Verfahren vom Gericht eingestellt, weil der Schuldner nicht zahlungsunfähig ist, soll der Gläubiger, der das Verfahren in schädigender Absicht beantragt hat, dem Schuldner gegenüber schadenersatzpflichtig werden. Der provisorische Masseverwalter würde seine Funktion ohnehin nur bis zur Bestellung des endgültigen Masseverwalters ausüben, womit die Möglichkeit des unbegründeten Zeitgewinnens durch „Scheinberufungen” praktisch ausgeschlossen wäre.

6. Die derzeitige Regelung und Praxis des Gläubigerausschusses erreicht nicht die vom Gesetzgeber ursprünglich gesteckten Ziele. In der überwiegenden Zahl der Fälle werden erst gar keine Gläubigerausschüsse gebildet oder sie bleiben untätig. In anderen Fällen nehmen die gebildeten Ausschüsse bloß formale Aufgaben wahr. Daher plädieren wir dafür, die Bildung von Gläubigerausschüssen künftig zwingend vorzuschreiben. Wenn die Anzahl der Gläubiger nicht die minimal geforderten drei erreicht, würden die Gläubiger automatisch zum Mitglied des Ausschusses. Der Gläubigerausschuss beziehungsweise die Gläubiger könnten den Masseverwalter nach eigenen Vorstellungen nominieren. Bei Vorliegen bestimmter Kriterien hätten sie auch die Möglichkeit, diesen abzuberufen.

Die Rolle des Gläubigerausschusses im Verfahren sollte auf jeden Fall aufgewertet werden. Die Einführung der angelsächsischen Handhabung, die die Verwertung der Vermögensgegenstände zur Aufgabe des Gläubigerausschusses macht, ist überlegenswert. Das Tätigkeitsfeld des Masseverwalters wäre indes reduziert: die Eintragung der Gläubigerforderungen ins Anmeldungsverzeichnis und deren Einreihung, die Erledigung der mit einem eventuellen Ausgleich verbundenen Aufgaben, die Geltendmachung der Forderungen/Außenstände des Schuldners gehörten hier dazu. Rechtlich unproblematisch ist es auch, wenn die Gläubiger bzw. der Gläubigerausschuss wiederum den Masseverwalter oder einen Dritten mit der Verwertung des Vermögens beauftragt. Unser Vorschlag würde jedoch die Verwertung des Schuldnervermögens schneller, einfacher und effizienter machen. Darüber hinaus könnten so Gerüchte und Annahmen, die zurzeit darauf hinweisen, dass Masseverwalter die Verfahren absichtlich in die Länge ziehen beziehungsweise zu unerwünschten vermögenswerten Vorteilen kommen, hinangehalten werden. Damit könnte auch jener bedenklichen Praxis begegnet werden, welcher sich Masseverwalter beinahe ausnahmslos bedienen. Nämlich dass sie – mit einigen Ausnahmen – regelmäßig Sachgegenstände (vor allem Fahrzeuge) des Schuldners ohne jegliches Entgelt benützen und damit den Gläubigern erheblichen Schaden zufügen.

Im Zuge einer Neuregelung müssten den Gläubigern bzw. dem Gläubigerausschuss also wesentlich mehr Rechte während des gesamten Verfahrens eingeräumt werden. Vor allem sollte der Masseverwalter verpflichtet sein, den Gläubigern von den gegebenen Abschnitten des Verfahrens kontinuierlich – nach einem festgelegten Schema – zu berichten.

7. Durch die Bearbeitung der Berufungen werden Verfahren oftmals sehr in die Länge gezogen. Obwohl wir mit der Bestellung eines provisorischen Masseverwalters bzw. der Einführung dieser Institution auf die Problematik rund um den ersten Abschnitt des Verfahrens eine uns als sinnvoll erscheinende Lösung anbieten, können wir dies nicht im Falle der durch die Berufungen verursachten Verzögerungen tun.

Werden Entscheidungen des Masseverwalters angefochten, entscheidet jenes Gericht, welches das Konkursverfahren eingeleitet hat. Diese Entscheidungen können selbstverständlich auch noch vom Obersten Gerichtshof überprüft werden. Die Verfahren dauern also noch länger als die zuvor erwähnten.

Als Variante A kann vorgeschlagen werden, dass Konkursverfahren nicht von Komitatsgerichten abgewickelt, sondern zukünftig die städtischen Gerichte in den Komitatshauptstädten für zuständig erklärt werden. So könnten die Komitatsgerichte und das Hauptstädtische Gericht in Budapest die Berufungen rasch erledigen.

Variante B: Berufungen gegen einzelne Entscheidungen, die im Zuge von Anfechtungen gefällt werden, die die Tätigkeit des Masseverwalters betreffen, sollen während des Verfahrens nicht mehr möglich sein. In solchen Fällen könnte die Berufung erst gegen das fallentscheidende Urteil eingebracht werden.

8. Wie sich in der Praxis zeigt, wird oft erst nach Eröffnung des Konkursverfahrens bekannt, dass das Schuldnervermögen nicht einmal zur Deckung der Verfahrenskosten ausreicht. Dieser Umstand bereitet zahlreiche Probleme. So werden nicht nur Gerichte umsonst belastet, sondern es entstehen den Masseverwaltern darüber hinaus überflüssige Kosten. Deshalb empfehlen wir die Wiedereinführung der aus dem ungarischen Konkursgesetz aus dem Jahre 1881 bekannten und damals gut bewährten Lösung, dass nämlich beim Fehlen eines nicht einmal kostendeckendem Vermögens das Verfahren abgewiesen wird. So würden die Akteure vor viel unnötiger Arbeit bewahrt, gleichzeitig könnte mit der Institution eines provisorischen Masseverwalters der Schuldner am „Beiseiteschaffen” seines Vermögens gehindert werden.

9. Es ist allgemein bekannt, dass das Gesetz 2000/137 den pfandrechtlichen Abschnitt des BGB neu kodifiziert und in § 266 den Begriff des „vermögensbelastenden Pfandrechts” eingeführt hat. Das Rechtsinstitut wird im Absatz 1 beschrieben: „Bei Vermögen oder dessen als wirtschaftliche Einheit funktionierenden Teilen (Vermögen) juristischer Personen oder Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit kann ohne Angabe der das Vermögen bildenden Sachen, Rechte und Forderungen (Vermögensteile) – mit der notariellen Beurkundung des Pfandvertrags und der Aufnahme des Pfandrechts in die Pfandrechtsregistratur – ein das Vermögen belastendes Pfandrecht begründet werden. Dieses Pfandrecht erstreckt sich nach Abschluss des Pfandvertrags auch auf Vermögensteile, die in das Vermögen des Pfandschuldners gelangen, ab dem Zeitpunkt in dem der Pfandschuldner Verfügungsberechtigung über sie erlangt; es erlischt aber, wenn der Vermögensteil das Vermögen des Pfandschuldners verlässt.”

Bei Einführung eines Aussonderungsrechtes ist es logisch, dass der Gläubiger, der über ein das Vermögen belastendes Pfandrecht verfügt, eigentlich alleine ist, da das gesamte Schuldnervermögen für seine Forderung haftet. Würde ein Konkursverfahren eröffnet, gäbe es so nur einen Gläubiger, da die auf mehrere Gläubiger ausgelegten Verfahrensregeln obsolet werden. Wir empfehlen, dass in solchen Fällen keine Konkurs-, sondern – wenn sich der Gläubiger dafür entscheidet – nur Ausgleichsverfahren eröffnet werden können. Es ist dem Gläubiger nämlich zumutbar, dass er die Tätigkeit des Schuldners verstärkt verfolgt, was den Vorteil hätte, dass die Gesellschaft etwa durch wirtschaftliche Neuorganisation noch rechtzeitig wieder auf die Beine gestellt werden kann. In diesem Fall – aber auch in anderen Fällen des Ausgleichs – müsste der tatsächliche Einfluss des Gläubigers auf die tägliche wirtschaftliche Tätigkeit des Schuldners gestärkt werden.

Bei dieser Frage darf die Stellung in der Rangordnung nicht unerwähnt bleiben. Stehen in der Rangordnung noch andere Gläubiger vor dem Gläubiger, der über ein das Vermögen belastendes Pfandrecht verfügt, so dürfen diese nicht benachteiligt werden. In diesem Fall muss Letzterer für die Befriedigung der Forderungen der in der Rangliste vor ihm stehenden Gläubiger sorgen. Dies kann im Zuge des Ausgleichsverfahrens aus dem Vermögen des Schuldners erfolgen. Auch die Möglichkeit, dass der Gläubiger, der über ein das Vermögen belastendes Pfandrecht verfügt, mit eigenen privatrechtlichen Mitteln eine Einigung mit den anderen, vor ihm in der Rangliste stehenden Gläubigern erzielt, ist nicht undenkbar.

10. Wie unter 4. 9 bereits erwähnt, halten wir die Stärkung der Berechtigungen des Gläubigers im Zuge eines Ausgleichsverfahrens bei der wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners für sinnvoll. In diesem Zusammenhang können wir zwischen zwei Lösungen wählen. Die eine ist die derzeitige Regelung, die mit der Führung durch den Schuldner und einen Ausgleichsverwalter operiert. In der anderen Variante bekämen die Gläubiger das Recht, einen Ausgleichsverwalter zu bestellen, der für die Abwicklung des Ausgleichs verantwortlich zeichnet.

11. Das Gesetz aus dem Jahre 1997 über das Gesellschaftsrecht hat den Rahmen des Rechtsinstituts der beschränkten Haftung in Konkursfällen theoretisch bereits gesprengt. Doch war die Anhebung des Stamm- bzw. Grundkapitals in Gesellschaften mit Rechtspersönlichkeit nicht nur mit der Inflation, sondern auch dem verstärkten Schutz der Gläubigerinteressen begründet. Davon ausgehend halten wir es für überlegenswert, dass wenn in einem Konkursfall kein Stamm- oder Grundkapital zur Verfügung steht und die Gesellschaft kein Konkursverfahren gegen sich beantragt, die beschränkte Haftung erlöschen soll.

12. Bezüglich der Endabschlüsse kann festgehalten werden, dass die Verfahren dermaßen kompliziert sind, dass kapitalschwächere Gesellschaften sich einen solchen Schritt mehrmals überlegen müssen. Entgegen der ungarischen Praxis und Gesetzgebung gehört in den Mitgliedsländern der EU der Endabschluss nicht in den Wirkungsbereich der Konkursgesetze. Das hat verständliche dogmatische Ursachen. Dieses Thema wird als finanz- bzw. gesellschaftsrechtliche Frage behandelt und ohne eigenes Spezialverfahren gelöst. Die Übernahme dieser Handhabung halten wir für sinnvoll. Im Sinne unseres Vorschlags blieben die materiell-rechtlichen Vorschriften die Entscheidung über das Verfahren betreffend erhalten, hingegen würden die Regelung über die Bestellung eines Endabrechners und die zwingend vorgeschriebene Verfahrensordnung aufgehoben. Die Geschäftsführung gibt die Entscheidung dem Handelsgericht bekannt und beantragt die Veröffentlichung. Daraufhin sollte die Abschlussbilanz und der Vorschlag zur Vermögensverteilung ohne jegliches formelles Verfahren bis zu dem von den Eigentümern bestimmten Termin fertig gestellt und ebenfalls von der Geschäftsführung dem Handelsgericht mit dem Antrag auf Löschung aus dem Firmenbuch übergeben werden. Die Berechtigungen von Endabrechnern, die heute noch geltendes Recht darstellen, würden somit obsolet. Diese Variante erscheint sinnvoller, da der Endabschluss eine an sich souveräne Entscheidung des Eigentümers ist, mit der die „Außenwelt” nicht viel zu tun hat. Es gibt keinen reellen Grund dafür, dass wir in solche gewöhnlichen schuldrechtlichen Verhältnisse mit den Mitteln des Rechts einwirken. Andererseits setzt unser Vorschlag voraus, dass zukünftig ausschließlich dann ein Endabschluss eingeleitet wird, wenn keine Gefahr der Zahlungsunfähigkeit besteht und die Gesellschaft all ihre bestehenden schuldrechtlichen Verhältnisse mit den Mitteln des Privatrechts ordnen kann.

Selbstverständlich kann es vorkommen, dass die Existenz einer Forderung bekannt wird, von der die Organe der Gesellschaft selbst bei größter Sorgfalt keine Kenntnis haben konnten. Um solche Fälle zu lösen, empfehlen wir, dass die Eigentümer der auf dem Wege des Endabschlusses aufgelösten Gesellschaft ein Jahr lang, vom Zeitpunkt der Löschung gerechnet, bis zum Wert des aufgeteilten Vermögens für derartige Forderungen haftbar sein sollen. Mit Ablauf dieser Frist würde die Forderung erlöschen. Anderenfalls wäre das Prinzip der Sicherheit gefährdet.

 

V. Aufbau des Gesetzes

Als Einführung jeder bedeutungsvolleren Kodifikation ist es angebracht, die Ziele des Gesetzgebers in einer Präambel darzustellen. Diesbezüglich empfehlen wir die Präambel zu erweitern: Sie soll Sinn, Inhalt und Ziele beider Verfahren darstellen und das Verhalten beschreiben, das zu zeigen die teilnehmenden Akteure verpflichtet sind. Der Grund für eine Erweiterung der Präambel ist, dass beide Verfahren schweren Missbrauch ermöglichen (dies kann selbst mit der strengsten Regelung nicht vermieden werden) und die allgemeinen Begriffe des BGB zur Haftung hier wahrscheinlich nicht ausreichen, weil in diesen Fällen die Messlatte der erhöhten Sorgfalt vor den Parteien gestellt werden muss.

5. 1 Wie auch das geltende Gesetz beginnt die neue Rechtsvorschrift
mit Begriffsdefinitionen und materiell-rechtlichen Normen:

5. 1. 1 Geltungsbereich des Gesetzes

Was diesen Punkt betrifft, so besteht ein ständig wiederkehrendes, praktisches Problem darin, dass das geltende Gesetz den Begriff der „wirtschaftenden Organisation” als Terminus technicus verwendet und diesen mit der Aufzählung solcher Organisationen auch erklärt. Daraus ergibt sich aber, dass bei jeder weiteren Formation, auf die der Gesetzgeber den Geltungsbereich des Gesetzes erstrecken will, eine sofortige Gesetzesänderung nötig wird. Wenn man bedenkt, dass sich im Zuge der Kodifikationsarbeiten zum BGB herauskristallisiert hat, dass der Begriff der „wirtschaftenden Einheit” – wohl bemerkt zum Glück – zur Verbannung aus der ungarischen Rechtssprache verurteilt wurde, ist es empfehlenswert, ihn ins neue Insolvenzgesetz gar nicht erst aufzunehmen. Da das Konkursrecht das Recht der Geschäftstreibenden ist, könnte folgende Definition Verwendung finden: „Der Geltungsbereich des Gesetzes erstreckt sich auf die sich geschäftsmäßig mit wirtschaftlicher Tätigkeit befassenden juristischen und nicht-juristischen Personen.” Diese Begriffsdefinition erscheint geeignet, auch Organisationen in den Geltungsbereich des Gesetzes einzubeziehen, die nur sekundär eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Wir denken hier in erster Linie an Vereine und Stiftungen. Die konkursrechtliche Behandlung dieser Organisationen bereitet dem ungarischen Gesetzgeber von jeher Probleme. Dies wäre mit unserem Vorschlag gelöst. Selbstverständlich sind hierfür auch andere Modifikationen notwendig: So müsste das AGB um eine Haftungsregelung erweitert werden, die die volle und unbeschränkte privatrechtliche Haftung der entscheidungstragenden Organe vorschreibt, wenn infolge deren Tun im Bereich des geschäftsmäßigen wirtschaftlichen Tätigkeit der Vereine und Stiftungen eine Konkurssituation auftritt.

Andererseits muss selbstverständlich als Hilfsregel der Begriff der „geschäftsmäßigen wirtschaftlichen Tätigkeit” mit Inhalten erfüllt werden.

5. 1. 2 Der Schuldner

Vom Schuldner können wir nur während des Konkurs- bzw. Ausgleichsverfahrens im vollen rechtlichen Sinn sprechen. So empfehlen wir die Beibehaltung der jetzigen Regelung, nach der der Schuldner jene Person ist, die ihre Verbindlichkeit(en) zum Zeitpunkt deren Fälligkeit nicht erbringen kann oder vermutlich nicht wird erbringen können.

5. 1. 3 Der Gläubiger

Gläubiger ist die Person, die eine Vermögenswertforderung gegen den Schuldner stellt, welche vom Masseverwalter in das Anmeldungsverzeichnis eingetragen wurde.

Gläubiger mit Aussonderungsrecht ist derjenige, der dem Schuldner gegenüber über ein dingliches Sicherungsrecht verfügt.

5. 1. 4 Das Vermögen

Alle Vermögenswerte, an denen der Schuldner im Sinne des BGB Eigentumsrecht hält. Hierzu gehören auch unbefristete oder länger als zehn Jahre bestehende Mitrechte sowie an einzelnen Vermögenswerten haftende Nutzungsrechte.

5. 1. 5 Die Konkursmasse

Die Konkursmasse ist der Teil des Schuldnervermögens, der nicht mit dinglichen Sicherungsrechten behaftet ist.

5. 2 Das Konkursverfahren

5. 2. 1 Die Einleitung des Verfahrens

Mit dem geltenden Recht übereinstimmend kann das Verfahren vom Schuldner selbst oder von den Gläubigern eingeleitet werden. Unsere Änderungsvorschläge betreffen den Zeitpunkt und die nötigen Kriterien.

Wir empfehlen, dass der Schuldner zur Einleitung des Verfahrens verpflichtet sein soll, wenn er Rechtspersönlichkeit hat und im überwiegenden Teil des vorangegangenen Wirtschaftsjahres über kein Stamm- oder Grundkapital verfügte oder wenn seine öffentlichen Schulden gleich hoch sind wie sein Kapital. Auch Mehrwertsteuer- oder Beitragsschulden zur Sozialversicherung gehören hier dazu. Im Falle von Beitragsschulden zur Sozialversicherung kann es auch zur strafrechtlichen Haftung kommen, da die Summe der Sozialversicherungsbeiträge privatrechtlich den ArbeitnehmerInnen gehört. Eine Nichteinzahlung dieser Beiträge kann auch als Unterschlagung gewertet werden.

Der Schuldner kann weiters jederzeit die Einleitung eines Konkursverfahrens gegen sich beantragen, wenn er befürchtet, seine Verbindlichkeiten in Zukunft nicht erfüllen zu können.

Der Gläubiger ist zur Einleitung des Verfahrens berechtigt, wenn seine Forderung fällig ist, deren Höhe einen gewissen Mindestbetrag erreicht und die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bekannt ist.

5. 2. 2 Zahlungsunfähigkeit

Die klassischen Konkursrechte ließen der richterlichen Abwägung in dieser Frage viel Raum, weil sie davon ausgegangen sind, dass strukturelle Probleme, welche die betriebswirtschaftliche Tatsache des Nicht-Zahlens verursachen, möglicherweise behoben werden können. Gleichzeitig nahmen sie auf den Umstand Rücksicht, dass das Konkursverfahren ein drastischer, langwieriger und kostspieliger Eingriff in das Wirtschaftsleben ist und nach Möglichkeit vermieden werden sollte. Es wäre leicht zu verlangen, dass die Richter das Recht der Abwägung zurückerhalten sollen, doch wäre dies angesichts der Arbeitsbelastung der Gerichte wenig zielführend. Gleichzeitig scheint es – so zumindest das Feedback aus der Praxis –, dass die im geltenden Konkursgesetz enthaltenen drei Fälle diese Frage zufriedenstellend normativ lösen. Deshalb empfehlen wir die Beibehaltung der in § 27 Abs. 2 in den Punkten a, b, und c dargestellten Kriterien mit dem terminologischen Unterschied, dass der Schuldner die im Zuge des Ausgleichsverfahrens geschlossene Vereinbarung nicht einhält.

5. 2. 3 Das Verfahren des provisorischen Konkursverwalters

Die unverzügliche Bestellung ermöglicht dem provisorischen Masseverwalter bis Ablauf seines Amtes die wirtschaftliche Situation des Schuldners zu erfassen. Er muss über die Resultate bei der Ermittlung des Schuldnervermögens berichten; weiters darüber, ob die Geschäftsabschlüsse, die höchstens ein Jahr vor Konkurseröffnung abgeschlossen wurden, anfechtbar sind und welchen Erfolg die Anfechtungen versprechen. Kann er diese Tätigkeit erfolgreich ausführen, kann das Verfahren bei der Bestellung des endgültigen Masseverwalters (der auch wieder er selbst sein kann) in eine viel aktivere Phase treten? Der endgültige Masseverwalter kann bei Beginn seiner Tätigkeit bereits auf Informationen zurückgreifen, deren Eruierung sonst viel Zeit in Anspruch genommen hätte.

5. 2. 4 Die Tätigkeit des Masseverwalters

Im Einklang mit den klassischen Konkursrechten und der modernen, international angewandten Praxis bekommt der Masseverwalter Verwaltungs- und Verfügungsberechtigung über die Konkursmasse. Er überwacht die Verwertung der Vermögenswerte (er ist bestreitungsbefugt und kann den Vorgang sogar stoppen) und vollzieht die Absonderung derselben an die Gläubiger, die über Aussonderungsrechte verfügen. Selbstverständlich muss er bei der Verwaltung der Masse eng mit der ehemaligen wirtschaftlichen Führung des Schuldners zusammenarbeiten. Die Verpflichtung zur Erstellung einer Abschlussbilanz durch den letzten Geschäftsführer bleibt erhalten, die Änderung würde lediglich darin bestehen, dass der Masseverwalter diese auch an die Gläubiger übersenden müsste.

Eine der Schwächen des geltenden Gesetzes ist es, dass weder die Gläubiger noch die Schuldner kontinuierlich mit Informationen über den Fortgang des Verfahrens versorgt werden, da der Masseverwalter nur auf Anfrage hin zur Auskunftsleistung verpflichtet ist. Unsere Meinung nach sollte die Verpflichtung zur kontinuierlichen und stetigen Auskunft eingerichtet werden. Im Zuge dessen würden sowohl die Gläubiger und der Gläubigerausschuss als auch die Eigentümer über die einzelnen wirtschaftlichen Ereignisse – z. B. innerhalb von 15 Tagen nach deren Eintritt – mit Informationen versorgt. Die Aufnahme der Gläubigerforderungen ins Anmeldungsverzeichnis würde insofern gleich bleiben, als die Entrichtung der Registrierungsgebühr durch die Gläubiger aufrecht bliebe, obwohl diese Übung dogmatisch sehr fragwürdig erscheint. Jedoch gibt es in diesem Abschnitt des Verfahrens keine andere Liquiditätsquelle, aus der die Tätigkeit des Masseverwalters honoriert werden könnte. Die Entgeltlichkeit der im Wirtschaftsleben verrichteten Arbeit ist hingegen ein marktwirtschaftliches Grundprinzip.

Dies ist der Zeitpunkt, zu dem über die Fortführung des Verfahrens entschieden wird, da sowohl der endgültige Masseverwalter als auch der Kreis der Gläubiger feststeht und die Vermögenssituationen durchschaubar sind. Unabhängig von der Tätigkeit des Masseverwalters empfehlen wir die zwingende Vorschreibung der Bildung eines Gläubigerausschusses innerhalb von 30 Tagen ab Verfahrenseröffnung.

Gemäß Variante 1 umfasst der Gläubigerausschuss die Gläubiger mit den drei höchsten Forderungen; Variante 2 sieht vor, dass dieser Kreis um den Vertreter des kontoführendes Geldinstituts erweitert wird. Nach seiner Bildung übt der Gläubigerausschuss die Kontrollfunktion über die Tätigkeit des Masseverwalters aus: Er muss über die Fortführung oder Einstellung bestimmter Teilgeschäfte und über den Fortgang der Vermögensverwertung informiert werden. Vermögensdispositionen über mehr als 10 Prozent der Konkursmasse sind nur mit Zustimmung des Ausschusses möglich. Selbstverständlich kann der Gläubigerausschuss auch die wirtschaftliche Tätigkeit der über Aussonderungsrecht verfügenden Gläubiger überwachen.

Ist der Gläubigerausschuss mit der Tätigkeit des Masseverwalters unzufrieden, ist er berechtigt, diesen abzuberufen. Es müssen natürlich die normativen Grundlagen geschaffen werden, unter welchen Umständen und nach welcher Aufforderung dies geschehen kann. Auch der abberufene Masseverwalter hat Anspruch auf ein Entgelt – es sei denn, der Gläubigerausschuss kann ihm die Verletzung der gebotenen erhöhten Sorgfaltspflichten nachweisen. Nach Abschluss seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten fertigt der Masseverwalter eine Abschlussbilanz und einen Vorschlag zur Verteilung des Konkursvermögens an. Bis zu diesem Zeitpunkt kann der Gläubigerausschuss jederzeit den Abschluss eines Zwangsausgleichs initiieren, um den Abschluss des Konkursverfahrens, also die Auflösung des Schuldners, zu vermeiden. In dieser Situation ist der Masseverwalter – mit der geltenden Regelung übereinstimmend – zu Verhandlungen mit dem Vertreter des Schuldners befugt. Hingegen erscheint, vom geltenden Recht abweichend, die Befragung des Masseverwalters nach dessen fachlicher Meinung empfehlenswert, ist er doch derjenige, der die Geschäfte des Schuldners in der letzten Zeit geführt hat.

Die klassische Aufgabe des Masseverwalters bleibt aber die Eintragung der Gläubiger in das Anmeldeverzeichnis. Nimmt das Gericht die Abschlussbilanz oder den Vorschlag zur Verteilung des Vermögens an, befreit es den Masseverwalter von seinem Amt und ordnet die Auszahlung seines Entgelts an.

5. 2. 5 Die Rangordnung der Befriedigung

Das hier angeregte System unterwirft die Rangordnung der Befriedigung grundsätzlichen Veränderungen, da die gesicherten Forderungen einen eigenen Befriedigungsmodus erhielten und daher die Masse nicht mehr belasten. So lautet die von uns – unter Aufrechterhaltung der konkursrechtlichen Prinzipien (kein Gläubiger wird vor einem in der Rangordnung vor ihm stehenden Gläubiger befriedigt) – entwickelte Rangordnung wie folgt:

1. Kosten. (Diese Kategorie beinhaltet bereits alle Kosten des Gerichtsverfahrens und das volle Entgelt des Masseverwalters.)

2. Masseforderungen. (Die Masseforderung ist ein altes und bewährtes Institut des Konkursrechts. Hierzu gehören alle Auszahlungen, die praktisch ohne Rechtstitel, aufgrund der Verfügungen des Masseverwalters getätigt worden sind, egal ob die Masse in verpflichteter oder berechtigter Position war. Es ist nämlich leicht einzusehen, dass die zur Fertigstellung von halbfertigen Waren nötigen äußeren Mittel nur gegen Bezahlung von den Lieferanten geliefert werden, weil diese nicht zu Konkursgläubigern werden wollen. So werden derartige Auszahlungen während des Verfahrens laufend getätigt und sind zum Zeitpunkt des Verfahrens bereits erfüllt.)

3. Gewährleistungs- und Garantieansprüche. (Diese Ansprüche entstehen nicht aus wirtschaftlicher Tätigkeit, jedoch sind die Berechtigten aufgrund ihres erhöhten Schutzbedürfnisses in diese erste Gläubigergruppe einzuordnen. Der Masseverwalter muss eine gesonderte Summe bestimmen, die voraussichtlich ausreicht, um derartige Forderungen bis zum Ablauf der Gewährleistungs- bzw. Garantiefrist zu decken. Wird die Summe nicht aufgebraucht, erhöht sie die Quote der anderen Gläubiger.)

4. Öffentliche Schulden, mit Kapital- und gesetzlichen Zinsen gerechnet. (Es ist bekannt, dass hinsichtlich öffentlicher Schulden viele Strafen bzw. Verzugszinsen Aufrechnung finden und die Verpflichteten davon – wegen eines oft nicht ausreichenden Informationsflusses – erst sehr spät Kenntnis erlangen. Es würde den Zielen des Konkursverfahrens widersprechen, die Last solcher oft sehr hoher, manchmal sogar die Höhe der Forderung überschreitender Kosten den anderen Gläubigern aufzubürden. Es erscheint logisch, bei der privilegisierten Befriedigung solcher Forderungen nur mit dem normalen gesetzlichen Zins zu rechnen.)

5. Gesetzlich verzinste Kapitalforderungen von Gläubigern, die als Klein- und Kleinstunternehmen klassifiziert werden können. (Wie das in diesem Themenbereich angesiedelte Gesetz 1999/ XCV. zeigt, ist die Unterstützung von Klein- und Kleinstunternehmen wirtschaftspolitisches Ziel. Besagtes Gesetz liefert eine hervorragende Definition dieser Begriffe. So gilt jedes Unternehmen mit einer Beschäftigtenanzahl von weniger als 50 und einer Nettoeinnahme von höchstens 700 Millionen Forint oder einer Bilanz-Gesamtsumme von höchstens 500 Millionen Forint, an dessen Eigentum der Anteil des Staates oder Gemeinden zusammen nicht mehr als 25 Prozent beträgt, als Kleinunternehmen. Unternehmen, die weniger als 10 Personen beschäftigen und deren Nettoeinnahmen oder Bilanz-Gesamtsumme nicht die für Kleinunternehmen geltende Obergrenze erreichen, sind als Kleinstunternehmen zu klassifizieren.)

6. Sonstige Kapitalforderungen

7. Verzugszinsen

In Summen dürfen gesetzliche Zinsen natürlich nur bis zur Eröffnung des Verfahrens verrechnet werden.

5. 2. 6 Die Verwertung des Restvermögens

Das Gericht legt das Schicksal des Restvermögens nach Annahme der Abschlussbilanz und dem Verteilungsvorschlag in die Hände des Gläubigerausschusses. Hierauf ist der Gläubigerausschuss berechtigt, die Vermögenswerte zu verwerten. Weil sein Interesse, dies zu den höchstmöglichen Preisen zu tun, evident ist, scheint die Beibehaltung der derzeitigen komplizierten Regelung über die Vermögensverwertung erforderlich.

5. 2. 7 Das Entgelt des Masseverwalters

Die oben dargestellte Neuregelung des Konkursrechtes erfordert, sowohl das Entgelt des Masseverwalters als auch dessen Kosten zu überdenken. Da der Masseverwalter am Ende des Verfahrens das Vermögen nicht selbst verwertet, kann der Wert des durch ihn verwerteten Vermögens nicht als Basis seiner Entgeltsberechnung herangezogen werden. Wir meinen, dass das Preisniveau für Beratungen, das sich in letzter Zeit herausgebildet hat, dem Gericht eine gute Grundlage bei der Berechnung des konkreten Entgelts bietet – wobei hier auch die Meinung des Gläubigerausschusses gehört werden sollte. Die Bestimmung des Berechnungsschemas wie auch die detaillierte Auflistung der Kosten, die der Masseverwalter in Anspruch nehmen darf, würde eine Verordnung des Finanzministers erfordern. Dadurch könnte der Gesetzgeber viel schneller und ohne Gesetzesänderung auf eventuelle Preisänderungen reagieren. Als Grundsatz muss festgehalten werden, dass die Tätigkeit des Masseverwalters ein geschäftliches Unternehmen wie jedes andere ist. Ein angemessener Gewinn muss also ermöglicht werden.

5. 3 Das Ausgleichsverfahren

Die Einleitung des Verfahrens kann der Schuldner ohne Beschränkungen, der Gläubiger, der im Sinne des § 266 BGB über ein vermögenbelastendes Pfandrecht verfügt, und jeder andere Gläubiger, dessen dinglich gesicherte Forderung die Hälfte des Schuldnervermögens übersteigt, beantragen.

Das Verfahren beginnt mit der Bekanntgabe vor Gericht. Wird das Verfahren vom Gläubiger eingeleitet, prüft das Gericht nur die persönlichen Daten und verfügt mit seinem Bescheid die Abwicklung des Ausgleichsverfahrens. Das bedeutet gleichzeitig, dass der Schuldner ein dreimonatiges Zahlungsmoratorium bekommt, während die gegen ihn gerichteten Forderungen ohne Verzugszinsen, nach gesetzlichem Zinsfuß verzinst werden. Hat der Schuldner das Verfahren eingeleitet, ist er verpflichtet, innerhalb von zwei Monaten ab Einleitung des Verfahrens einen Ausgleichsvorschlag zu präsentieren, für den er bei der Vergleichsverhandlung das Einverständnis des Gläubigers erbittet. Zur gültigen Erlangung des Einverständnisses könnte man als Alternative zu der zwischen 1991 und 1993 geltenden Regelung zurückkehren, nach der das Einverständnis aller Gläubiger nötig war, oder die heutige, seit 1993 geltende Lösung (Zwangseinigungstechnik) beibehalten, die aber faktisch nicht funktioniert.

Haben die Gläubiger das Verfahren beantragt, gehört die Bestellung eines Ausgleichsverwalters in ihre Entscheidungskompetenz.

Der Schuldner muss sich gemäß Ausgleichsvorschlag verhalten. (Ein wichtiger Punkt, der im Ausgleichsvorschlag festgehalten werden muss.) Jede bedeutende Abweichung stellt automatisch ein Recht auf Konkurseröffnung dar, was den Schuldner zur Einhaltung des Vorschlags motiviert. Die Verwirklichung des Plans kann maximal drei Jahre in Anspruch nehmen. Nach Ablauf dieser Zeit muss das Gericht das Verfahren abschließen beziehungsweise als Konkursverfahren fortsetzen.

Fehlt eine Vereinbarung und die Kriterien der Zahlungsunfähigkeit sind erfüllt, geht das Verfahren ins Konkursverfahren über. Dies ist aber nicht gesichert, da sich die Einleitung eines Ausgleichsverfahrens – diese Meinung wird zumindest von der wirtschaftliche Fachliteratur vertreten – nur bei ferner Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit lohnt. Es kann also leicht passieren, dass der Schuldner zum Zeitpunkt der fehlgeschlagenen Einigung noch zahlungsfähig ist.

 

VI. Schlussbemerkung

Aus dem Genre der Thesen folgt, dass es noch zahlreiche offene Fragen gibt, die erst im späteren Abschnitt der Kodifikation gelöst werden können. Da unser Vorschlag grundlegende Änderungen beinhaltet, müssen noch einige offene Fragen erwähnt werden. Bei den Begriffsdefinitionen (Punkt 2) wird sichtbar, dass das Konzept nicht auf § 4 Abs. 3 des Konkursgesetzes eingeht, der die Liste der nicht zum Vermögen der wirtschaftenden Gesellschaft gehörenden Titel enthält. Wir meinen, dass die Erklärung des Vermögens durch das Eigentum diese Regelung obsolet macht. Es ist auch offensichtlich, dass unter marktwirtschaftlichen Umständen die Frage der Reserven zur Landesverteidigung nicht hierher gehört, obwohl gerade aus demselben Grund ein Konkursverfahren gegen diese Einrichtung möglich wäre. Hier treten aber öffentlich-rechtliche Lösungen in den Vordergrund.

Genauso wenig muss auf den Begriff des Leiters der wirtschaftlichen Organisation eingegangen werden, da dieser durch die Rechtsvorschriften, die die jeweilige Organisationsform regeln, ohnehin definiert wird. Mit großer Freude ließen wir die Passagen über staatliche Unternehmen, Trusts und Tochterunternehmen aus, da diese – obwohl die Begriffe im geltenden Recht noch zu finden sind – faktisch nicht mehr existierende Gesellschaftsformen darstellen. Einen Grund für ihre künstliche, formelle Erhaltung sehen wir nicht.

Weitaus bedeutender jedoch ist die Problematik des Umweltschutzes. Unser geltendes Gesetz enthält hierzu spezielle Bestimmungen. Das ist eine bemerkenswerte Lösung, da dieser Bereich in keinem Land der Union innerhalb des Konkursgesetzes berücksichtigt wird.

Berechtigt nimmt der Umweltschutz eine bedeutende Rolle innerhalb der staatlichen Aufgaben ein. So wurde diesbezüglich ein eigenes Behördensystem aufgebaut und es wird viel dafür getan, dass budgetäre Mittel bereitstehen. Allein die Schätzung von Umweltschäden im Laufe eines Konkursverfahrens kann bereits Kosten in sich bergen, die einen Großteil der zur Verfügung stehenden Mittel aufbrauchen. Die Beseitigung solcher Schäden dauert in der Regel erheblich länger als ein normales „privatrechtliches” Verfahren. In dieser Hinsicht kann das Prinzip der Gefahrtragung in der zivilen Sphäre nach zwei Gesichtspunkten markant unterschieden werden: Es gibt Unternehmen, die im Zuge ihres Umbaus privatisiert wurden und bei denen die Verursachung von Umweltschäden gar nicht oder nicht in jedem Fall bekannt wurde. In dieser Gruppe – die die größere darstellt – ist die Anmeldung von Schadenersatzansprüchen gegen die derzeitigen Eigentümer bzw. deren Gläubigern stark hinterfragbar. Einerseits weil sie in der überwiegenden Zahl der Fälle nichts von Umweltschäden gewusst haben, andererseits weil ihre Verantwortung – soweit eine besteht – nur schwer nachweisbar ist. Anders hingegen bei der Gruppe der neu gegründeten Unternehmen, die zur Aufnahme ihrer Tätigkeit die Erlaubnis der Umweltschutzbehörden einholen müssen. In diesen Fällen handelt es sich nicht um eine konkursrechtliche Problematik, es kann jedoch öffentlich-rechtlich vorgegangen werden.

Die Annahme dieses Konzepts bedeutet eine außerordentlich große Kodifikationsaufgabe. Einerseits muss bestimmt werden, mit welchen Abweichungen das Gesetz auf Geldinstitute anwendbar ist, andererseits wird die Durchführung materiell-rechtlicher Änderungen in anderen, das Wirtschaftsleben regulierenden Gesetzen notwendig.

Gleichzeitig müssen wir der in der Einleitung erwähnten EU-Richtlinie entsprechen, die nur verfahrensrechtliche Aufgaben enthält. Fraglich bleibt natürlich, in welchem Maße die EU-Rechtsquelle bis zu unserem Beitritt modifiziert wird.

Begegnungen17-II_Thurner-Kraft

Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 17/II:86–110.

MARIO THURNER–ANTON KRAFT

Die Sicherung von Arbeitnehmeransprüchen auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts sowie nach Österreichischem Recht

 

Zitierte Literatur: Braun, Zahlungsunfähigkeit im Strafrecht – Auswirkungen der Kridareform, ecolex 2001, 381 ff. Buchberger/Buchberger, Das System der „kontrollierten“ Universalität des Konkursverfahrens nach der Europäischen Insolvenzverordnung, ZIK 2000, 149 ff. Fischer/Köck, Europarecht (Das Recht der europäischen Union, des Europarates und der wichtigsten anderen europäischen Organisationen) 3. Aufl. (1997) 411 f. Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz, 4. Aufl. (1999) 358 ff. Liebeg, Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (Praxiskommentar) 2. Aufl. (1998) passim. Mohr, KO (Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung), MANZsche Große Gesetzesausgabe, 9. Aufl. (2000) 988 ff. Rechberger/Frauenberger, Zur Kopfmehrheit des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds, ZIK 1995, 11 ff. Rechberger/Thurner, Insolvenzrecht (2001) 148 ff. Regierungsvorlage betreffend das Bundesgesetz, mit dem eine IAF-Service GmbH (Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds Service Gesellschaft mit beschränkter Haftung) gegründet wird und das Bundessozialämtergesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, die Konkursordnung und das Bundesfinanzgesetz 2001 geändert werden (666 d.B. XXI. GP). Reich-Rohrwig/Zehetner, Das neue Insolvenzrecht, IRÄG 1997 und IESG (1997) passim. Weber, Arbeitgeberstaat muss Insolvenz-Ausfallgeld für im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer zahlen, Anmerkungen zu EuGH 17. 9. 1997, C-117/96, RdW 1997, 678 f. Weber, EuGH zur Insolvenz-Entgeltsicherung–Anpassungsbedarf in Österreich? ZIK 1998, 118 ff.

 

I. GEMEINSCHAFTSRECHTSLAGE

A. Allgemeine Ausführungen

Auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts der Europäischen Union (EU) sind für den Schutz der Arbeitnehmer(-ansprüche) bei Insolvenz des Arbeitgebers die Richtlinie (RL) 80/987/EWG des Rates vom 20. 10. 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (InsolvenzRL)1 und die RL 2001/23/EG des Rates vom 12. 3. 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (BetriebsübergangsRL)2 von zentraler Bedeutung. Hinzu tritt die – am 31. 5. 2002 in Kraft tretende – Verordnung (VO) des Rates vom 29. 5. 2000 über Insolvenzverfahren (InsolvenzVO)3 (vgl. dazu bei II.E.2.), die für die hier interessierenden Fragen bei grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren von Belang ist.

Um der Fortentwicklung des Insolvenzrechts und des Binnenmarktes Rechnung zu tragen und die InsolvenzRL mit später erlassenen arbeitsrechtlichen Richtlinien der Gemeinschaft sowie mit der jüngsten Rsp des EuGH in Einklang zu bringen, hat die Kommission jüngst einen Vorschlag für eine RL des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der InsolvenzRL (im weiteren Änderungsvorschlag) vorgelegt.4

 

B. InsolvenzRL

Die InsolvenzRL gliedert sich in vier Abschnitte und einen Anhang: Abschnitt I (Art 1 und 2 leg cit) legt den Geltungsbereich fest und enthält die Begriffsbestimmungen, Abschnitt II (Art 3 bis 5 leg cit) enthält die Vorschriften über die Garantieeinrichtungen, Abschnitt III (Art 6 bis 8 leg cit) die Vorschriften über die soziale Sicherheit und Abschnitt IV (Art 9 bis 13 leg cit) Allgemeine Bestimmungen und Schlussbestimmungen. Der Anhang listet die Gruppen von Arbeitnehmern auf, die von den Mitgliedstaaten aus dem Geltungsbereich der InsolvenzRL zulässigerweise ausgenommen wurden.

1. Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen

Die InsolvenzRL gilt für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig sind, wobei die Mitgliedstaaten die Ansprüche bestimmter Gruppen von Arbeitnehmern 1. wegen der besonderen Art des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses oder 2. wegen Bestehens anderer Garantieformen, die den Arbeitnehmern einen Schutz gewährleisten, der dem der InsolvenzRL gleichwertig ist, vom Anwendungsbereich der InsolvenzRL ausschließen können (Art 1 Abs 1 und 2 InsolvenzRL).5 Die InsolvenzRL lässt das einzelstaatliche Recht bezüglich der Bestimmung der Begriffe Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Arbeitsentgelt, erworbenes Recht und Anwartschaftsrecht unberührt (Art 2 Abs 2 InsolvenzRL).

Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn 1. die Eröffnung eines nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehenen Verfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers zur gemeinschaftlichen Befriedigung seiner Gläubiger beantragt worden ist, das die Berücksichtigung der zuvor genannten Arbeitnehmeransprüche gestattet, und 2. die aufgrund der genannten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zuständige Behörde entweder die Eröffnung des Verfahrens beschlossen hat, oder festgestellt hat, dass das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen (Art 2 Abs 1 InsolvenzRL).

Der Änderungsvorschlag sieht für den Abschnitt I der InsolvenzRL eine Präzisierung des Geltungsbereichs sowie die Streichung des Anhangs vor und will den Begriff der Zahlungsunfähigkeit weiter fassen und in Einklang mit den – seit der Schaffung der InsolvenzRL – erlassenen RL bringen. Betreffend den Geltungsbereich besteht – so der Änderungsvorschlag – dadurch, dass die Bestimmung vor allem des Begriffs des Arbeitnehmers (siehe dazu bei II.B.) dem einzelstaatlichen Recht überlassen wird und die Mitgliedstaaten unter den zuvor genannten Voraussetzungen bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern vom Anwendungsbereich ausnehmen dürfen, die Gefahr der Einschränkung des Schutzbereichs der InsolvenzRL. Demzufolge ist im Änderungsvorschlag vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten – abgesehen von zwei im Wirtschaftsverkehr wenig bedeutsamen Ausnahmen6 – Arbeitnehmer wegen der besonderen Art des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses nicht mehr vom Anwendungsbereich ausschließen dürfen. Ausdrücklich als einzelstaatlich nicht ausschließbar werden Teilzeitarbeiter iS der RL 97/81/EG,7 Arbeitnehmer mit befristetem Arbeitsvertrag iS der RL 99/70/EG8 und Arbeitnehmer mit Leiharbeitsverhältnis iS der RL 91/383/EWG9 angeführt.10 Aus einzelstaatlicher Sicht wird diese restriktive Haltung der Kommission zu Ausschlüssen durch Art 10 InsolvenzRL gemildert, der es den Mitgliedstaaten ermöglicht, Maßnahmen zur Bekämpfung von Missbräuchen vorzusehen und die Zahlungs- oder die Garantiepflicht abzulehnen oder einzuschränken.11 Die derzeit noch im Anhang wegen Bestehens anderer (einzelstaatlicher) Garantieformen, die den Arbeitnehmern einen Schutz gewährleisten, der dem der InsolvenzRL gleichwertig ist, explizit – als vom Anwendungsbereich ausgenommen – anzuführenden Gruppen von Arbeitnehmern können nach wie vor ausgenommen werden; es soll durch die Streichung des Anhangs aber die Notwendigkeit zur expliziten Nennung entfallen.

Betreffend den Begriff der Zahlungsunfähigkeit sieht der Änderungsvorschlag vor, dessen Definition aus der InsolvenzVO zu übernehmen, da letzterer Liquidations- und sonstige kollektive Insolvenzverfahren umfasst.12 Durch diese weite Begriffsbestimmung werden – so der Änderungsvorschlag – auch die Ziele der BetriebsübergangsRL (vgl. dazu bei C.) mit denen der InsolvenzRL in Einklang gebracht.

2. Vorschriften über die Garantieeinrichtungen

Zur Gewährung eines gewissen gemeinschaftsrechtlichen (Mindest-)Schutzes13 verpflichtet die InsolvenzRL die Mitgliedstaaten, eine Garantieeinrichtung zu schaffen, welche die Befriedigung der das Arbeitsentgelt betreffenden nicht erfüllten Ansprüche von Arbeitnehmern zahlungsunfähig gewordener Arbeitgeber für einen bestimmten (Mindest-)Zeitraum sicherstellt. Die InsolvenzRL räumt den Mitgliedstaaten das Recht ein, die Zahlungspflicht der Garantieeinrichtungen einzuschränken und eröffnet ihnen deshalb in den Art 3 (sog. Zahlungspflicht) und 4 InsolvenzRL die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Referenz-Zeitpunkten und damit verknüpften Referenz-Zeiträumen zu wählen, um die Garantiepflicht zeitlich begrenzen zu können, wobei der in Art 4 InsolvenzRL festgelegte gemeinschaftsrechtliche (Mindest-)Zeitraum durch die Begrenzung nicht unterschritten werden darf. Der sozialen Zweckbestimmung der InsolvenzRL entspricht es, dass die Mitgliedstaaten für die Garantie der Erfüllung unbefriedigter Ansprüche der Arbeitnehmer eine Höchstgrenze14 festsetzen können (Art 4 Abs 3 InsolvenzRL).

Die den Mitgliedstaaten bei der nationalen Umsetzung zur Wahl stehenden drei Referenz-Zeitpunkte und Referenz-Zeiträume sind (Art 3 Abs 2 iVm Art 4 Abs 2 InsolvenzRL):

1. der Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers; diesfalls muss die Befriedigung der das Arbeitsentgelt betreffenden nicht erfüllten Ansprüche für die letzten drei Monate des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses, die innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten vor dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers liegen, sichergestellt werden.15

2. der Zeitpunkt der Kündigung zwecks Entlassung des betreffenden Arbeitnehmers wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers; diesfalls muss die Befriedigung der das Arbeitsentgelt betreffenden nicht erfüllten Ansprüche für die letzten drei Monate des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses vor dem Zeitpunkt der Kündigung zwecks Entlassung des betreffenden Arbeitnehmers wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers sichergestellt werden.

3. der Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers oder der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses des betreffenden Arbeitnehmers wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers; diesfalls muss die Befriedigung der das Arbeitsentgelt betreffenden nicht erfüllten Ansprüche für die letzten achtzehn Monate des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers oder dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses des betreffenden Arbeitnehmers wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers sichergestellt werden, wobei die Zahlungspflicht für das Arbeitsentgelt auf einen Zeitraum von acht Wochen oder auf mehrere Zeiträume, die zusammengerechnet acht Wochen ergeben, begrenzt werden kann.

Der Änderungsvorschlag sieht eine Vereinfachung dieser – zugegebenermaßen unnötig komplizierten – Regelung dahingehend vor, nur mehr einen gemeinschaftsrechtlichen (Mindest-)Zeitraum festzulegen und den Mitgliedstaaten die Festsetzung des Bezugszeitpunktes und Bezugszeitraumes zu überlassen. Damit ließe sich – so der Änderungsvorschlag – auch auf die in den Mitgliedstaaten geübte Gesetzespraxis reagieren, der zufolge die gesetzliche Garantie auch Ansprüche erfassen muss, die nach einem bestimmten Bezugszeitpunkt entstehen; die geltende InsolvenzRL stellt aber nur auf vor den genannten Referenz-Zeitpunkten geschuldete Ansprüche ab. Dementsprechend sieht Art 3 des Änderungsvorschlags vor, dass unter den Ansprüchen, deren Befriedigung die Garantieeinrichtungen zu übernehmen haben, Ansprüche auf nicht gezahltes Arbeitsentgelt für einen Zeitraum, der vor und/oder gegebenenfalls nach einem von den Mitgliedstaaten festgelegten Zeitpunkt liegt, zu verstehen sind. Die Möglichkeit, die Zahlungspflicht zu begrenzen, soll weiterhin bestehen: Wird die Dauer des Zeitraums, für die Garantieeinrichtungen die nicht erfüllten Ansprüche zu befriedigen haben, begrenzt, so darf diese Dauer allerdings einen Zeitraum, der die letzten drei Monate der Nichtzahlung des Arbeitentgelts umfasst, nicht unterschreiten, wobei (einzelstaatlich) festgelegt werden kann, dass dieser (Mindest-)-Zeitraum innerhalb eines Bezugszeitraums von mindestens sechs Monaten liegen muss (Art 4 des Änderungsvorschlags). Auch soll sich an der den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeit, für die Garantie der Erfüllung unbefriedigter Ansprüche der Arbeitnehmer eine Höchstgrenze festsetzen zu können, nichts ändern.

Die Einzelheiten des Aufbaus, der Mittelaufbringung und der Arbeitsweise der Garantieeinrichtungen bleiben den Mitgliedstaaten überlassen, die dabei allerdings drei Grundsätze zu beachten haben: 1. das Vermögen der Garantieeinrichtungen muss vom Betriebsvermögen der Arbeitgeber unabhängig und so angelegt sein, dass es einem Verfahren bei Zahlungsunfähigkeit (des Arbeitgebers) nicht zugänglich ist (Art 5 lit a InsolvenzRL [siehe dazu bei II.J.2.]), 2. die Arbeitgeber müssen zur Mittelaufbringung beitragen (siehe dazu ebenfalls bei II.J.2.), es sei denn, dass diese in vollem Umfang durch die öffentliche Hand gewährleistet ist (Art 5 lit b InsolvenzRL), und 3. die Zahlungspflicht der Garantieeinrichtung muss unabhängig von der Erfüllung der Verpflichtungen, zur Mittelaufbringung beizutragen, bestehen (Art 5 lit c InsolvenzRL [siehe dazu bei II.K.]). Demzufolge bleibt es den Mitgliedstaaten auch überlassen, ob, und wenn ja, in welcher Form (z.B. in welchem Befriedigungsrang etc.) sie die Garantieeinrichtungen am Verfahren über das Vermögen des Arbeitgebers zur gemeinschaftsrechtlichen Befriedigung seiner Gläubiger teilhaben lassen.

3. Vorschriften über die soziale Sicherheit

Ergänzend sei erwähnt, dass die InsolvenzRL in den Vorschriften über die soziale Sicherheit (Abschnitt III, Art 6 bis 8 leg cit) anordnet, dass die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass (innerstaatlich) 1. die Nichtzahlung an ihre Versicherungsträger von Pflichtbeiträgen zu den einzelstaatlichen gesetzlichen Systemen der sozialen Sicherheit, die vom Arbeitgeber vor Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit geschuldet waren, keine Nachteile für die Leistungsansprüche der Arbeitnehmer gegenüber diesen Versicherungsträgern mit sich bringt, soweit die Beitragsanteile der Arbeitnehmer von den gezahlten Löhnen einbehalten worden sind (Art 7 InsolvenzRL; sog Garantiepflicht) und 2. der Schutz der Interessen der Arbeitnehmer sowie derjenigen Personen, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers aus dessen Unternehmen oder Betrieb bereits ausgeschieden sind, hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen aus Altersgründen, einschließlich Leistungen für Hinterbliebene, aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der einzelstaatlichen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit gewährleistet ist (Art 8 InsolvenzRL). Nach Art 6 InsolvenzRL können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die Vorschriften über die Garantieeinrichtungen (Abschnitt II, Art 3 bis 5 leg cit) nicht für die Beiträge der Arbeitnehmer zu den einzelstaatlichen gesetzlichen Systemen der sozialen Sicherheit oder den betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der einzelstaatlichen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit gelten.

4. Vorschriften für grenzüberschreitende Fälle

Als Reaktion auf die zunehmende internationale Verflechtung der Unternehmen sieht der Änderungsvorschlag vor, in einem neuen Abschnitt IIIa (Art 8a und 8b des Änderungsvorschlags) Vorschriften für grenzüberschreitende Fälle zu erlassen:16 Ist ein Unternehmen, das Niederlassungen im Hoheitsgebiet mindestens zweier Mitgliedstaaten hat, zahlungsunfähig iS des Art 2 Abs 1 leg cit und wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen beantragt, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, so ist die Garantieeinrichtung des letzteren Mitgliedstaats zuständig (Art 8a Abs 1 des Änderungsvorschlags). Der Umfang der Rechte der Arbeitnehmer richtet sich nach dem für die zuständige Garantieeinrichtung geltenden Recht (Art 8a Abs 2 des Änderungsvorschlags).

5. Allgemeine Bestimmungen und Schlussbestimmungen

Schließlich räumt die InsolvenzRL den Mitgliedstaaten das Recht ein, Maßnahmen zur Vermeidung von Missbräuchen zu treffen und die Zahlungspflicht nach Art 3 InsolvenzRL oder die Garantiepflicht nach Art 7 InsolvenzRL abzulehnen oder einzuschränken, wenn sich herausstellt, dass die Erfüllung der Verpflichtung wegen des Bestehens besonderer Bindungen zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber und gemeinsamer Interessen, die sich in der Kollusion zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber ausdrücken, nicht gerechtfertigt ist (Art 10 InsolvenzRL).

 

C. BetriebsübergangsRL

Die BetriebsübergangsRL gliedert sich in vier Kapitel. Kapitel I (Art 1 und 2 leg cit) legt den Geltungsbereich fest und enthält die Begriffsbestimmungen, Kapitel II (Art 3 bis 6 leg cit) enthält die Vorschriften über die Wahrung der Ansprüche und Rechte der Arbeitnehmer, Kapitel III (Art 7 leg cit) die Vorschriften über die gegenüber den Arbeitnehmervertretern bestehenden Informations- und Konsultationspflichten und Kapitel IV (Art 8 bis 14 leg cit) die Schlussbestimmungen. Die BetriebsübergangsRL ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar und gilt gleichermaßen für öffentliche und private Unternehmen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht (Art 1 Abs BetriebsübergangsRL).

Die BetriebsübergangsRL lässt das einzelstaatliche Recht bezüglich der Bestimmung der Begriffe Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis unberührt, sieht aber vor, dass bestimmte Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse nicht ausgeschlossen werden dürfen (Art 2 Abs 2 lit a bis c BetriebsübergangsRL).

Gem. Art 3 Abs 1 Satz 1 BetriebsübergangsRL gehen die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses auf Grund des Übergangs auf den Erwerber über,17 wobei gem Art 4 Abs 1 BetriebsübergangsRL der Übergang als solcher grundsätzlich weder für den Veräußerer noch für den Erwerber einen Grund zur Kündigung darstellt. Die Art 3 und 4 BetriebsübergangsRL kommen bei Unternehmensübergängen im Rahmen von Liquidationsverfahren nur dann zur Anwendung, wenn dies die Mitgliedstaaten vorsehen (Art 5 Abs 1 BetriebsübergangsRL [siehe dazu bei II.D.]). Für alle Insolvenzverfahren – d.h. Liquidations- und sonstige kollektive Insolvenzverfahren iS der InsolvenzVO – kann einzelstaatlich vorgesehen werden, dass – unbeschadet der nach Art 3 Abs 1 Satz 1 BetriebsübergangsRL angeordneten Vertragsübernahme – die vor dem Unternehmensübergang bzw. vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fälligen Verbindlichkeiten des Veräußerers aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen nicht auf den Erwerber übergehen (siehe dazu auch bei II.D.), sofern das Insolvenzverfahren nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaates einen Schutz gewährt, der dem der InsolvenzRL zumindest gleichwertig ist (Art 5 Abs 2 lit a BetriebsübergangsRL).18

D. InsolvenzVO

Siehe dazu bei II.E.2.

 

II. NATIONALE ÖSTERREICHISCHE RECHTSLAGE

A. Charakteristika19

Das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz20 (IESG) – mehrfach novelliert – will den Arbeitnehmern (siehe dazu sogleich unter B.) eines insolventen Arbeitgebers das Risiko des gänzlichen oder teilweisen Verlustes ihrer typischerweise existentiellen Ansprüche nehmen. Dies wird dadurch erreicht, dass der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds (IAGF) die Erfüllung der gesicherten Arbeitnehmeransprüche (siehe dazu unter E.1. und E.3.) nach Art einer Versicherung übernimmt, um in der Folge die auf ihn im Wege einer Legalzession (siehe dazu unter G.) übergegangenen Forderungen geltend zu machen. Der IAGF hat keine unmittelbar hoheitlichen Befugnisse auszuüben, ist jedoch eine juristische Person öffentlichen Rechts. Er verwaltet nicht nur ein bestimmtes Vermögen, sondern er hat auch die Aufgabe, seine Ausgaben nach Maßgabe der rechtlichen Möglichkeiten wieder zu decken. Da der IAGF geeignete Personen zur Verfolgung seiner Ansprüche heranziehen und beauftragen sowie bspw. Stundungen bewilligen kann, kommt ihm im Rahmen seines Aufgabenbereichs volle Partei- und Prozessfähigkeit zu. Der beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) eingerichtete IAGF wird einerseits aus Budgetmitteln des Bundes und andererseits aus autonomen Mitteln finanziert (siehe dazu unter J.).

 

B. Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbegriff des IESG

1. Arbeitnehmerbegriff

Der Begriff des Arbeitnehmers ist im Sinne des Arbeitnehmerbegriffs des Arbeitsvertragsrechts zu verstehen (Entscheidung [im folgenden Text E] des Obersten Gerichtshofs [im folgenden Text OGH] vom 29. 8. 1996, SZ 69/195 = ecolex [Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht] 1997, 179). Somit liegt Arbeitnehmereigenschaft vor, wenn ein Arbeitnehmer seine Tätigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit in Unterordnung unter die betriebliche Organisation verrichtet. Der Arbeitnehmerbegriff des § 1 Abs 1 setzt auch Entgeltlichkeit voraus. Maßgeblich ist somit die Absicht, ein über einen bloßen Aufwandersatz hinausgehendes Entgelt zu erzielen. Der Arbeitnehmerbegriff entspricht auch jenem des Art 2 Abs 2 der InsolvenzRL) (siehe dazu unter I.B.1.). Die InsolvenzRL ist dazu bestimmt, für alle Gruppen von Arbeitnehmern zu gelten, die vom nationalen Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union als solche definiert werden, mit Ausnahme der in ihrem Anhang genannten Gruppen.

2. Arbeitgeberbegriff

Arbeitgeber ist jene Person, der sich der Arbeitnehmer auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung verpflichtet hat.21 Auch dieser Begriff orientiert sich im Rahmen des IESG am (nationalen) Arbeitsvertragsrecht.

 

C. Begriff des Arbeitsverhältnisses nach dem IESG

Ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt (ein solches ist Voraussetzung für einen Übergang im Sinne des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes [siehe dazu sogleich unter D.]), ist nach dem ausdrücklich oder schlüssig vereinbarten Vertragsinhalt, also von der einvernehmlichen besonderen Gestaltung der Rechtsbeziehungen und nicht von der von den Parteien gewählten Bezeichnung abhängig. Der Anmeldung zur Sozialversicherung und/oder dem Lohnsteuerabzug vom Arbeitslohn kommen keine konstitutive Wirkung zu; diese sind lediglich Indizien für das Vorliegen eines Arbeitsvertrags (E des OGH vom 3. 6. 1986 = RdW [Recht der Wirtschaft] 1986, 349. Die Abgrenzung eines Arbeitsvertrags von verwandten Rechtsinstituten ist jedoch insofern von Bedeutung, als nur für Ansprüche aus einem Arbeitsvertrag Insolvenz-Ausfallgeld gebührt. Diese Abgrenzung ist typologisch vorzunehmen, d.h. im Zuge der Gesamtwürdigung der einzelnen Merkmale, die für eine mehr oder weniger ausgeprägte persönliche Abhängigkeit sprechen, darf nicht ein (einzelnes) Merkmal herausgegriffen werden, das alle anderen Merkmale überwiegt (Liebeg, 75).

 

D. Übergang der Arbeitsverhältnisse nach dem AVRAG

Das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz22 (AVRAG) setzt die BetriebsübergangsRL [siehe dazu bei I.A. und I.C.) in die nationale Rechtsordnung um. Gem. § 3 Abs 1 AVRAG tritt mit Übergang eines Unternehmens, Betriebs oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber dieser mit allen Rechten und Pflichten in die im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse ein (sog. „Eintrittsautomatik“). Diese Eintrittsautomatik gilt nur im Fall des Konkurses des Veräußerers nicht (§ 3 Abs 2 AVRAG). Alle im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse werden ex lege mit dem Erwerber fortgesetzt. Daraus folgt, dass der Arbeitnehmer im Fall einer Konkurseröffnung bzw. bei Verwirklichung eines gleichgestellten Tatbestandes (siehe dazu sogleich unter E.1.) gegen den Erwerber einen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld auch für solche Forderungen hat, die vor dem Übergang entstanden sind. Durch diese Systematik soll verhindert werden, dass ein Unternehmen kurz vor Konkurseröffnung veräußert wird, die Arbeitsverhältnisse jedoch beim Veräußerer verbleiben und die Forderungen der Arbeitnehmer auf den IAGF überwälzt werden.23

 

E. Durch den IAGF gesicherte Arbeitnehmeransprüche

1. Anspruchsvoraussetzungen

Gem § 1 Abs 2 iVm § 3 Abs 1 IESG sind aufrechte, nicht verjährte24 und nicht ausgeschlossene Forderungen von Arbeitnehmern, Heimarbeitern und ihren Hinterbliebenen sowie deren Nachfolger von Todes wegen aus ihrem Arbeitsverhältnis, die bis zum Ende des dritten Monats entstanden sind, der auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens25 bzw. den Eintritt eines dem gem § 1 Abs 1 IESG gleichgestellten Tatbestandes folgt, gesichert. Gem. § 1 Abs 1 Z 1 bis 6 IESG sind die einer Konkurseröffnung gleichgestellten Tatbestände 1. die Ausgleichseröffnung, 2. die Anordnung der Geschäftsaufsicht bei Kreditinstituten,26 3. die Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Konkurses mangels hinreichenden Vermögens, 4. die Ablehnung der Eröffnung des Konkurses nach § 68 der Konkursordnung27 (im weiteren Text KO) (eine in Auflösung befindliche Handelsgesellschaft hat das vorhandene Vermögen verteilt), 5. die Zurückweisung des Konkurseröffnungsantrags gem. § 63 KO (wegen Unzuständigkeit des Gerichts) und die Beschlüsse des Verlassenschaftsgerichts gem. § 72 Abs 1 („Abtuung armutshalber“ [mangels Vermögens wird keine Verlassenschaftsabhandlung durchgeführt]) und § 73 Abs 1 des Außerstreitgesetzes28 (im weiteren Text AußStrG) („iure-crediti-Einantwortung“ [Überschuldung des Nachlasses]).

2. Insolvenz-Ausfallgeld bei Bestehen von völkerrechtlichen Verpflichtungen

Hat ein ausländisches Gericht eine Entscheidung gefällt, die auf Grund von völkerrechtlichen Verträgen im Inland anerkannt wird, so besteht ebenfalls ein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld. Derzeit bestehen völkerrechtliche Verträge mit Belgien,29 der BRD,30 mit Italien31 und Frankreich.32 Mit dem Inkrafttreten der Verordnung über Insolvenzverfahren33 mit 31. 5. 2002 (diese ersetzt das 1995 unterzeichnete, aber nie in Kraft getretene Übereinkommen über Insolvenzverfahren) gelten deren Bestimmungen für sämtliche Mitgliedstaaten (ausgenommen ist lediglich Dänemark) der EU unmittelbar.34

Als Verordnung handelt es sich dabei um jenen Rechtssetzungsakt der EU, der mit den umfassendsten Rechtswirkungen ausgestattet ist und insofern am weitesten in die nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten eingreift.35 Er ist von generell-abstrakter Natur, enthält bereits die beabsichtigte Regelung und ist in allen Teilen für die Mitgliedstaaten unmittelbar verbindlich.36 Zur Vollziehung einer Verordnung bedarf es somit keines Transformationsaktes in den jeweiligen nationalen Normenbestand.37 Materiell ist eine Verordnung einem innerstaatlichen Gesetz gleichzustellen.38

Mit 31.5.2002 treten somit die oben erwähnten (mit anderen EU-Mitgliedstaaten abgeschlossenen) völkerrechtlichen Verträge außer Kraft. Die Anerkennung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch das zuständige Gericht erfolgt dann in allen Mitgliedstaaten automatisch, sobald die Entscheidung im Staat der Verfahrenseröffnung rechtskräftig geworden ist (Art 16 der Verordnung über Insolvenzverfahren).

3. Gesicherte Arbeitnehmeransprüche

Zu den gesicherten Arbeitnehmeransprüchen (§ 1 Abs 2 Z 1 bis 4 IESG) zählen Entgeltansprüche auf laufendes Entgelt39 und aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Abfertigung,40 Kündigungs- und Urlaubsentschädigung), Schadenersatzansprüche41, sonstige Ansprüche42 gegen den Arbeitgeber sowie die Kosten43 zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.44

 

F. Ausgeschlossene Ansprüche

Gem. § 1 Abs 3 bis 6 IESG gebührt bspw. kein Insolvenz-Ausfallgeld für Ansprüche, die durch eine anfechtbare Rechtshandlung45 erworben wurden, für Ansprüche aus Einzelvereinbarungen46 sowie für jene von zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organmitgliedern von juristischen Personen und leitenden Angestellten mit maßgeblichem Einfluss auf die Führung eines Unternehmens. Auf die beiden letztgenannten Gruppen soll in den folgenden Ausführungen näher eingegangen werden.

1. Ausschluss von zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organmitgliedern
von juristischen Personen47 (§ 1 Abs 6 Z 2 IESG)

Der Grund für den Ausschluss von Organmitgliedern liegt darin, dass diesen Personen – trotz teilweiser Anwendung des Arbeitsvertragsrechts auf ihr Rechtsverhältnis – keine Arbeitnehmerstellung zukommt,48 sie teilweise auch Arbeitgeberfunktionen ausüben und für den Eintritt der Insolvenz mitverantwortlich sind.49 Wer Mitglied des zur Vertretung berufenen Organs ist, bestimmen die Organisationsvorschriften der juristischen Person. Organmitglieder sind bspw. die Vorstandsmitglieder einer AG, der Geschäftsführer einer GmbH, die Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft und die Vorstandsmitglieder einer Privatstiftung.

2. Ausschluss leitender Angestellter mit maßgeblichem Einfluss auf die Führung eines Unternehmens50 (§ 1 Abs 6 Z 3 IESG)

Diese Bestimmung nimmt leitende Angestellte,51 denen dauernd ein maßgeblicher Einfluss auf die Führung des Unternehmens zusteht, den Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld. Für leitende Angestellte ist somit auch kein Beitrag gem. § 12 Abs 1 Z 4 IESG zu entrichten (siehe dazu bei J.). Mit § 1 Abs 6 Z 3 gerät der Gesetzgeber in Konflikt zur InsolvenzRL. Der EuGH hat in seiner E vom 16. 12. 1993 (C-334/92 – Teodore Wagner Miret52 ausgesprochen, dass leitende Angestellte dann nicht vom Geltungsbereich der InsolvenzRL ausgeschlossen werden können, wenn sie vom nationalen Recht als Arbeitnehmer qualifiziert werden. Diesfalls können leitende Angestellte vom betreffenden Mitgliedstaat den Ersatz der Schäden verlangen, die ihnen auf Grund der mangelnden Umsetzung der InsolvenzRL entstanden sind. Da leitende Angestellte nach österreichischem Recht grundsätzlich als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind (auch wenn sie zum Teil eine Sonderstellung53 unter den einzelnen Arbeitnehmergruppen einnehmen), bestand im Hinblick auf die InsolvenzRL Handlungsbedarf. Eine teilweise Entschärfung wurde durch den Erlass54 des BMWA erreicht, nach dem die Qualifikation als leitender Angestellter dann vorliegt, wenn dem Arbeitnehmer ein derartiger Einfluss auf die Unternehmensführung wie etwa einem GmbH-Geschäftsführer zukommt. Da diesfalls die Arbeitnehmereigenschaft zu verneinen ist, sind diese leitenden Angestellten somit vom Geltungsbereich der InsolvenzRL ausgenommen. Unbeschadet dessen, wurde von der Praxis bis dato keinem Arbeitnehmer mit der Begründung, er sei leitender Angestellter im Sinne des § 1 Abs 6 Z 3 IESG, der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld versagt.

3. Ausschluss wesentlich Beteiligter (§ 1 Abs 6 Z 4)

Der Grund für die Versagung des Insolvenz-Ausfallgeldes für diese Personengruppe ist derselbe wie bei den zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organmitgliedern (siehe dazu bei F.1.). Bei Vorliegen eines beherrschenden Einflusses können folgende Personen der Z 4 unterliegen: Gesellschafter, Treuhänder der Gesellschafter, Treugeber und Personen, die sowohl Gesellschafter als auch Treuhänder bzw. Treugeber sind.55

 

G. Legalzession (§ 11 Abs 1 IESG)

Die dem IESG unterliegenden gesicherten Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber gehen, soweit sie nicht bestritten werden, mit der Antragstellung und, soweit es sich um nicht bestrittene, aber der Anmeldung unterliegende Forderungen handelt, mit der Anmeldung im Insolvenzverfahren auf den IAGF über. Bestrittene Forderungen gehen mit der Zahlung des mit Bescheid zuerkannten Insolvenz-Ausfallgelds auf den Fonds über. Wurde über einen Anspruch durch das Arbeits- und Sozialgericht mit Urteil entschieden, so treten die gleichen Rechtsfolgen mit Zustellung des rechtskräftigen Urteils ein. Mit dem Forderungsübergang ist keine Änderung des Rechtsgrundes, des Ranges oder der Bevorrechtung der Forderungen verbunden. Der IAGF tritt in die Rechtsstellung des Arbeitnehmers mit den gleichen Rechten und Pflichten ein. Sicherheiten, die der Arbeitnehmer erwirkt hat, stehen daher ebenfalls dem IAGF zu.56

 

H. Ausübung des Stimmrechts durch den IAGF

Sowohl nach § 42 der Ausgleichsordnung57 (AO) als auch nach § 147 KO ist für die Annahme eines Ausgleichs- bzw. Zwangsausgleichsvorschlags eine zweifache Mehrheit notwendig. Neben der Mehrheit der abgegebenen Stimmen der anwesenden und stimmberechtigten Gläubiger (Kopfmehrheit) muss auch die Summe der von dieser Mehrheit repräsentierten Forderungen drei Viertel der Gesamtsumme der Forderungen der anwesenden und stimmberechtigten Gläubiger ausmachen. Im Wege der Legalzession gehen sämtliche Stimmrechte auf den Zessionar, also den IAGF über, dem je Arbeitnehmer eine Kopfstimme gebührt.58

 

I. Verbot des Zugriffs auf künftiges Vermögen (§ 11 Abs 3 IESG

Ist ein gesicherter Anspruch (siehe dazu bei E.1. und E.3.) im Wege der Legalzession (siehe dazu bei G.) auf den IAGF übergegangen, so ist ein Zugriff auf künftiges Vermögen, das der Arbeitgeber nach Aufhebung des Konkurses (gleiches gilt für die im § 1 Abs 1 Z 1 bis 6 IESG genannten Fälle [siehe dazu bei E.1.]) erworben hat, ausgeschlossen. § 11 Abs 3 IESG ist auf Grund von verfassungsrechtlichen Überlegungen geschaffen worden. Die verfassungsrechtliche Grundlage des IESG ist der Kompetenztatbestand „Sozialversicherungswesen“ des Art 10 Abs 1 Z 11 des Bundes-Verfassungsgesetzes59 (B-VG). Grundgedanke des österreichischen Sozialversicherungsrechts sind die Aufbringung der notwendigen Geldmittel durch alle Angehörigen der entsprechenden gesellschaftlichen Gruppe ohne Rücksicht darauf, ob die einzelnen Angehörigen selbst an der Risikogemeinschaft interessiert sind oder vielleicht auf Grund ihrer finanziellen Lage auf sie verzichten können, und das Bestehen eines Zusammenhanges zwischen der Höhe der Beiträge und der Höhe der Versicherungsleistungen, wobei auf letztere ein Rechtsanspruch bestehen muss.60 Im Ergebnis soll daher der jeweilige Arbeitgeber ein Äquivalent für seine Beitragsleistung (siehe dazu bei J.2.) erhalten. Die Praxis zeigt auch, dass eine Geltendmachung von Forderungen regelmäßig am fehlenden Vermögen des ehemaligen Ausgleichs- oder Konkursschuldners scheitert. In diesem Zusammenhang sind weiters die §§ 199 ff KO von Bedeutung, die dem Schuldner im Laufe des Konkursverfahrens, spätestens mit dem Antrag auf Annahme eines Zahlungsplans, die Durchführung eines Abschöpfungsverfahrens mit Restschuldbefreiung ermöglichen.

Wird der Arbeitgeber im Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren wegen schweren oder gewerbsmäßigen Betruges (§ 147 des Strafgesetzbuches61 [StGB] und § 148 StGB), wegen betrügerischer Krida (§ 156 StGB), wegen Schädigung fremder Gläubiger (§ 157 StGB) oder wegen Begünstigung eines Gläubigers (§ 158 StGB) verurteilt, so ist der IAGF berechtigt, zur Hereinbringung der auf ihn im Wege der Legalzession übergegangenen und nicht hereingebrachten Forderungen auf das Vermögen des Verurteilten zu greifen. Wie bereits erwähnt, wird dieser Zugriff auf künftiges Vermögen jedoch regelmäßig sowohl am Fehlen einer Verurteilung wegen eines dieser Delikte (der Tatbestand des § 159 StGB [Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen62] ist ausgenommen) als auch an der Vermögenslosigkeit des Arbeitgebers scheitern.

 

J. Aufbringung der Mittel und Deckung des Aufwandes des IAGF (§ 12 IESG)

Der Leistungsaufwand nach dem IESG und der Verwaltungsaufwand des IAGF werden bestritten aus: 1. Mitteln, die dem IAGF auf Grund übergegangener Ansprüche zufließen (siehe dazu bei G.), 2. aus Eingängen von verhängten Geldstrafen (siehe dazu sogleich unter J.1.), 3. aus Zinsen aus dem Geldverkehr und 4. aus einem nach Maßgabe des Zuflusses aus den zuvor erwähnten Mitteln festzusetzenden Zuschlag zu dem vom Arbeitgeber zu leistenden Anteil des Arbeitslosenversicherungsbeitrages (siehe dazu sogleich unter J.2.). Die Fondsmittel sind liquide anzulegen. Es muss daher sichergestellt sein, dass diese Mittel zur Deckung des Aufwandes jederzeit herangezogen werden können. Im folgenden Text sollen die Eingänge aus Geldstrafen und der vom Arbeitgeber zu entrichtende Zuschlag zur Arbeitslosenversicherung näher erörtert werden.

1. Eingänge aus verhängten Geldstrafen

Arbeitgeber, die wissentlich unwahre Angaben machen, vorsätzlich Erklärungen verweigern oder Auskunftspflichten nicht nachkommen, begehen, sofern die Tat nicht mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und sind von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von ATS 5.000.- bis ATS 20.000.- zu bestrafen. Diese Eingänge fließen dem IAGF zu.

2. Zuschlag zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag

Dieser Zuschlag wird mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales festgelegt, ist vom Arbeitgeber zu tragen und beträgt derzeit 0,7%63 des Arbeitslosenversicherungsbeitrags. Der Arbeitslosenversicherungsbeitrag beträgt derzeit 6% der nach den allgemeinen Sozialversicherungsgesetzen geltenden Beitragsgrundlage und ist vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu gleichen Teilen zutragen. Für Arbeitnehmer, die nur Anspruch auf Sachbezüge haben oder kein Entgelt erhalten, hat der Arbeitgeber auch den auf den Versicherten entfallenden Beitragsteil zu entrichten (§ 2 des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes64 (AMPFG). Gem. § 5 AMPFG sind die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und somit auch der Zuschlag von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung einzuheben, wobei der Zuschlag auf ein Konto des IAGF abzuführen ist. Für Arbeitnehmer gem. § 1 Abs 6 IESG ist kein Zuschlag zum Arbeitgeberanteil zur Arbeitslosenversicherung zu entrichten.

Zur Sicherstellung einer ausgeglichenen Gebarung des IAGF ist der im Verordnungsweg festgelegte Zuschlag gem. § 12 Abs 2 Z 1 IESG zu erhöhen, wenn der voraussichtliche Leistungsaufwand des laufenden oder des Folgejahres auf Grund von Schätzungen des Voranschlags nicht gedeckt ist oder wenn der IAGF Überbrückungskredite aufnehmen musste. Weiters wird auch für nicht vorhersehbare Aufwendungen (z. B. überraschend eintretende Großinsolvenzen) Vorsorge in Form einer finanziellen Reserve geschaffen, da die Erhöhung des Zuschlags so zu bemessen ist, dass nach Abdeckung von Krediten die voraussichtliche Gebarung des laufenden und des Folgejahres auf Grund des Voranschlags einen Überschuss ergibt. Dieser darf jedoch 10% des durchschnittlichen Leistungsaufwands dieser Jahre nicht übersteigen. Dadurch soll die Aufnahme von Überbrückungskrediten eingeschränkt werden.65 Die Zuschlagshöhe ist zu senken, wenn sich unter Berücksichtigung des Bilanzergebnisses des Vorjahres sowie des voraussichtlichen Gebarungsbeschlusses des laufenden Jahres und des Folgejahres laut Voranschlag ein Überschuss ergibt, der 20% des durchschnittlichen Leistungsaufwandes dieser Jahre übersteigt (§ 12 Abs 2 Z 2 IESG).

 

K. Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds (§ 13 IESG)

Die Mittel gem. § 12 Abs 1 IESG (siehe dazu bei J.) sind dem IAGF zuzuführen66. Der IAGF ist beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit eingerichtet und ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Er wird vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit vertreten und verwaltet. Der IAGF ist berechtigt, zur rascheren und effizienteren Erfüllung seiner Aufgaben im eigenen Namen oder für den Bund Arbeitsverhältnisse zu begründen und Werkverträge abzuschließen. Er hat für jedes Geschäftsjahr einen Voranschlag, einen Bilanz und einen Geschäftsbericht zu verfassen. Die Bilanz ist im „Amtsblatt zur Wiener Zeitung“ zu veröffentlichen. Zur Überbrückung von finanziellen Engpässen ist der IAGF berechtigt, Überbrückungskredite aufzunehmen. Unbeschadet der Vertretung durch die Finanzprokuratur ist der IAGF ermächtigt, insb. für die Geltendmachung und weitere Verfolgung seiner Ansprüche im Sinne des § 11 Abs 1 IESG (siehe dazu unter G.) geeignete physische und juristische heranzuziehen bzw. zu beauftragen. Der IAGF kann seine Forderungen stunden, eine Abstattung in Raten bewilligen und auf sie ganz oder teilweise verzichten. Weiters ist er von sämtlichen Stempel- und Rechtsgebühren sowie den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren befreit.

Hinsichtlich bestimmter Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung sind die gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Kammern) zu hören (§ 13 Abs 8 IESG). Solche Angelegenheiten sind bspw. die Erlassung einer Verordnung über die Höhe und Änderung des Zuschlags zur Arbeitslosenversicherung (siehe dazu bei J.2.), die Erstellung des Voranschlags, des Rechnungsabschlusses und des Geschäftsberichts oder die Erlassung von Richtlinien des IAGF über die Verrechnung von Stundungszinsen für Forderungen gem. § 11 IESG. Seit der Novelle des IESG67 im Jahr 1997 ist es dem IAF möglich, Stundungszinsen zu verrechnen. Dazu bedarf es jedoch einer adäquaten EDV-Unterstützung, die bis Ende 2002 vorhanden sein soll. Die Verluste, die durch das Unterbleiben der Stundungszinsenverrechnung entstehen, betragen ca. ATS 35,000.000.- pro Jahr.68

 

L. Verfahrensablauf vor dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen

1. Anwendbares Verfahren

Gem. Art II Abs 2 Z 41 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen69 (EGVG) ist von den Verwaltungsverfahrensgesetzen das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz70 (AVG) auf das Verfahren der BÄSozBeh anzuwenden. Primär gelten somit die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des IESG, subsidiär jene des AVG (Liebeg, 237).

2. Zuständigkeit

Für das Verwaltungsverfahren nach dem IESG ist das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen71 (BASozBeh) zuständig, in dessen Sprengel sich das Gericht befindet, das den Konkurs eröffnet oder den Beschluss nach § 1 Abs 1 Z 1 bis 6 IESG gefasst hat (siehe dazu bei E.1.). Hat ein ausländisches Gericht eine Entscheidung im Sinne des § 1 Abs 1 IESG getroffen, die im Inland anerkannt wird (siehe dazu bei E.2.), so ist das BASozBeh in Wien zuständig. Wird der Antrag (siehe sogleich bei L.3.) auf Insolvenz-Ausfallgeld bei einem unzuständigen BASozBeh gestellt, so ist dieser an das zuständige zu übersenden. Wird der Antrag beim Konkurs- oder Ausgleichsgericht eingebracht, so ist der Antrag als an das zuständige BASozBeh gerichtet anzusehen (§ 5 Abs 3 IESG).

3. Antrag

Der Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld ist bei sonstigem Ausschluss binnen sechs Monaten72 ab Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach § 1 Abs 1 IESG oder Kenntnis des Beschlusses nach § 1 Abs 1 Z 3 bis 6 (siehe dazu bei E.1.) beim zuständigen BASozBeh (zur Zuständigkeit siehe bei L.2.) zu stellen. Wird der Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld nach Ablauf dieser sechsmonatigen Frist gestellt, so sind von Amts wegen die Rechtsfolgen der Fristversäumung bei Vorliegen von berücksichtigungswürdigen Gründen nachzusehen. Solche Gründe liegen insb. dann vor, wenn dem Arbeitnehmer billigerweise die Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zugemutet werden konnte oder ihm die betragsmäßige Angabe seiner Ansprüche nicht rechtzeitig möglich war.73 Der Antrag ist schriftlich zu stellen; nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten kann er auch telegrafisch, fernschriftlich, mit Telefax oder im Weg automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise gestellt werden (§ 6 Abs 1 IESG). Im Antrag sind der Betrag der Forderung und die Tatsachen, auf die sie sich gründet, anzugeben sowie die Beweismittel. Bei Forderungen, über die ein Rechtsstreit anhängig war oder ist, ist auch das Prozessgericht und ein allenfalls vorhandener Exekutionstitel anzugeben (§ 6 Abs IESG). Das BASozBeh hat die Forderungen in ein Verzeichnis einzutragen (Forderungsverzeichnis).

4. Entscheidung über den Anspruch und Auszahlung

Das BASozBeh ist bei der Beurteilung des Vorliegens eines gesicherten Anspruchs (siehe dazu bei E.1. und E.3.) an die hierüber ergangenen gerichtlichen Entscheidungen gebunden, die gegenüber dem Antragsteller rechtskräftig geworden sind (§ 7 Abs 1 Satz 1 IESG). Diese Bindung tritt jedoch nicht ein, wenn der gerichtlichen Entscheidung kein streitiges Verfahren vorangegangen ist oder ein Anerkenntnisurteil gefällt wurde, sofern die Entscheidung vor weniger als sechs Monaten vor Eröffnung des Konkurses oder vor Erlassung eines nach § 1 Abs 1 gleichzuhaltenden Gerichtsbeschlusses rechtskräftig geworden ist (§ 7 Abs 1 Satz 2 IESG). Die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen ist in persönlicher und sachlicher Hinsicht vorzunehmen.74 In persönlicher Hinsicht muss festgestellt werden, ob der Anspruchswerber als Arbeitnehmer, Heimarbeiter oder Rechtsnachfolger bzw. Hinterbliebener der genannten Personen zu qualifizieren ist. In sachlicher Hinsicht, ob die geltend gemachten Ansprüche als aufrechte, nicht verjährte und nicht ausgeschlossene gesicherte Ansprüche anerkannt werden können (siehe dazu bei E.). Auf das Verfahren sind die §§ 45 bis 55 AVG anzuwenden (Allgemeine Grundsätze über den Beweis) (§ 7 Abs 1 Satz 4 IESG). Durch eine fristgerechte Antragstellung werden Verjährungs- und Verfallfristen unterbrochen (§ 7 Abs 1 letzter Satz iVm § 6 Abs 1 IESG). Über die Anträge auf Insolvenz-Ausfallgeld entscheidet das BASozBeh mit schriftlichem Bescheid (§ 7 Abs 2 IESG). Grundsätzlich soll über die gesamten Ansprüche eines Arbeitnehmers in einem Bescheid abgesprochen werden. Nur bei einer teilweisen Ablehnung der geltend gemachten Ansprüche hat das BASozBeh zwei Bescheide zu erlassen, einen Zuerkennungs- und einen Abweisungsbescheid.75 Die Auszahlung des Insolvenz-Ausfallgeldes wird vom IAGF veranlasst. Gem. § 7 Abs 5 IESG ist das Insolvenz-Ausfallgeld dem Anspruchsberechtigten oder seinem ausgewiesenen Vertreter auszubezahlen.

 

III. AKTUELLE REFORMBESTREBUNGEN IN ÖSTERREICH UND DEREN

EU-Konformität

1. Allgemeine Ausführungen

Mit 1. 8. 2001 tritt das Bundesgesetz,76 mit dem eine Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds Service GmbH gegründet wird, in Kraft. Dadurch soll die Administration der Insolvenz-Entgeltsicherung aus ihren bisherigen Strukturen herausgelöst und in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ausgegliedert werden. Die historisch bedingte und wirtschaftlich nicht effiziente Aufteilung des Verwaltungsbereichs der Insolvenz-Entgeltsicherung auf zwei verschiedene Bundesministerien – der IAGF (siehe dazu bei II.K.) ist beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit eingerichtet, die für den hoheitlichen Vollzug der Insolvenz-Entgeltsicherung zuständigen BÄSozBeh (siehe dazu bei II.L.) unterstehen jedoch dem Bundesminister für Soziale Sicherheit und Generationen – wird dadurch aufgegeben. Mit der Einrichtung der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds Service GmbH soll weiters dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die BÄSozBeh nicht ausschließlich mit Agenden der Insolvenz-Entgeltsicherung betraut sind und auch weder personell noch räumlich abgegrenzte Einheiten darstellen, wodurch es zu erhöhter Fehlerhaftigkeit bei der Administration der Insolvenz-Entgeltsicherung kommt.77 Durch die Ausgliederung soll somit auch eine Beschleunigung des Verfahrens – die durchschnittliche Dauer beträgt derzeit ca. sechs Monate – erreicht und ein Zinsendienst (Stundungsdienst) eingeführt werden.

2. IAF-Service GmbH

Gem. § 9 Abs 1 des Gesetzesentwurfs entsteht die Gesellschaft ex lege mit dem In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes, also mit 1. 8. 2001. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 70.000.- Euro und ist zur Gänze bar einzubezahlen (§ 2 Abs 2 leg cit). Die Anteile an der Gesellschaft stehen zu 100% im Eigentum des Bundes (§ 5 Abs 1 leg cit).78 Der Sitz der Gesellschaft befindet sich in Wien (§ 2 Abs 1 leg cit). Gem. § 3 Abs 2 des Gesetzesentwurfs hat die Gesellschaft jene Aufgaben hoheitlich zu vollziehen, die nach dem IESG auch von den BÄSozBeh hoheitlich vollzogen werden sowie jene Angelegenheiten, die ihr nach dem In-Kraft-Treten des Gesetzes ausdrücklich zum hoheitlichen Vollzug zugewiesen werden. Privatrechtlich hat die Gesellschaft insbesondere die Betriebsführung und die Besorgung aller Geschäfte des IAGF zu vollziehen. Soweit der Gesellschaft hoheitliche Aufgaben übertragen sind, hat sie – so wie bisher auch die BÄSozBeh – das AVG (siehe dazu bei II.L.1.) anzuwenden (§ 14 leg cit) und unterliegt der Aufsicht des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit (§ 15 Abs 1 leg cit). Dieser kann der Gesellschaft allgemeine Weisungen oder Weisungen im Einzelfall erteilen und den Geschäftsführer, der eine Weisung nicht befolgt, abberufen (§ 15 Abs 2 leg cit).

3. Finanzielle Auswirkungen der Ausgliederung

Mit der Gründung der IAF-Service GmbH sind, wie bereits erwähnt, Kosten in Höhe von 70.000.- Euro (Stammkapital) verbunden. Diese Geldmittel verbleiben jedoch weiterhin in der Verfügungsgewalt des Bundes. Die Ausgliederung erspart dem Bund jährlich ca. sieben Millionen Euro an Personalkosten, da jene Beamte, die derzeit mit den Aufgaben des IESG-Vollzugs betraut sind, in Hinkunft der Gesellschaft zugewiesen sein werden, und diese wird die Personalkosten (samt den Beiträgen zur Pensionsdeckung) dem Bund zu refundieren haben. Man geht davon aus, dass die dem IAGF entstehenden Mehrkosten bereits kurzfristig durch die zu erwartende Verwirklichung der Einsparungspotentiale (bessere EDV-Lösungen, Beschleunigung der Verfahrensdauer, Stundungszinsen etc.) ausgeglichen werden, sodass eine Erhöhung der Arbeitgeberbeiträge (siehe dazu bei II.J.2.) nicht zu befürchten ist. Mittelfristig wird eine Absenkung der Arbeitgeberbeiträge erhofft79.

4. EU-Konformität des Gesetzesentwurfs

Gem. Art 3 Abs 1 der InsolvenzRL (siehe dazu bei I.B.) haben die einzelnen Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit Garantieeinrichtungen die Befriedigung von unerfüllten Arbeitnehmeransprüchen aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen, die das Arbeitsentgelt für den vor einem bestimmten Zeitpunkt (siehe dazu bei I.B.2.) liegenden Zeitraum betreffen, sicherstellen. Art 5 der InsolvenzRL überlässt es den Mitgliedstaaten, die Bestimmungen über den Aufbau, die Mittelaufbringung und die Arbeitsweise der nationalen Garantieeinrichtungen festzulegen. Somit steht die InsolvenzRL der geplanten Ausgliederung nicht entgegen.80

 

* Trotz sorgfältiger Recherchen und der Verwendung verlässlicher Quellen kann keine Verantwortung für die Vollständigkeit oder Genauigkeit übernommen werden.

 

Anmerkungen

1

ABl 1980 L 283 v 28. 10. 1980 S 23 ff; geändert durch die RL 87/164/EWG des Rates vom 2. 3. 1987 aufgrund des Beitritts Spaniens, ABl 1987 L 66 v 11. 3. 1987 S 11, und (zuletzt) geändert durch die Akte über den Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens, ABl 1994 C 241 v 29. 8. 1994 S 115. Die InsolvenzRL gilt - aufgrund der Besonderheiten des Arbeitsmarktes - nicht für Grönland (Art 1 Abs 3 InsolvenzRL); diese Ausnahme soll nach dem Vorschlag zur Änderung der InsolvenzRL (vgl dazu gleich unten) nunmehr entfallen.

2

ABl 2001 L 82 v 22. 3. 2001 S 16 ff.

3

ABl 2000 L 160 v 30. 6. 2000 S 1 ff.

4

ABl 2001 C 154 v 29. 5. 2001 S 109 ff.

5

Von diesem Recht haben England, Griechenland, Irland, die Niederlande, Österreich, Schweden und Spanien Gebrauch gemacht (zu den Ausnahmen im Detail vgl. den Anhang zur InsolvenzRL). Österreich hat die Ansprüche von Mitgliedern des Organs einer juristischen Person, das zu deren gesetzlichen Vertretung befugt ist (vgl. § 1 Abs 6 Z 2 IESG und bei II.F.1.), und von Gesellschaftern, die befugt sind, einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft auszuüben, auch wenn dieser auf einer treuhändigen Verfügung beruht (vgl. § 1 Abs 6 Z 4 IESG und bei II.F.3.), vom Anwendungsbereich der InsolvenzRL ausgeschlossen. Zu den Gründen vgl. ebenfalls bei II.F.1. und II.F.3. und Liebeg, 157 ff und 165 ff.

6

Die zulässigen Ausnahmen betreffen Hausangestellte, die von einer natürlichen Person beschäftigt werden, und Fischer, die in Form eines Erlösanteils entlohnt werden.

7

ABl 1998 L 14 v 20. 1. 1998 S 9 ff.

8

ABl 1999 L 175 v 10. 7. 1999 S 43 ff.

9

ABl 1991 L 206 v 29. 7. 1991 S 19 ff.

10

Die ausdrückliche Nennung dieser drei Arbeitnehmergruppen als nicht ausschließbar ist – aus normsetzungstechnischer Sicht – entbehrlich.

11

Ob in Österreich allerdings der – umstrittene – Ausschluss leitender Angestellter nach § 1 Abs 6 Z 3 IESG (vgl. dazu bei F.2.) aufrecht erhalten werden kann, ist fraglich.

12

Dieser weite Begriff liegt den meisten einzelstaatlichen Umsetzungsvorschriften der InsolvenzRL bereits zugrunde (vgl. zum IESG bei II.E.1.); der Kommission geht es darum, in Reaktion auf die enge Auslegung des Begriffs durch den EuGH in seiner E vom 9. 11. 1995 (C–497/93 Francovich) eine dem sozialen Zweck der InsolvenzRL und der Entwicklung des Insolvenzrechts angepasste Definition zu verankern.

13

Gem. Art 9 InsolvenzRL ist es den Mitgliedstaaten unbenommen, für die Arbeitnehmer günstigere Rechts- oder Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen.

14

Zur Höchstgrenze nach dem IESG vgl. § 1 Abs 3 Z 4 leg cit nach dem kein Insolvenz-Ausfallgeld gebührt, wenn der Bruttobetrag im Zeitpunkt der bedungenen Zahlung einen bestimmten Grenzbetrag überschreitet. Dieser Grenzbetrag wird im § 45 Abs 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG [BGBl 189/1955]) festgelegt.

15

Der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld knüpft nach der österreichischen Rechtslage ausschließlich an die Eröffnung des Konkursverfahrens oder die Verwirklichung eines gleichgestellten Tatbestandes und nicht etwa an die Zahlungsunfähigkeit bzw. an die Zahlungsunwilligkeit des Arbeitgebers an (E des OGH vom 12. 10. 1995 = ZIK 1996, 140). Zur Frage der damit verbundenen Richtlinienwidrigkeit vgl. Weber, ZIK 1998, 119 f.

16

Vgl. dazu auch die E des EuGH vom 17. 9. 1997 (C–117/96 Mosbaek) und vom 16. 12. 1999 (C–198/98 Everson, Barrass/Secretary of State for Trade and Industry, Bell Lines Ltd); Arbeitsort als Zuständigkeitskriterium für die Garantieeinrichtung, ZIK 2000, 32 f; Weber, RdW 1997, 678 f.

17

Allerdings kann einzelstaatlich vorgesehen werden, dass der Veräußerer und der Erwerber nach dem Zeitpunkt des Übergangs gesamtschuldnerisch für die Verpflichtungen haften, die vor dem Zeitpunkt des Übergangs durch einen Arbeitsvertrag oder ein Arbeitsverhältnis entstanden sind, der bzw. das zum Zeitpunkt des Übergangs bestand (Art 3 Abs 1 Satz 2 BetriebsübergangsRL).

18

Wie bereits unter B.I. ausgeführt, werden durch die im Änderungsvorschlag zur InsolvenzRL vorgenommene Harmonisierung des Begriffs der Zahlungsunfähigkeit mit jenem der InsolvenzVO die Ziele der BetriebsübergangsRL mit denen der InsolvenzRL in Einklang gebracht.

19

Zu den folgenden Ausführungen siehe auch Rechberger/Thurner, 148 ff.

20

Bundesgesetz vom 2. 6. 1977 (BGBl 324) über die Sicherung von Arbeitnehmeransprüchen im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers.

21

E des OGH vom 29. 8. 1996 = ecolex 1997, 179.

22

BGBl 1993/459.

23

Liebeg, 113.

24

Im Verfahren nach dem IESG ist auf die Verjährung eines privatrechtlichen Anspruchs im Sinne des Abs 2 leg cit von Amts wegen Bedacht zunehmen (Verwaltungsgerichtshof [im weiteren Text VwGH vom 19. 11. 1986 SlgNF [Erkenntnisse und Beschlüsse des VwGH, neue Folge] 12.307 [A]).

25

Kein Insolvenzverfahren stellt das mit dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz (IRÄG) 1997 eingeführte Unternehmensreorganisationsverfahren (URG [BGBl I 1997/106 und I 1997/114]) dar, da gem. § 1 leg cit das Unternehmen noch zahlungsfähig, somit solvent zu sein hat. Beabsichtigt ist die Reorganisation des Unternehmens nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen, um eine nachhaltige Weiterführung zu ermöglichen (Reich-Rohrwig/Zehetner, 336).

26

Die Geschäftsaufsicht über Kreditinstitute ist in den §§ 82 ff des Bankwesengesetzes (BWG [BGBl 1993/532]) geregelt.

27

RGBl 1914/337.

28

Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (RGBl 1854/208).

29

BGBl 1975/385 (Anerkennung des Konkurses und des Ausgleichs von Kaufleuten, Genossenschaften und Handelsgesellschaften).

30

BGBl 1985/233 (Anerkennung des Konkurses und des Ausgleichs).

31

BGBl 1990/44 (Anerkennung des Konkurses und des Ausgleichs von Kaufleuten und Handelsgesellschaften).

32

BGBl 1980/237 (Anerkennung des Konkurses, des Ausgleichs und der Geschäftsaufsicht).

33

Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 vom 29. Mai 2000.

34

Seit dem Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam am 1. 5. 1999 in Art 249 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) geregelt; vormals Art 189 II EGV.

35

Fischer/Köck, 411 f.

36

Im Gegensatz dazu legt die Richtlinie (obwohl ebenfalls ein Rechtssetzungsakt generell-abstrakter Art) nur das Ziel fest und überlässt den Mitgliedstaaten die Wahl von Form und Mittel zu dessen Erreichung.

37

Der EuGH betrachtet Rezeptionsakte nicht nur als entbehrlich, sondern sogar als unstatthaft, weil dadurch die gleichzeitige und einheitliche Anwendung innerhalb der Gemeinschaften gefährdet würde (Rs. 39/72, Kommission gegen Italien, Slg. 1973, 101 ff).

38

Fischer/Köck, 412.

39

Der Begriff des Entgelts ist identisch mit jenem des Arbeitsrechts. Somit sind darunter nicht nur die eigentliche Lohnzahlungen, sondern auch alle übrigen, ordentlichen und außerordentlichen Leistungen zusätzlicher Art zu verstehen. Es kommt nur auf die tatsächliche Funktion der Leistung als Gegenleistung des Arbeitgebers für die Überlassung der Arbeitskraft durch den Arbeitnehmer an (E des OGH vom 16. 11. 1995 = JBl (Juristische Blätter) 1996, 468.

40

Nur der gesetzliche Abfertigungsanspruch ist gesichert (E des OGH vom 23. 5. 1996 = ZIK 1996, 218.

41

Schadenersatzansprüche sind nur dann Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis, wenn sie aus der Verletzung der das Arbeitsverhältnis kennzeichnenden Haupt- und Nebenverbindlichkeiten erwachsen (Arb [Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen] Nr 10.090).

42

Sonstige Ansprüche gegen den Arbeitgeber sind vertraglich zugesicherte Aufwandsentschädigungen oder Auslagenersätze, die dem Arbeitnehmer aus der Erbringung der ihm obliegenden Arbeitsleistung erwachsen, somit Ansprüche, die zwar ihre Wurzel im Arbeitsverhältnis haben, jedoch nicht der Wechselbeziehung von Leistung und Gegenleistung entspringen (E des OGH vom 8. 6. 1998 = ZIK 1998, 212). Ein vom Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gewährtes Darlehen ist kein gesicherter Anspruch. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Arbeitnehmer zur Gewährung des Darlehens selbst einen Kredit aufgenommen hat oder ob die Rückzahlung des Darlehens als zusätzlicher „Abfertigungsanspruch eigener Art“ vereinbart wurde (E des OGH vom 26. 2. 1992).

43

Gesichert sind stets nur die tarifmäßigen Kosten (E des OGH vom 13. 7. 1995 = ecolex 1995, 917 = ZIK 1996, 107).

44

Darunter sind insb. die Prozesskosten zu verstehen, die dem Arbeitnehmer zur Durchsetzung seiner Entgelt-, Schadenersatz- oder sonstigen Ansprüche gegen den Arbeitgeber rechtskräftig zugesprochen wurden, im Konkurs festgestellt oder im Ausgleich in das Anmeldungsverzeichnis eingetragen und weder vom Schuldner noch vom Ausgleichsverwalter bestritten wurden oder auch die Barauslagen und Kosten für den Rechtsvertreter anlässlich eines außergerichtlichen Vergleichs oder Anerkenntnisses.

45

Anfechtbar sind Rechtshandlungen nach den § 27 ff KO und der Anfechtungsordnung (AnfO [RGBl 1914/337]) die benachteiligend, unentgeltlich, begünstigend oder in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gesetzt worden sind.

46

Dadurch soll verhindert werden, dass kurz vor Konkurseröffnung oder einem gleichgestellten Tatbestand überhöhte, nicht betriebsübliche Entgeltansprüche zu Lasten des IAGF vereinbart werden (ErlRV [Erläuterungen zur Regierungsvorlage] 464, BlgNR [Beilage des Nationalrats] 14. GP [Gesetzgebungsperiode] 8.

47

Zu den folgenden Ausführungen siehe Liebeg, 157 ff.

48

Diese Organe haben typischerweise die Befugnis, in allen Geschäftsbereichen selbständig entscheiden zu können und damit unmittelbar in Bereichen wie der Übernahme von Aufträgen, der Einstellung von Arbeitnehmern oder Entscheidung über die Lohnhöhe tätig zu werden (E des OGH vom 26. 4. 1996 = DRdA [Das Recht der Arbeit] 1996, 428).

49

ErlRV 446, BlgNR 15. GP 5.

50

Zu den folgenden Ausführungen siehe Liebeg, 163 ff.

51

Unter diesen Begriff fallen z. B. kaufmännische oder technische Direktoren, Leiter des Rechnungswesens etc. Auf die bloße Bezeichnung der Funktion kommt es jedoch nicht an.

52

EuGHSlg (Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften] 1993, 6911.

53

So gilt z. B. der II. Teil „Betriebsverfassung“ des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG [BGBl 1974/22]) nicht für leitende Angestellte.

54

Erlass vom 18. 8. 1995, 37.006/51-2/95.

55

Liebeg, 165.

56

Liebeg, 274.

57

BGBl 1934 II 221.

58

Vgl. dazu Rechberger/Frauenberger, ZIK 1995, 13, die de lege ferenda das Prinzip „one man – one vote“ befürworten und damit dem IAGF nur eine Kopfstimme gewähren wollen, da nur die Kleingläubiger des Schutzes durch die erforderliche Kopfstimmenmehrheit bedürfen und nicht Großgläubiger, die auf Grund der Höhe der von ihnen repräsentierten Forderungen ohnehin meist ein faktisches Veto haben.

59

1929 BGBl 1930/1

60

Liebeg, 285 f.

61

BGBl 1974/60.

62

Mit der Novellierung des Kridastrafrechts (BGBl I 2000/58, seit 1. 8. 2000 in Kraft) soll der unternehmerische Misserfolg entkriminalisiert werden. Nur mehr besonders schwerwiegende Verstöße oder grob fahrlässiges Verhalten werden gerichtlich geahndet (Braun, ecolex 2001, 381).

63

Der Zuschlag wird jährlich durch Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit festgelegt.

64

BGBl 1994/315.

65

Holzer/Reissner/Schwarz, 353.

66

Die Mittel für die Insolvenz-Entgeltsicherung betrugen im Jahr 2000 ca fünf Milliarden Schilling.

67

BGBl I 1997/107.

68

Holzer/Reissner/Schwarz, 359.

69

BGBl 1991/50.

70

BGBl 1991/51.

71

Aufgrund der Neuorganisation der Arbeitsmarktverwaltung ist mit BGBl 1994/314 die Zuständigkeit im Bereich des IESG von den Arbeitsämtern auf die BASozBeh übertragen worden.

72

Bei dieser Frist handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist (E des OGH vom 16. 11. 1988, SZ [Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofs in Zivil- und Justizverwaltungssachen] 61/253 = JBl 1989, 335. Der Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld muss daher innerhalb der Frist beim BASozBeh eingelangt sein (E des OGH vom 18. 3. 1992 = RdW 1992, 281).

73

Durch die Novellierung des § 6 Abs 1 durch BGBl 1986/395 wollte der Gesetzgeber die in der Praxis gelegentlich auftretenden Härtefälle bei Versäumung der Antragsfrist vermeiden, indem er die bis dahin vorgesehene und vom Verwaltungsgerichtshof (VwGH) restriktiv gehandhabte Wiedereinsetzung gegen die Fristversäumung durch eine sog „Härteklausel“ ersetzt hat (Liebeg, 228). Nachgesehen wurde etwa die Versäumung der Antragsfrist um zwei Monate, wenn der Arbeitnehmer nicht über den Beginn der Frist belehrt wurde und versucht hat, seine bestrittenen Ansprüche mit dem Masseverwalter zu vergleichen (E des OGH vom 15. 12. 1994 = ZIK 1995, 123).

74

Holzer/Reissner/Schwarz, 305.

75

Holzer/Reissner/Schwarz, 313.

76

Bundesgesetz, mit dem eine IAF-Service GmbH gegründet wird und das Bundessozialämtergesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, die Konkursordnung und das Bundesfinanzgesetz 2001 geändert werden (RV 666 d.B. [XXI. GP]). Der Gesetzesvorschlag wurde in dritter Lesung am 4. 7. 2001 angenommen und steht am 17. 7. 2001 auf der Tagesordnung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit des Bundesrates.

77

Erläuterungen zur RV 666, 15.

78

Die Möglichkeit einer allfälligen Veräußerung von Gesellschaftsanteilen wurde im Begutachtungsverfahren einhellig als nicht zielführend angesehen und daher in den Gesetzesentwurf nicht aufgenommen. Dies deshalb, weil nach wie vor ein öffentliches Interesse an den Angelegenheiten der Insolvenz-Entgeltsicherung besteht. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass sich der Bund seine aus der Eigentümerschaft erfließenden Aufsichts- und Mitbestimmungsrechte erhält, um bei allfälligen administrativen Fehlentwicklungen zum Schutz der wesentlichen sozialen Errungenschaft „Insolvenz-Ausfallgeld“ korrigierend eingreifen zu können (So die Erläuterungen zu § 5 des Gesetzesentwurfs, 20

79

Erläuterungen zur RV 666, 18.

80

Erläuterungen zur RV 666, 17.

Begegnungen17-II_Thurner

Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 17/II:77–85.

MARIO THURNER

Rahmenbedingungen einer Insolvenzrechtsordnung

 

I. Vorausbemerkungen

In der folgenden Kurzdarstellung soll auf Aspekte einer Insolvenzrechtsordnung eingegangen werden, deren Etablierung im Rahmen einer an sozial-marktwirtschaftlichen Strukturen ausgerichteten Insolvenzrechtsgesetzgebung nicht unwesentliche Bedeutung in Schwerpunktbereichen wie der Gläubigergleichbehandlung oder eines effektiveren Rechtsschutzinstrumentariums zur Durchsetzung von Gläubigerinteressen (speziell von Arbeitnehmern) dient.

Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Etablierung einer funktionierenden Insolvenzrechtsordnung keinesfalls ein Vorhaben darstellt, dem innerhalb von nur wenigen Jahren auf immer und ewig zum Durchbruch verholfen werden kann. Werden jedoch im Zuge dieses Entwicklungsprozesses auch rechtzeitig Faktoren mit einbezogen, denen auf den ersten Anblick kaum ein zentraler Stellenwert anhaftet, so kann dies dem jeweiligen nationalen Gesetzgeber eine von vornherein effektivere Insolvenzrechtsordnung bescheren.

Auf einige Bereiche, die ein insolvenzrechtliches „Umfeld“ prägen können, sei an dieser Stelle kurz eingegangen.

 

II. Sozialpartnerschaft

A. Historischer Überblick

Von erheblicher Bedeutung für den Wiederaufbau Österreichs nach dem 2. Weltkrieg und der damit verbundenen Stabilisierung der wirtschaftlichen Situation des Landes waren die von den Interessenverbänden1 der Unternehmer und Arbeiter ausgehandelten „Preis-Lohn-Abkommen“,2 die von der Regierung und dem Parlament sanktioniert wurden. Die drei Wirtschaftskammern sowie der Österreichische Gewerkschaftsbund bildeten eine Wirtschaftskommission und in Kooperation mit der im März 1957 gegründeten Paritätischen Preis-Lohn-Kommission wurde die Sozialpartnerschaft in Österreich ohne feste gesetzliche Grundlage institutionalisiert.

Auf Grund der nationalen Akzeptanz entwickelte sich daraus eine beherrschende Einrichtung der österreichischen Wirtschaftspolitik, die wegen ihres Einflusses und ihres offensichtlichen Erfolges bis dato auch internationale Aufmerksamkeit auf sich zieht.3

B. Bedeutung der Interessenvertretungen für das Insolvenzrecht

Im Bereich des Insolvenzrechts haben Bevollmächtigte der gesetzlichen Interessenvertretungen (Kammern) und der Berufsvereinigungen von Arbeitnehmern (Österreichischer Gewerkschaftsbund) gem. § 172 Abs 3 KO ein Vertretungsrecht im gleichen Umfang wie die bevorrechteten Gläubigerschutzverbände. Voraussetzung für die Vertretung ist jedoch, dass es sich um eine Arbeitsrechtssache4 gem. § 50 des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes (ASGG)5 handelt. Voraussetzung ist daher, dass es sich um einen Arbeitnehmer6 des Schuldners handelt und der Anspruch beim Arbeits- und Sozialgericht geltend gemacht werden müsste oder könnte.

 

III. Insolvenzentgeltsicherung

A. Allgemeine Ausführungen und Finanzierung

Das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG),7 will den Arbeitnehmern eines insolventen Arbeitgebers das Risiko des gänzlichen oder teilweisen Verlustes ihrer typischerweise existentiellen Ansprüche nehmen. Dies wird dadurch bewerkstelligt, dass der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds (IAGF) – ein mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteter öffentlich-rechtlicher Fonds – die Erfüllung der gesicherten Arbeitnehmeransprüche nach Art einer Versicherung übernimmt.8 Der beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit eingerichtete Fonds wird von den Arbeitgebern mit Hilfe eines Zuschlags zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag finanziert.

B. Insolvenz-Ausfallgeld auslösende Fälle

Gem § 1 Abs 1 Z 1 bis 6 IESG sind Ausfallgeld auslösende Fälle die Konkurs- oder Ausgleichseröffnung, die Anordnung der Geschäftsaufsicht bei Kreditinstituten,9 die Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Konkurses mangels hinreichenden Vermögens, die Ablehnung der Eröffnung des Konkurses nach § 68 der Konkursordnung (KO),10 die Zurückweisung des Konkurseröffnungsantrags gem. § 63 KO11 sowie bestimmte Beschlüsse, die im außerstreitigen Verfahren ergangen sind.

C. Anspruchsberechtigte Personen

Anspruchsberechtigt sind gem. § 1 Abs 1 IESG Arbeitnehmer, ehemalige Arbeitnehmer und deren Hinterbliebene, Heimarbeiter sowie Personen, auf die der gesicherte Anspruch im Wege der Verpfändung (Pfändung) oder Abtretung übergegangen ist. Von der Anspruchsberechtigung ausgeschlossen sind gem. § 1 Abs 6 IESG Beamte, Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person (Geschäftsführer), leitende Angestellte (ausschlaggebend ist ein maßgeblicher Einfluss auf die Unternehmensführung) und Gesellschafter, denen ein beherrschender Einfluss auf die Gesellschaft zusteht.12

D. Gesicherte Ansprüche

Gem. § 1 Abs 2 iVm § 3 Abs 1 IESG sind aufrechte, nicht verjährte und nicht ausgeschlossene Forderungen von Arbeitnehmern aus ihrem Arbeitsverhältnis, die bis zum Ende des dritten Monats entstanden sind, der auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. den Eintritt eines dem gem. § 1 Abs 1 IESG gleichgestellten Tatbestandes folgt, gesichert. Zu diesen gesicherten Forderungen (§ 1 Abs 2 Z 1 bis 4 IESG) zählen Entgeltansprüche aus laufendem Entgelt sowie aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Abfertigung, Kündigungs- und Urlaubsentschädigung), Schadenersatzansprüche, sonstige Ansprüche gegen den Arbeitgeber sowie die Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

E. Ausgeschlossene Ansprüche

Zu den nach dem IESG ausgeschlossenen Ansprüchen13 zählen bzw. anfechtbare Ansprüche, Ansprüche, die nach Verfahrenseröffnung oder in den letzten 6 Monaten vor Verfahrenseröffnung durch Einzelvereinbarung begründet wurden oder auch Ansprüche auf Kündigungsentschädigung über eine Zeitspanne von mehr als drei Monaten.

F. Geltendmachung

Der Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld ist gem. § 6 Abs 1 IESG bei sonstigem Ausschluss binnen sechs Monaten ab Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bzw. nach Eintritt eines diesem ex lege gleichgestellten Tatbestands beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Im Konkurs- und Ausgleichsverfahren eines insolventen Arbeitgebers besteht ein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld gem. § 1 Abs 5 IESG nur dann, wenn die Konkurs- bzw. Ausgleichsforderung im Insolvenzverfahren angemeldet worden ist. Der Forderungsanmeldung kann der Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld beigefügt werden. Das Konkurs- (Ausgleichs-)gericht hat den Antrag an das zuständige Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zu übersenden. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat die Forderungen, für die Insolvenz-Ausfallgeld beantragt wird, in ein Forderungsverzeichnis einzutragen, das dem Arbeitgeber – bei Anhängigkeit eines Konkursverfahrens dem Masseverwalter – zuzustellen ist (§ 6 Abs 3 IESG).

G. Zuerkennung der Ansprüche

Über die Zuerkennung oder Abweisung eines Anspruchs auf Insolvenz-Ausfallgeld hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen mittels Bescheid abzusprechen (§ 7 Abs 2 IESG). Dabei ist es an gegenüber dem Antragsteller in Rechtskraft erwachsene gerichtliche Entscheidungen über gesicherte Ansprüche und an im Konkurs oder im Ausgleich festgestellte und im Anmeldungsverzeichnis eingetragene gesicherte Ansprüche grundsätzlich gebunden (§ 7 Abs 1 IESG). Eine Bindung tritt gem. § 7 Abs 1 IESG nicht ein, wenn der gerichtlichen Entscheidung kein streitiges Verfahren vorangegangen ist oder ein Anerkenntnisurteil gefällt wurde. Gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen kann der Arbeitnehmer innerhalb von vier Wochen ab Zustellung Klage beim Arbeits- und Sozialgericht erheben.

H. Legalzession

Die Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber bzw. die Konkursmasse gehen, soweit sie nicht bestritten werden, mit der Antragstellung und, soweit es sich um nicht bestrittene, aber der Anmeldung unterliegende Forderungen (§ 1 Abs 5 IESG) handelt, mit der Anmeldung im Insolvenzverfahren ex lege auf den IAG-Fonds über. Bestrittene Forderungen gehen mit der Zahlung des mit Bescheid zuerkannten Insolvenz-Ausfallgelds auf den Fonds über. Wurde über einen Anspruch durch das Arbeits- und Sozialgericht mit Urteil entschieden, so treten die gleichen Rechtsfolgen mit Zustellung des rechtskräftigen Urteils ein (§ 11 Abs 1 iVm § 10 IESG).

 

IV. Bevorrechtete Gläubigerschutzverbände

A. Voraussetzungen für eine Anerkennung als bevorrechteter Gläubigerschutzverband

Der Bundesminister für Justiz hat bei Bedarf, insbesondere unter Berücksichtigung der Erfordernisse eines umfassenden und wirksamen Schutzes von Gläubigerinteressen, zu deren zweckmäßigen Wahrnehmung in Insolvenzverfahren und einer damit verbundenen Unterstützung der Gerichte, Vereinen auf deren Antrag im Verordnungswege die Stellung eines bevorrechteten Gläubigerschutzverbandes mit Bescheid zuzuerkennen.

Der Verband hat verlässlich zu sein und sein Wirken muss auf ganz Österreich ausgerichtet sein. Er darf nicht gewinnorientiert sein und muss mindestens seit zwei Jahren auf dem Gebiet des Gläubigerschutzes erfolgreich tätig gewesen sein. Wird ein neuer Gläubigerschutzverband zugelassen, so ist in der Verordnung eine sechsmonatige Frist (Legisvakanz) bis zu deren Inkrafttreten zu bestimmen.14

B. Aufsicht, Entzug und Wegfall des Vorrechts

Der Justizminister übt die Aufsicht über die bevorrechteten Gläubigerschutzverbände aus. Er hat das Vorrecht mit Verordnung (contrarius actus) zu entziehen, wenn die Voraussetzungen der Verleihung wegfallen sind. Das Vorrecht erlischt mit der Auflösung des Verbandes.15 Das Erlöschen hat der Bundesminister mittels Verordnung (contrarius actus) festzustellen.16

C. Derzeit tätige bevorrechtete Gläubigerschutzverbände

Derzeit gibt es in Österreich drei bevorrechtete Gläubigerschutzverbände: Den Alpenländischen Kreditorenverband, Graz (AKV, bevorrechtet durch BGBl 1926/291, 1954/119), den Kreditschutzverband von 1870, Wien (KSV, bevorrechtet durch BGBl 1925/93) sowie den Insolvenzschutzverband für Arbeitnehmer (ISA, bevorrechtet mit BGBl 1998/323).17

D. Aufgabenbereiche

Die wichtigste Aufgabe der bevorrechteten Gläubigerschutzverbände liegt in der Beratung und Vertretung von Gläubigern. Gem. § 172 Abs 3 der Konkursordnung (KO) können sich Gläubiger auch durch einen bevorrechteten Gläubigerschutzverband vertreten lassen. Eine allgemeine Vertretungspflicht für die Gläubiger ist in den Insolvenzgesetzen grundsätzlich nicht vorgesehen.18

Zur Stellung eines Antrages auf Eröffnung eines Konkursverfahrens und im Verfahren erster Instanz kann sich der Gläubigerschutzverband, wenn er nicht durch ein satzungsgemäß berufenes Organ vertreten ist, nur eines seiner Bediensteten oder eines gesetzlich befugten Parteienvertreters als Bevollmächtigten bedienen. Den satzungsgemäß berufenen Organen der bevorrechteten Gläubigerschutzverbände sowie ihren Bevollmächtigten ist auch dann, wenn die Bevollmächtigung durch einen Gläubiger nicht ausgewiesen ist, die Einsichtnahme in die Akten zu gestatten, ohne dass ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht werden muss.19

Zusammenfassend sind folgende Leistungen der bevorrechteten Gläubigerschutzverbände hervorzuheben: Prüfung von Insolvenzgerüchten, Verständigung der betroffenen Gläubiger von bevorstehenden und eröffneten Insolvenzen, Vertretung bei Forderungsanmeldungen, Ausübung des Stimmrechts bei Tagsatzungen, Überwachung der Forderungserfüllung, Durchsetzung von Aussonderungsrechten, Forderungsbestreitungen, Klärung von Rechtsfragen sowie laufende Ausarbeitung von kommentierten Insolvenzstatistiken.20

E. Forderungsrang und Höhe der Entlohnung

Die Kosten der bevorrechteten Gläubigerschutzverbände stellen im Konkurs eine Masseforderung21 (§ 46 Abs 1 Z 8 KO) und im Ausgleich eine bevorrechtete Forderung (§ 23 Abs 1 Z 5 Ausgleichsordnung [AO]) dar. Die Höhe der Forderung entspricht dem Anspruch auf Belohnung22 inkl. Umsatzsteuer23 (§ 87a KO bzw. § 35a AO). Belohnt wird die Tätigkeit der Gläubigerschutzverbände zur Unterstützung des Gerichts sowie für die Vorbereitung eines Zwangsausgleichs bzw. die Ermittlung und Sicherung des Vermögens zum Vorteil aller Gläubiger.

Die Belohnung beträgt für alle am Verfahren beteiligten bevorrechteten Gläubigerschutzverbände in der Regel 10% der dem Masseverwalter zustehenden Nettoentlohnung, wenn es zur Verteilung der Masse an die Konkursgläubiger kommt (§ 87a Abs 1 Z 1 KO) bzw. 15% der Nettoentlohnung bei Annahme eines Zwangsausgleichs (§ 87a Abs 1 Z 2 KO).24 Für das Ausgleichsverfahren sieht § 35a AO eine Regelentlohnung von 20% von der dem Ausgleichsverwalter zustehenden Nettoentlohnung vor.25

 

V. Insolvenzverwalterentlohnung

A. Anforderungen

Als weitere Rahmenbedingung einer Insolvenzrechtsordnung ist eine die spezifischen Qualifikationen eines Insolvenzverwalters abgeltende und notwendig leistungsorientierte Insolvenzverwalterentlohnung zu nennen. Ein ausgewogenes Entlohnungssystem kann sich auf diesen mit zentralen Aufgaben ausgestatteten Berufsstand motivierend auswirken. Nur ein ausreichend entlohnter Insolvenzverwalter kann zur effektiven Realisierung einer Insolvenzrechtsordnung wesentlich beitragen.

B. Gesetzliche Regelung und allgemeine Entlohnungstatbestände

Mit dem Inkrafttreten des IVEG26 am 1.5.1999 wurde im österreichischen Konkurs- und Ausgleichsverfahren eine grundlegende Änderung des Entlohnungsrechts geschaffen. Die gesetzlichen Regelungen über die Masseverwalterentlohnung finden sich in den §§ 82 bis 82d KO und sind nun ausführlicher geregelt. Inhaltlich betrachtet sieht das IVEG eine reine Tätigkeitsentlohnung vor, wobei bestimmte (Miss)Erfolge eine Anpassung der Honorarhöhe nach sich ziehen.27 Grundlage des Entlohnungssystems ist die sog Regelentlohnung.28

Es handelt sich dabei um die Entlohnung von jenen Tätigkeiten, die in jedem Insolvenzverfahren zur Tätigkeit des Insolvenzverwalters gehören. Die Bemessungsgrundlage29 ist gem. § 82 Abs 2 KO der vom Insolvenzverwalter erzielte Bruttoerlös, abzüglich jener Beträge, die aus der Masse an diesen (z.B. Kosten für die Prozessführung) oder an Dritte (z.B. für Sachverständigengutachten) geleistet wurden.

Neben der Entlohnung des Insolvenzverwalters im Konkurs sieht der Gesetzgeber eine Entlohnung des Insolvenzverwalters für die Fortführung des Unternehmens (§ 82 Abs 3 KO), für die Annahme eines Zwangsausgleichs (§ 82a KO), für die Verwertung von Sondermassen (Absonderungsgut [§ 82d KO]), im Schuldenregulierungsverfahren (§ 191 KO) sowie im Ausgleichsverfahren (§ 33 AO) vor.

C. Gründe für die Erhöhung bzw. Verminderung der Regelentlohnung

Die Gründe für die Erhöhung bzw. Verminderung der Regelentlohnung nach den § 82 und 82a KO sind an außergewöhnliche Umstände gekoppelt. Gründe für eine Erhöhung liegen in der Schwierigkeit des Verfahrens,30 im mit der Bearbeitung der Arbeitsverhältnisse und mit der Prüfung von Aus- und Absonderungsrechten verbundenen besonderen Aufwand und in einem für die Konkursgläubiger erzielten besonderen Erfolg (§ 82b Z 1 bis 4 KO). Maßgebliche Gründe für eine Verminderung der Regelentlohnung sind die Einfachheit des Verfahrens, eine geringe Anzahl von Arbeitnehmern, die Tatsache, dass der Insolvenzverwalter auf bestehende Strukturen des gemeinschuldnerischen Unternehmens zurückgreifen konnte bzw. dass der erzielte Erfolg nicht auf die Tätigkeit des Insolvenzverwalters zurückzuführen war, sondern auf Leistungen des Gemeinschuldners oder von Dritten (§ 82c Z 1 bis 4 KO).

Das Ausmaß der Erhöhung bzw. der Verminderung der Regelentlohnung liegt im Ermessen des Insolvenzgerichts. Dieses hat das im Einzelfall zustehende Honorar nach freier richterlicher Überzeugung festzusetzen. Eine Unterschreitung der Mindestentlohnung ist hier möglich.

 

Anmerkungen

1

Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern, Arbeiterkammertag und Österreichischer Gewerkschaftsbund.

2

Von 1947 bis 1951 wurden insgesamt fünf Preis-Lohn-Abkommen abgeschlossen.

3

Vgl. zu alldem Abele/Nowotny/Schleicher/Winckler, Handbuch der Österreichischen Wirtschaftspolitik (1989) 62 ff.

4

An dieser Stelle sei auch auf eine weitere wesentliche Kompetenz der Interessenvertretungen hingewiesen, nämlich auf deren Kollektivvertragsfähigkeit.

5

BGBl 1985/104.

6

Der Arbeitnehmerbegriff ist in diesem Zusammenhang weit zu verstehen.

7

BGBl 1977/324 (mehrfach novelliert).

8

Vgl. dazu Liebeg, ÖJZ 1990, 680.

9

Die einschlägigen Bestimmungen dazu finden sich nicht in der Konkurs- bzw. Ausgleichsordnung sondern in den §§ 82 ff des Bankwesengesetzes (BWG, BGBl 1993/532).

10

Beendigung der Vermögensverteilung einer sich in Auflösung befindlichen Handelsgesellschaft.

11

Unzuständigkeit des Gerichts.

12

Vgl. dazu Liebeg, ÖJZ 1990, 687.

13

Vgl. dazu die Auflistung in § 1 Abs 3 Z 1 bis 6 IESG.

14

Siehe § 11 Abs 1 und 2 Insolvenzrechtseinführungsgesetz (IEG).

15

Deixler-Hübner, Privatkonkurs (1996) Rz 27.

16

Siehe § 11 Abs 4 und 5 IEG.

17

Konecny/Riel, Entlohnung im Insolvenzverfahren (1999) Rz 26

18

Heil, Insolvenzrecht (1989), Rz 50 und Rz 54.

19

Nicht bevorrechtete Gläubigerschutzverbände sind zur Vertretung von Gläubigern in Insolvenzverfahren nicht berechtigt. Dass sich ein nicht bevorrechteter Verband von einem Rechtsanwalt vertreten lässt, ändert nichts an seiner eigenen Vertretungstätigkeit (OGH 24.9.1991 = JBl 1992, 397).

20

Ein Überblick über weitere Leistungen findet sich bspw. unter der Internetadresse www.ksv.at.

21

Senoner, Handbuch der Kostendeckung (1999) 99.

22

Das Gesetz spricht bewusst von Belohnung, da sich die Verbände durch Mitgliedsbeiträge udgl finanzieren und ihnen nur die Kosten für die Tätigkeiten, die sie im konkreten Insolvenzverfahren im Interesse aller Gläubiger entfalten, zusätzlich abgegolten werden, Konecny/Riel, Entlohnung, Rz 398.

23

Barauslagen werden nicht gesondert ersetzt.

24

Die so errechnete Mindestbelohnung beträgt ca. ATS 2.800.- bzw. ca. ATS 4.200.-, Konecny/Riel, Entlohnung, Rz 413.

25

Die Höhe der Belohnung beträgt somit mindestens ATS 5.600.-, Konecny/Riel, Entlohnung, Rz 490.

26

Insolvenzverwalter-Entlohnungsgesetz BGBl I 1999/73.

27

Konecny, Entlohnung im österreichischen Insolvenzverfahren, ZInsO 4/2000, 185.

28

Die Entlohnung ist eine Masseforderung gemäß § 46 Abs 1 Z 1 KO.

29

Die Entlohnung ist gemäß § 82 Abs 1 KO gestaffelt. Sie beträgt von den ersten 300.000.- ATS der Bemessungsgrundlage 20%. Die Mindestentlohnung hat ATS 28.000.- zu betragen.

30

Die Prüfung von 20 Konkursforderungen im Ausmaß von ca. ATS 4 Millionen stellt im Vergleich zu zahlreichen anderen Insolvenzverfahren keine besonders aufwendige Tätigkeit dar (OLG Graz 2.6.1998, 3 R 82/98y).

Begegnungen17-II_Smid2

Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 17/II:51–76.

STEFAN SMID

Ausgewählte autonome internationale Insolvenzrechte

Verordnung des Rates über Insolvenzverfahren UNCITRAL-Modellbestimmungen über grenzüberschreitende Insolvenzverfahren

 

I. Einleitung

Fragen und Lösungen auf dem Gebiet des internationalen Insolvenzrechts gewinnen weltweit mit der Zunahme grenzüberschreitender wirtschaftlicher Verflechtungen an Bedeutung. In Europa verleiht die Öffnung des vormals planwirtschaftlich strukturierten mittel- und osteuropäischen Wirtschaftsraums diesem Bedeutungszuwachs eine besondere Dynamik. Im Zentrum dieser Entwicklung stehen Länder wie Ungarn, die zu den engsten Kandidaten bei der Aufnahme als Mitglied in die Europäische Union (EU) zählen. Überdies erscheint eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Regelungen des internationalen Insolvenzrechts – dies gilt nicht nur für die Reformstaaten Mittel- und Osteuropas – auch dann geboten, wenn eine Insolvenzrechtsordnung, sei es aufgrund positiv-rechtlicher Verankerung oder aufgrund der Entwicklung durch die Rechtsprechung, dem sogenannten Territorialitätsprinzip1 folgt, da die Verordnung des Rates über Insolvenzverfahren von diesem Prinzip Abstand nimmt und zu einem System „kontrollierter” Universalität2 überleitet.

In der folgenden Abhandlung sollen die autonomen internationalen Insolvenzrechte Österreichs, Deutschlands, Italiens, Frankreichs und des Vereinigten Königreichs (England und Wales) in ihren Grundprinzipien beschrieben werden. Im Rahmen der Darstellung des österreichischen internationalen Insolvenzrechts wird auch auf die Verordnung des Rates über Insolvenzverfahren3 eingegangen, die mit 31. 5. 2002 in Kraft tritt. Die UNCITRAL-Modell-Bestimmungen (siehe III.) über grenzüberschreitende Insolvenzverfahren, die ebenfalls nach einheitlichen Standards im Bereich des internationalen Insolvenzrechts trachten, werden abschließend behandelt.

 

II. Länderbericht

A) Österreich

1. Rechtslage im Bereich des österreichischen internationalen Insolvenzrechts bis zum Inkrafttreten der Verordnung des Rates über Insolvenzverfahren am 31. 5. 2002

Nach dem Territorialitätsprinzip beziehen sich die Wirkungen der Konkurseröffnung nur auf das im Inland gelegene Vermögen des Gemeinschuldners.4 Auch in der jüngsten Entscheidung5 zu § 1 Abs 1 der österreichischen Konkursordnung (öKO)6 vertritt der österreichische Oberste Gerichtshof (öOGH) strikt das Territorialitätsprinzip, während die Lehre7 diesbezüglich geteilter Meinung ist. Soweit also nicht ein Insolvenzabkommen8 mit einem anderen Staat besteht, sind ausländische Insolvenzmaßnahmen grundsätzlich wirkungslos; ihre Anerkennung hängt von einer durch Staatsverträge verbürgten Gegenseitigkeit ab. Das Gegenseitigkeitsprinzip spielt jedoch, bedingt durch die geringe Anzahl von insolvenzrechtlichen Staatsverträgen und die restriktive Haltung des § 180 öKO betreffend die Anerkennung ausländischer Konkursverfahren, derzeit nur eine geringe Rolle.

In seiner Entscheidung vom 25. 11. 1999 hat der öOGH den österreichischen Gesetzgeber jedoch dazu aufgefordert, durch den Abschluss von internationalen Insolvenzübereinkommen dem Grundsatz der Universalität des Inlandskonkurses zum Durchbruch zu verhelfen. Diese Aufforderung ist auch im Hinblick auf die Regelungen der UNCITRAL9-Modellbestimmungen10 über grenzüberschreitende Insolvenzverfahren zu sehen, die ebenfalls die Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren, die Zusammenarbeit im Justizwesen und den Gerichtszugang für ausländische Insolvenzverwalter anstreben und somit wesentlich vom Gedanken des Universalitätsprinzips getragen sind.

2. Rechtslage in Österreich nach dem Inkrafttreten der Verordnung mit 31. 5. 2002

Mit dem Inkrafttreten der Verordnung über Insolvenzverfahren (diese ersetzt das 1995 unterzeichnete, aber nie in Kraft getretene Übereinkommen über Insolvenzverfahren) gelten deren Bestimmungen für sämtliche EU-Mitgliedstaaten – mit Ausnahme Dänemarks – unmittelbar.11 Der Rechtssetzungsakt der VO ist jene Rechtshandlung, die mit den umfassendsten Rechtswirkungen ausgestattet ist, da sie am weitestgehenden in die nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der EU eingreift.12 Es handelt sich dabei um einen Rechtssetzungsakt generell-abstrakter Art, der die beabsichtigte Regelung bereits selbst enthält. Eine Verordnung ist für die Mitgliedstaaten in allen Teilen verbindlich und gilt – wie bereits erwähnt – unmittelbar in jedem EU-Staat.13 Zu ihrer Vollziehung bedarf es somit keines Transformationsaktes in den jeweiligen nationalen Rechtsbestand.14 Materiell ist eine Verordnung einem innerstaatlichen Gesetz gleichzustellen.15 Mit 31. 5. 2002 treten somit die von Österreich mit anderen EU-Mitgliedstaaten (Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien) abgeschlossenen Übereinkünfte außer Kraft (vgl. dazu die Auflistung im Art 44 der Verordnung über Insolvenzverfahren). Gegenüber Drittstaaten ist das österreichische Konkursverfahren jedoch weiterhin entsprechend der Judikatur des öOGH auf das inländische Vermögen beschränkt,16 es sei denn, es wird mit diesen Staaten ein Abkommen geschlossen.

3. Verordnung des Rates über Insolvenzverfahren (Nr 1346/2000)

a. Entstehungsgeschichte17

Den Beginn der Arbeiten zur Schaffung eines Übereinkommens stellt die im Zuge der Ausarbeitung des Europäischen Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) gewonnene Erkenntnis dar, dass ein Insolvenzübereinkommen – über die Regelung der Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen hinaus – auch Bestimmungen materiell-rechtlichen Inhalts zu umfassen habe. Diesbezügliche Bestrebungen mündeten in einen – von der Fachwelt kritisch aufgenommenen – Vorentwurf aus dem Jahre 1971 und in einer nicht minder kritisierten überarbeiteten Version aus dem Jahre 1980. Zur Entspannung der verhärteten Positionen wurden schließlich die Arbeiten an diesem Übereinkommen unterbrochen, um die Ergebnissen einem von der Schweiz initiierten Konkursübereinkommen des Europarates abzuwarten, das im Juni 1990 in Istanbul zur Zeichnung aufgelegt wurde (sogenanntes Istanbuler Übereinkommen), jedoch mangels der zu seinem Inkrafttreten notwendigen Anzahl von drei Ratifikationen praktisch keine Bedeutung erlangt hat.18 Die am Übereinkommen über Insolvenzverfahren wieder aufgenommenen Arbeiten wurden 1995 abgeschlossen.

Am 23. 11. 1995 hat der Rat der Europäischen Union das Europäische Übereinkommen über Insolvenzverfahren (EuIÜ) verabschiedet. Das Übereinkommen lag bis zum 23. 5. 1996 zur Zeichnung auf und wurde von allen damaligen EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Großbritannien ratifiziert. Um den nach Ablauf der Zeichnungsfrist eingetretenen Stillstand zu beseitigen, haben die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Finnland mit ihrer – durch den Vertrag von Amsterdam ermöglichten – dem Rat am 26. 5. 1999 vorgelegten Initiative die Annahme einer Verordnung des Rates über Insolvenzverfahren versucht. Das Hauptanliegen der Initiative war es, den Inhalt des EuIÜ möglichst ohne Veränderungen in ein neues Rechtsinstrument „umzugießen”. Entschieden musste ferner auch werden, ob als neues Rechtsinstrument eine Richtlinie oder eine Verordnung gewählt werden sollte. Insbesondere die Kommis- sion19 der Europäischen Union sprach sich für eine Verordnung aus, da nur über diese ein Höchstmaß an Rechtsvereinheitlichung in relativ kurzer Zeit erzielt werden könne.20 Einem etwaigen Anpassungsbedarf in den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen wurde daher mit einer zweijährigen Legisvakanz Rechnung getragen.

Die Verordnung über Insolvenzverfahren wurde am 29. 5. 2000 vom Rat der Europäischen Union verabschiedet und wird – wie bereits erwähnt – am 31. 5. 2002 in Kraft treten. Die beiden Regelungswerke sind – abgesehen davon, dass die Verordnung infolge des bei einer solchen vorgesehenen Vorabentscheidungsverfahrens,21 anders als das EuIÜ, keine Bestimmung über die Auslegung durch den EuGH enthält – völlig identisch. Da auch die Organe der Mitgliedstaaten zur Anwendung des Gemeinschaftsrechts berufen sind, könnte dieses durch verschiedene Anwendungspraktiken in den einzelnen Mitgliedstaaten allmählich ein völlig verschiedenes Gesicht erhalten. Um dies zu vermeiden und eine einheitliche Auslegung und Anwendung von Gemeinschaftsrecht zu gewährleisten, sollte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Form eines Vorabentscheidungsverfahrens das Monopol zur Auslegung von Gemeinschaftsrecht vorbehalten werden. Antragsberechtigt und -verpflichtet sind nur Gerichte. Anderen mitgliedstaatlichen Organen kommt weder ein Vorlagerecht noch eine Vorlagepflicht zu.

b. Verordnungsinhalt

Vorausbemerkungen

Im Interesse eines ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarktes ist es von großer Bedeutung, dass es für die Parteien nicht vorteilhafter ist, Vermögensgegenstände oder Rechtsstreitigkeiten von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu verlagern, um auf diese Weise eine verbesserte Rechtstellung (sogenanntes „forum shopping”) anstreben zu können (L22 160/1 [4]23). Zur Verwirklichung des Ziels einer Verbesserung der Effizienz und Wirksamkeit von Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitender Wirkung ist es daher notwendig und angemessen, die Bestimmungen über den Gerichtsstand, die Anerkennung und das anwendbare Recht in diesem Bereich in einem gemeinschaftlichen Rechtsakt zu bündeln, der verbindlich ist und unmittelbar gilt (L 160/1 [8]). In den folgenden Ausführungen sollen in Kürze die wichtigsten Regelungen der Verordnung dargestellt werden. Auf die allgemeinen Zielsetzungen (Erwägungsgründe) – diese sind dem Verordnungstext vorangestellt – soll im gegebenen Zusammenhang hingewiesen werden. Im Anhang der Verordnung finden sich schließlich die in den Mitgliedstaaten existierenden Verfahrens- und Verwaltertypen.24

Geltungsbereich

Gemäß Art 1 Abs 1 gilt die Verordnung für Gesamtverfahren,25 welche die Insolvenz des Schuldners voraussetzen und den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters26 zur Folge haben. Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind beispielsweise Insolvenzverfahren über das Vermögen von Versicherungsunternehmen oder Kreditinstituten (Art 1 Abs 2). Diese Unternehmen werden von der Verordnung deshalb ausgenommen, da für sie regelmäßig besondere Vorschriften gelten und die nationalen Aufsichtsbehörden teilweise sehr weitgehende Eingriffsbefugnisse haben (L 160/2 [9]). Die Verordnung gilt weiters nur für jene Verfahren, bei denen der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners in der Gemeinschaft liegt (L 160/2 [14]). Als Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen gilt der Ort, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und der damit für Dritte feststellbar ist (L 160/2 [13]). Bei Gesellschaften und juristischen Personen wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort des satzungsgemäßen Sitzes ist (Art 3 Abs 1 Satz 2).

Internationale Gerichtszuständigkeit

Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Hauptinsolvenzverfahrens) sind somit die Gerichte jenes Mitgliedstaates zuständig, in dessen Gebiet (Gerichtssprengel) der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat (Art 3 Abs 1 Satz 1). Der Begriff des „Gerichts” ist weit auszulegen. Es handelt sich dabei um jede Person oder Stelle, die nach einzelstaatlichem Recht befugt ist, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen. Das Verfahren hat nicht nur mit der Verordnung in Einklang zu stehen, sondern es muss sich auch um ein Gesamtverfahren handeln, das den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge hat (L 160/2 [10]). Nach der Definition des Art 2 lit d ist ein Gericht ein Justizorgan oder jede sonstige zuständige Stelle eines Mitgliedstaates, das befugt ist, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen oder im Laufe des Verfahrens Entscheidungen zu treffen. Bei einem Zuständigkeitskonflikt zweier Mitgliedstaaten, ein Hauptinsolvenzverfahren zu eröffnen, soll die Entscheidung des zuerst eröffnenden Gerichts endgültig anerkannt werden (L 160/3 [22].

Anwendbares Recht

Soweit die Verordnung nichts anderes bestimmt, gilt für das Insolvenzverfahren (Hauptverfahren) und seine Wirkungen das Insolvenzrecht des Mitgliedstaates, in dem das Verfahren eröffnet wird (Staat der Verfahrenseröffnung). Die Anerkennung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Art 3 (Haupt-, Sekundär- oder Partikularinsolvenzverfahren) durch das zuständige Gericht erfolgt in allen übrigen Mitgliedstaaten automatisch, sobald die Entscheidung im Staat der Verfahrenseröffnung wirksam geworden ist (Art 16). Gemäß Art 2 lit h ist bei beweglichen Gegenständen das Verfahren in jenem Mitgliedstaat zu eröffnen, auf dessen Territorium sich der Gegenstand befindet; bei Gegenständen oder Rechten, bei denen das Eigentum oder die Rechtsinhaberschaft (Rechtszuständigkeit) in ein öffentliches Register einzutragen ist, in dem Mitgliedstaat, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird; und bei Forderungen in jenem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der zur Leistung verpflichtete Dritte den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen im Sinne von Art 3 Abs 1 hat (vgl. dazu bei lit b und c).

Dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung bleibt aufgrund der demonstrativen Auflistung des Art 4 Abs 2 lit a bis m beispielsweise die Regelung vorbehalten, bei welcher Art von Schuldnern ein Insolvenzverfahren zulässig ist (lit a), welche Vermögenswerte zur Masse gehören (lit b), welche Befugnisse der Verwalter und der Schuldner haben (lit c), wie die Anmeldung, Prüfung und Feststellung der Forderungen abzulaufen hat (lit h), die Festlegung der Gläubigerränge (lit i) oder auch die Feststellung, welche Rechtshandlungen nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen (lit m). Gemäß Art 13 findet Art 4 Abs 2 lit m keine Anwendung, wenn die Person, die durch eine die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Handlung begünstigt wurde, nachweist, dass für diese Handlung das Recht eines anderen Mitgliedstaates als des Staates der Verfahrenseröffnung maßgeblich ist und die Handlung in keiner Weise nach dem Recht dieses Mitgliedstaates beseitigbar (anfechtbar im weitesten Sinn) ist.

Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren (Prinzip der „kontrollierten” Universalität)

Wie bereits erwähnt, hat die Verordnung zum Ziel, dem „gemäßigten” oder auch „kontrollierten” Universalitätsprinzip zum Durchbruch zu verhelfen, da aufgrund der erheblichen Unterschiede im materiellen Recht ein einziges, universell gültiges Insolvenzverfahren nicht realisierbar ist. Dies gilt insbesondere für den sehr unterschiedlich ausgeprägten Komplex der Sicherungsrechte (vgl. dazu unter lit g). Auch Vorrechte der einzelnen Gläubigergruppen sind teilweise völlig unterschiedlich ausgestaltet. Die Verordnung trägt diesen Aspekten dadurch Rechnung, dass einerseits Sonderanknüpfungstatbestände bestehen und andererseits neben dem Hauptinsolvenzverfahren mit universeller Geltung auch innerstaatliche Verfahren (sog Sekundärinsolvenzverfahren27) zulässig sind, die lediglich das im Eröffnungsstaat belegene Vermögen erfassen (Art 3 Abs 2 letzter Satz). Ein Sekundärinsolvenzverfahren kann in dem Mitgliedstaat eröffnet werden, in dem der Schuldner eine Niederlassung28 hat. Ist durch ein Gericht eines Mitgliedstaates ein Hauptinsolvenzverfahren nach Art 3 Abs 1 eröffnet worden, das in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt worden ist, so kann ein nach Art 3 Abs 2 zuständiges Gericht29 dieses anderen Mitgliedstaates ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnen, ohne dass in diesem anderen Mitgliedstaat die Insolvenz des Schuldners geprüft wird.30 Seine Wirkungen sind auf das in dem betreffenden Mitgliedstaat belegene Vermögen des Schuldners beschränkt (Art 27).

Soweit die Verordnung nichts anderes bestimmt, finden auf das Sekundärinsolvenzverfahren die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates Anwendung, in dessen Gebiet dieses Verfahren eröffnet worden ist (Art 28). Ein Sekundärinsolvenzverfahren kann neben dem Schutz der inländischen Interessen auch anderen Zwecken dienen, vor allem dann, wenn das Vermögen des Schuldners zu sehr „verschachtelt” ist, um als Gesamtheit verwaltet zu werden, oder wenn die Unterschiede in den betroffenen Rechtssystemen zu groß sind. Der Verwalter des Hauptverfahrens kann dann die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens beantragen (L 160/2 [19]). Hauptinsolvenzverfahren und Sekundärinsolvenzverfahren können aber nur dann zu einer effizienten Verwertung der Insolvenzmasse beitragen, wenn sie koordiniert werden. Zu diesem Zweck sind dem Verwalter Einwirkungsmöglichkeiten auf gleichzeitig anhängige Sekundärinsolvenzverfahren zu ermöglichen. Er sollte beispielsweise einen Sanierungsplan oder einen Vergleich vorschlagen oder die Aussetzung der Verwertung der Masse im Sekundärinsolvenzverfahren beantragen können (Art 34 und L 160/3 [20]). Art 31 Abs 1 sieht daher die Pflicht zur gegenseitigen Unterrichtung der im Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren bestellten Verwalter vor. Sie haben einander unverzüglich alle Informationen mitzuteilen, die für das jeweilige andere Verfahren von Bedeutung sein können, insbesondere den Stand der Anmeldung und die Prüfung der Forderungen sowie alle Maßnahmen zur Beendigung eines Insolvenzverfahrens. Gemäß Art 31 Abs 3 hat der Verwalter des Sekundärinsolvenzverfahrens dem Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens zu gegebener Zeit Gelegenheit zu geben, Vorschläge für die Verwertung der Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens zu unterbreiten.

Verwalterstellung und Befugnisse des Verwalters

Die Bestellung zum Verwalter ist durch eine beglaubigte Abschrift der Entscheidung über seine Bestellung oder durch eine andere vom zuständigen Gericht ausgestellte Bescheinigung nachzuweisen (Art 19). Der durch das zuständige Gericht bestellte Verwalter darf im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates alle Befugnisse ausüben, die ihm nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung zustehen, solange im anderen Staat nicht ein weiteres Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden ist. Insbesondere kann er – vorbehaltlich des Art 5 (Dingliche Rechte Dritter) und des Art 7 (Eigentumsvorbehalt) – zur Masse gehörende Gegenstände aus dem Gebiet des Mitgliedstaats entfernen, in dem sich diese befinden (Art 18 Abs 1). Die Befugnisse dürfen aber nicht zur Anwendung von Zwangsmitteln führen oder das Recht umfassen, Rechtsstreitigkeiten oder andere Auseinandersetzungen zu entscheiden (Art 18 Abs 3). Zu den Rechten des Verwalters bei der Ausübung von Gläubigerrechten vgl. bei lit h.

Dingliche Rechte Dritter und Eigentumsvorbehalt

Ein besonderes Bedürfnis für eine vom Recht des Eröffnungsstaates abweichende Sonderanknüpfung besteht bei dinglichen Rechten, da diese für die Gewährung von Krediten von erheblicher Bedeutung sind. Die Begründung, Gültigkeit und Tragweite eines solchen dinglichen Rechts richtet sich deshalb nach dem Recht des Belegenheitsortes (lex rei sitae) und wird von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt. Der Inhaber des dinglichen Rechts kann sein Recht zur Aus- bzw. Absonderung am Sicherungsgegenstand weiter geltend machen. Gemäß Art 5 wird das dingliche Recht eines Gläubigers oder eines Dritten an körperlichen oder unkörperlichen, beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen des Schuldners – sowohl an bestimmten Gegenständen als auch an der Mehrheit von nicht bestimmten Gegenständen mit wechselnder Zusammensetzung, die sich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Gebiet eines anderen Vertragsstaates befinden – von der Eröffnung des Verfahrens nicht berührt. Dingliche Rechte können somit nicht nur an bestimmten Gegenständen, sondern auch am Gesamtvermögen bestehen. Damit wird auch die im britischen und irischen Recht bekannte floating charge erfasst.31

Alle dinglichen Sicherungsrechte an im Ausland befindlichen Gegenständen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, bleiben vom Hauptinsolvenzverfahren unberührt.32 Diese sind im Rahmen eines Sekundärinsolvenzverfahrens zu verwerten. Wird kein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet, so ist der überschießende Erlös aus der Veräußerung der Vermögensgegenstände, an denen dingliche Rechte bestanden, an den Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens abzuführen (L 160/3 [25]). In Übereinstimmung mit der Behandlung dinglicher Rechte sieht Art 7 vor, dass das Insolvenzverfahren die Rechte des Verkäufers aus einem Eigentumsvorbehalt unberührt lässt, wenn sich die Sache bei Verfahrenseröffnung in einem anderen Mitgliedstaat befindet.

Ausübung von Gläubigerrechten und Forderungsanmeldung

Jeder Gläubiger, der seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in der Gemeinschaft hat, hat das Recht, seine Forderungen in jedem in der Gemeinschaft anhängigen Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners anzumelden. Im Interesse der Gläubigergleichbehandlung muss jedoch die Verteilung des Erlöses koordiniert werden. Jeder Gläubiger sollte zwar behalten dürfen, was er im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erhalten hat, sollte aber an der Verteilung der Masse in einem anderen Verfahren erst dann teilnehmen können, wenn die Gläubiger gleichen Ranges die gleiche Quote auf ihre Forderung erlangt haben (Art 32, Art 39 und L 160/3 [21]). Die Verwalter des Haupt- und der Sekundärinsolvenzverfahren haben in den jeweils anderen Verfahren die Forderungen anzumelden. Die Gläubiger haben jedoch das Recht, dies abzulehnen oder die Anmeldung zurückzuziehen (Art 32 Abs 2). Der Verwalter eines Haupt- oder Sekundärinsolvenzverfahrens ist berechtigt, wie ein Gläubiger an einem anderen Insolvenzverfahren mitzuwirken, insbesondere indem er an der Gläubigerversammlung teilnimmt (Art 32 Abs 3). Für die Forderungsanmeldung ist erforderlich, dass der Gläubiger eine Kopie von (gegebenenfalls) vorhandenen Belegen übersendet, die Art, Entstehungszeitpunkt und Höhe der Forderung angeben und darüber Auskunft geben, ob er für die Forderung ein Vorrecht, eine dingliche Sicherheit oder einen Eigentumsvorbehalt beansprucht und welche Vermögenswerte Gegenstand seiner Sicherheit sind (Art 41).

Arbeitsvertragsrechtliche Regelungen

Zum Schutz der Arbeitnehmer und der Arbeitsverhältnisse müssen die Wirkungen der Insolvenzverfahren auf die Fortsetzung oder Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie auf die Rechte und Pflichten aller an einem solchen Arbeitverhältnis beteiligten Parteien durch das gemäß den allgemeinen Kollisions- normen für den Vertrag maßgebliche Recht bestimmt werden. Sonstige insolvenzrechtliche Fragen, wie etwa, ob die Forderungen der Arbeitnehmer durch ein Vorrecht geschützt sind und welchen Rang dieses Vorrecht gegebenenfalls erhalten soll, bestimmen sich nach dem Recht des Eröffnungsstaates (Art 10 und L 160/4 [28]).

Ordre Public

Jeder Mitgliedstaat kann es ablehnen, ein in einem anderen Mitgliedstaat eröffnetes Insolvenzverfahren anzuerkennen oder in einem solchen Verfahren ergangene Entscheidungen zu vollstrecken, soweit diese Anerkennung oder Vollstreckung zu einem Ergebnis führt, das offensichtlich mit seiner öffentlichen Ordnung, insbesondere mit den Grundprinzipien oder den verfassungsmäßig garantierten Rechten und Freiheiten der Einzelperson, unvereinbar ist (Art 26).

c. Abschließende Bemerkungen

Mit der Verordnung des Rates über Insolvenzverfahren wurde ein wichtiger Schritt in Richtung einer einheitlichen Abwicklung von grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren gesetzt. Das System der „kontrollierten” Universalität, welches der Verordnung zugrunde liegt, ermöglicht die Einbeziehung von Vermögen in verschiedenen Mitgliedstaaten, bringt somit im Bereich der EU eine Abkehr vom Territorialitätsprinzip mit sich, überlässt aber sensible Bereiche des Insolvenzrechts weiterhin der überwiegenden oder ausschließlichen Regelung des jeweiligen Mitgliedstaates.

 

B) Deutschland

1. Jüngste Entwicklung im Bereich des autonomen deutschen internationalen Insolvenzrechts

Art 102 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung (EGInsO) regelt das deutsche internationale Insolvenzrecht. Während die Konkursordnung von 1877 in ihren §§ 237 f nur sehr kurze Regelungen vorsah, trifft die neue Insolvenzordnung (InsO) überhaupt keine Normierung mehr. Dazu stehen die langjährigen Reformbemühungen in einem deutlichen Widerspruch. Der Regierungsentwurf (RegE) zum EGInsO sah noch einen Neunten Titel vor, dessen §§ 379 bis 399 das internationale Insolvenzrecht regeln sollten. Der Reformentwurf sah sich aber aus einer Reihe von Gründen erheblichen Einwänden33 ausgesetzt, von denen viele bis heute noch nicht erledigt sind.

Nach 16-jähriger intensiver Diskussion wurde dann im Frühjahr 1994 sehr rasch der RegEInsO in das Gesetzgebungsverfahren gebracht. Dabei wurde insbesondere durch den Rechtsausschuss (RechtsA) des Deutschen Bundestags34 eine Reihe von Kürzungen vorgenommen, um das neue, sehr umfangreiche Gesetz der Kritik zu entziehen. Diesen kurzfristig und nicht immer sehr reflektiert vorgenommenen Kürzungen35 fielen auch die Vorschriften zum Internationalen Insolvenzrecht zum Opfer. Art 102 InsO hat im RegE zum EGInsO kein Gegenstück. Der RechtsA stützte seine Politik auf die Hoffnung, dass das Europäische Insolvenzrechts-Übereinkommen alsbald ratifiziert und als geltendes Recht in Kraft treten werde.36

Dem RechtsA, der diese Verkettung von Umständen freilich nicht hat absehen können, erschien es sinnvoll, mit einer umfassenden Neuregelung des deutschen internationalen Insolvenzrechts bis zur „Fertigstellung” des Übereinkommens zu warten (zur nunmehrigen Verordnung des Rates über Insolvenzverfahren siehe oben II. A. 3.). Diese Neuregelung soll in der Weise vorgenommen werden, dass in das Zustimmungsgesetz zur Verordnung eine Regelung aufgenommen wird, nach der die Vorschriften der Verordnung im wesentlichen unverändert auch im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten anzuwenden sind. Für den Zeitraum bis zum Inkrafttreten der Verordnung mit 31. 5. 2002 wird es als ausreichend angesehen, in Art 102 EGInsO die „wesentlichen Grundsätze eines modernen deutschen internationalen Insolvenzrechts” niederzulegen.37

2. Universalität

Die Regelungen des deutschen internationalen Insolvenzrechts beschränken sich auf die Anordnung des kollisionsrechtlichen Universalitätsprinzips mit der Folge, dass bei internationaler Zuständigkeit des eröffnenden Gerichtes des fremden Staates sich die Wirkungen des Eröffnungsbeschlusses auch auf das deutsche Hoheits- und Rechtsgebiet erstrecken und somit das im Inland belegte Schuldnervermögen erfassen (Art 102 Abs 1 S 1 EGInsO).38 Es gilt das Spiegelbildprinzip, das heißt dass die Anerkennung des ausländischen Insolvenzverfahrens im Inland von der internationalen Zuständigkeit des ausländischen Gerichtes nach inländischem (deutschen) Recht abhängt. Damit wird eine Wende legislatorisch nachgezeichnet, die vom Territorialitätsprinzip, das nach früherer Ansicht39 in § 237 KO40 angelegt sein sollte, hin zur inländischen Wirkung des im Ausland eröffneten Insolvenzverfahrens (vgl. dazu die [west-]deutsche Judikatur41) vollzogen wurde.

Die deutsche Lehre thematisiert heute nicht mehr die Problematik, die sich für die staatliche Souveränität42 aus der Anerkennung der Wirkungen von Hoheitsakten fremder Staaten im Inland ergeben. Gerade der insolvenzrechtliche Beschlag kann erhebliche Folgen für ein Gemeinwesen zeitigen. Dass dieser Zusammenhang in Deutschland nicht mit der Offenheit wie in anderen Ländern diskutiert oder gar nicht gesehen wird, hat historische Gründe.

Diese „Wende” ist auf den Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger gestützt worden, der dadurch vereitelt zu werden drohte, dass das inländische Vermögen von den Beschlagwirkungen des ausländischen Konkurses frei bliebe. Diese Regelung kehrt das Universalitätsprinzip43 des § 35 InsO um, wonach der inländische Eröffnungsbeschluss das gesamte Vermögen erfasst, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört. Räumlich konkurrierende Insolvenzrechte werden infolge dessen vom deutschen internationalen Insolvenzrecht als gleichwertig angesehen.44

3. Internationale Zuständigkeit des deutschen Insolvenzgerichts

§ 15 der Zivilprozessordnung (ZPO), der für Deutsche ohne Wohnsitz im Inland einen inländischen Gerichtsstand fingiert, wird durch Art 102 EGInsO überlagert. Im seltenen Fall wohnsitzloser inländischer Schuldner kommt es nicht auf die Belegenheit des schuldnerischen Vermögens an; vielmehr ist § 16 ZPO anzuwenden, der voraussetzt, dass der Beklagte gänzlich wohnsitzlos ist. Maßstab hierfür ist § 7 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Das Vorhandensein eines inländischen Wohnsitzes von Ausländern ist nach ausländischem Recht zu bestimmen.45

Unter dem Sitz des Schuldners ist im Falle des Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Kaufmanns oder gegen eine kaufmännisch tätige Gesellschaft – sei es eine Personenhandelsgesellschaft oder eine juristische Person – der Ort der gewerblichen Niederlassung zu verstehen. Gewerbliche Niederlassung ist allein die Hauptniederlassung,46 in der der Mittelpunkt des wirtschaftlichen Daseins des Unternehmens für den Verkehr mit Dritten liegt47. Zweigniederlassungen sind auch dann nicht als Sitz des Schuldners im Sinne von Abs 1 leg cit anzusehen, wenn sie einen selbständigen Geschäftsbetrieb entfalten.48 Gleiches gilt, wenn zum Beispiel der Hauptbereich der Produktionstätigkeit eines Unternehmens an einem anderen Ort als dem der Hauptniederlassung abgewickelt wird.49 Es kommt bei der Bestimmung des Ortes der Hauptniederlassung als Sitz des Schuldners weder auf das Vorliegen noch auf das Fehlen eines Handelsregistereintrages an.

Der Begriff der „gewerblichen Niederlassung” wird durch die Formulierung „Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit” ersetzt. Der Gesetzgeber will dadurch verdeutlichen, dass nicht nur ein „Gewerbe” im Rechtssinne erfasst werden soll und dass es bei mehreren Niederlassungen auf die Hauptniederlassung ankommt.50 Mit dieser Maßgabe können bei der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des Insolvenzgerichts die §§ 17 ff ZPO herangezogen werden. Bei Beendigung der wirtschaftlichen Tätigkeit ist der satzungsmäßig festgelegte Sitz der schuldnerischen Gesellschaft maßgeblich.51 Die bloße Aufbewahrung von Akten ist nicht als selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit zu qualifizieren.52

Sofern sich der Sitz einer juristischen Person nicht aus ihrer Satzung bzw. ihrem Gründungsakt entnehmen lässt, wird an den Mittelpunkt der geschäftlichen Leitung der Beklagten angeknüpft.53 Darunter ist jener Ort zu verstehen, an dem die laufenden Geschäftsführungsakte der dazu berufenen Vertretungsorgane vorgenommen werden.54 Dagegen kommt es nicht auf den Ort der tatsächlichen Ausführung der geschäftlichen Entscheidungen an. Auch wenn die streitige Forderung dort entstanden ist, sind Zweigniederlassungen55 ebenso wie Produktionsstätten für die Bestimmung des allgemeinen Gerichtsstandes unerheblich. Maßgeblich ist der effektive Verwaltungssitz der juristischen Person.

Art 102 Abs 3 EGInsO sieht vor, dass die Anerkennung des im Ausland eröffneten Insolvenzverfahrens die inländische Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens über das im Inland belegte Vermögen nicht ausschließt. Die Zulassung von Partikularkonkursen beruht – anders als die von „reinen” Parallelkonkursen – auf einem Modell des internationalen Insolvenzrechts, das auf Einheit und Universalität aufbaut.56 Die inländische Verfahrenseröffnung setzt dann nicht mehr die Feststellung des Vorliegens von Insolvenzgründen57 voraus. Damit sollen die in Frage stehenden inländischen Interessen geschützt werden.58 Der Partikularkonkurs „tritt” daher dem Universalkonkurs „entgegen”.59 So gesehen zeichnet sich mit Art 102 Abs 3 EGInsO eine „Rückkehr zur Territorialität” über den Vermögensgerichtsstand ab60.

Gegenüber der Ansicht von Teilen der Lehre,61 die aus der Entscheidung des BGH vom 11. 7. 198562 den Schluss gezogen haben, bei konkurrierender internationaler Zuständigkeit könne entsprechend Abs 2 EGInsO unter Anwendung des Prioritätsgrundsatzes ein gegenständlich unbeschränktes inländisches Konkursverfahren eröffnet werden, hat der Reformgesetzgeber der InsO damit freilich keine Entscheidung getroffen. Geregelt ist nur, dass überhaupt ein gegenständlich auf das im Inland belegte Vermögen begrenztes Partikularinsolvenzverfahren eröffnet werden darf, dessen Ausgestaltung im Gegensatz zu den §§ 393 bis 399 des RegEInsO nicht näher bestimmt worden ist.63

4. Anerkennung eröffneter ausländischer Insolvenzverfahren

Nach Art 102 Abs 1 EGInsO sind die Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren grundsätzlich auch im Inland anzuerkennen. Die Vorschrift besagt, dass ein ausländisches Insolvenzverfahren auch das im Inland befindliche Vermögen des Schuldners erfasst. Dies gilt nicht, wenn die Gerichte das Staates der Verfahrenseröffnung nach inländischem Recht nicht zuständig sind und soweit die Anerkennung des ausländischen Verfahrens zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere soweit es mit den Grundrechten unvereinbar ist.

Die Anerkennung eines ausländischen Konkursverfahrens setzt daher selbstverständlich64 voraus, dass sie nicht gegen den inländischen ordre public65 verstößt. Die Anerkennung des ausländischen Verfahrens darf daher nach der von Kegel66 aufgegriffenen Formel der Rechtsprechung67 nicht dazu führen, dass die Anwendung ausländischen Konkursrechts zu Ergebnissen führen würde, die zu den Grundgedanken des deutschen Rechts und der in ihm statuierten Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch stehen, dass sie somit für untragbar gehalten werden. So dürfen mit dem ausländischen Verfahren nicht konkursfremde Zwecke wie die der Konfiskation68 (dies auch, wenn Konkursorgane in Rechte Dritter – etwa Aussonderungsrechte – eingreifen dürften69) verfolgt, pfändungsfreie Gegenstände mit Beschlag belegt70 oder Gläubiger diskriminiert71 werden. Dies kann – soweit man Reorganisationsverfahren als anerkennungsfähige Insolvenzverfahren ansieht – im Rahmen von Insolvenzplanverfahren der Fall sein.72

Art 102 Abs 3 EGInsO erlaubt zum Schutz der inländischen Interessen die Eröffnung eines Sonderinsolvenzverfahrens über das Inlandsvermögen,73 wobei ein Gerichtsstand überall dort gegeben ist, wo sich Gegenstände des Inlandsvermögens befinden. Art 102 Abs 2 EGInsO enthält eine Sonderregelung für das internationale Anfechtungsrecht. Inhaltlich lehnt er sich an § 382 des RegE zur InsO an, nach dem eine Rechtshandlung nur dann anfechtbar ist, wenn die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung sowohl nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung gegeben sind als auch nach dem Recht, das für die Wirkungen der Rechtshandlung maßgeblich ist.

Der BGH hat freilich die Schranken der Anerkennung ausländischer Konkurse enger gezogen, als sie sich allein aus dem Gesichtspunkt des ordre public ergeben würden: Die Anerkennung des im Ausland eröffneten Konkurses muss nach der „Wendejudikatur” in das Gesamtgefüge der Grundsätze des deutschen Konkursrechts „eingebettet” sein; eine Anerkennung steht danach jedenfalls dann in Frage, wenn die ausländischen Vorschriften zwar nicht gegen den inländischen ordre public verstoßen, wohl aber gegenüber den Regelungen des deutschen Insolvenzrechts „nachteilig” sind.74

Entsprechend § 22 Abs 2 GesO75 sieht § 102 Abs 3 EGInsO vor, dass die Anerkennung des im Ausland eröffneten Insolvenzverfahrens die inländische Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens über das im Inland belegte Vermögen nicht ausschließt. Die Zulassung von Partikularkonkursen beruht – anders als die von „reinen” Parallelkonkursen – auf einem Modell des internationalen Insolvenzrechts, das auf Einheit und Universalität aufbaut.76 Die inländische Verfahrenseröffnung setzt dann nicht mehr die Feststellung des Vorliegens von Insolvenzgründen77 voraus. Damit sollen die in Frage stehenden inländischen Interessen geschützt werden.78 der Partikularkonkurs „tritt” daher dem Universalkonkurs „entgegen”.79 Es zeichnet sich mit Art 102 Abs 3 EGInsO eine Rückkehr zur Territorialität beim Vermögensgerichtsstand ab.80

Gegenüber der Ansicht von Teilen der Lehre,81 die aus der Entscheidung des BGH vom 11. 7. 1985 den Schluss gezogen haben, bei konkurrierender internationaler Zuständigkeit könne entsprechend § 71 Abs 2 KO und § 3 Abs 2 InsO unter Anwendung des Prioritätsgrundsatzes ein gegenständlich unbeschränktes inländisches Konkursverfahren eröffnet werden, hat der Reformgesetzgeber der InsO damit freilich keine Entscheidung getroffen. Geregelt ist nur, dass überhaupt ein gegenständlich auf das im Inland belegte Vermögen begrenztes Partikularinsolvenzverfahren eröffnet werden darf, dessen Ausgestaltung im Gegensatz zu den Regelungen der §§ 393 bis 399 des Regierungsentwurfs zur InsO nicht näher geregelt worden ist.82

5. Eröffnungsantrag

Nachdem die Zulassung eines Partikularinsolvenzverfahrens durch den RegEInsO nicht Gesetz geworden ist (Art 102 RN 20) und Art 102 Abs 3 EGInsO dieses Problem nicht klärt, stellen sich verschiedene Fragen: Zum einen ist fraglich, ob überhaupt unabhängig von einem Hauptinsolvenzverfahren ein (isoliertes) Partikularinsolvenzverfahren eröffnet werden darf und – wenn man dies bejaht – welche Anforderungen an den Antrag zu stellen sind. Der Umstand, dass Art 102 EGInsO keine Regelung für einen inländischen Primär-Partikularkonkurs vorsieht, hat nicht zur Folge, dass dieser ausgeschlossen wäre. Andernfalls wäre der inländische Gläubiger gezwungen, zunächst im Ausland die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens zu betreiben.83 Würde man dem Gläubiger die Beantragung eines Primär-Partikularkonkurses verwehren, hätte dies zur Folge, dass zum Beispiel der inländische Nicht-Kaufmann (ein Arzt oder Rechtsanwalt als Initiator von Bauherrenmodellen) seinen Sitz etwa nach Belgien oder Frankreich verlegen und damit gegebenenfalls einen Inlandskonkurs vermeiden könnte. Das aber würde nicht nur Grundentscheidungen des deutschen Insolvenzrechts widersprechen, sondern Missbräuchen Tür und Tor öffnen. Deshalb bedarf der antragstellende Gläubiger aber auch keines besonderen, über seine allgemeinen Rechtsverfolgung hinausgehenden Interesses an der Eröffnung des primären Partikularinsolvenzverfahrens.

Für den Antrag auf Eröffnung eines Primär-Partikularkonkurses bedarf es der Darlegung von Insolvenzgründen84 nach den §§ 17–19 InsO. Dies ergibt sich bereits daraus, dass insoweit deutsches Ortsinsolvenzrecht anwendbar ist. Im Übrigen folgt dies aus einem Umkehrschluss aus Art 102 Abs 3 S 2 EGInsO, der eine gesetzliche Ausnahme hiervon nur für den Fall der Beantragung eines Sekundärverfahrens vorsieht. Wird der Antrag durch den Verwalter des Hauptverfahrens auf Eröffnung eines Sekundärverfahrens nach Art 102 Abs 3 EGInsO gestellt, so bedarf es nicht der (besonderen) Darlegung eines Insolvenzgrundes. Dies ist Ausdruck der Wirkung des ausländischen europäischen Hauptinsolvenzverfahrens im Inland, der die Darlegung von Insolvenzgründen ersetzt.

Art 102 Abs 3 EGInsO ruft damit – nicht anders als § 22 Abs 2 GesO85 – eine Reihe von Fragen hervor: So ist zutreffend darauf aufmerksam gemacht worden,86 dass für eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für Inlands-Sekundärinsolvenzverfahren kein Raum ist, wenn man insoweit analog auf die Zuständigkeit nach § 3 Abs 1 InsO verweist, der an den Schuldnersitz anknüpft.87 Dieser liegt in den in Frage kommenden Fällen schließlich im Ausland.

 

C) Italien

1. Internationale Zuständigkeit der italienischen Konkursgerichte

Der italienische codice di fallimento trifft für die internationale Zuständigkeit des italienischen Konkursgerichts eine ausdrückliche Regelung in Art 9 par 2, die zugleich das autonome italienische internationale Insolvenzrecht prägt. Dort heißt es, dass über das Vermögen eines Unternehmers, der seinen Hauptsitz im Ausland hat, im Inland auch dann ein Konkursverfahren eröffnet werden kann, wenn im Ausland bereits ein Konkursverfahren eröffnet worden ist. Diese Regelung schränkt die im Übrigen im italienischen internationalen Privatrecht allgemein greifende Anknüpfung an den Sitz des Schuldners für den Insolvenzfall ein.88

Im Einzelnen wirft diese Regelung allerdings eine Reihe von Fragen auf, die in der Literatur besonders von Satta erörtert worden sind. So wird darauf aufmerksam gemacht, dass die Eröffnung eines italienischen Konkurses neben dem ausländischen Insolvenzverfahren vor allem voraussetzt, dass der Schuldner im Inland über Vermögen verfügt, das Gegenstand eines Konkurses ist.89

2. Universalitätsprinzip

Grundsätzlich geht das italienische Insolvenzrecht vom Universalitätsprinzip aus.90 Die Zulässigkeit der Eröffnung eines italienischen Partikularinsolvenzverfahrens soll sich im Übrigen nicht auf den – liquidierenden – Konkurs beschränken. Vielmehr wird im Schrifttum91 vertreten, dass auch der concordato preventivo (dieser entspricht dem österreichischen Ausgleichsverfahren) nach Art 160 codice di fallimento neben einem ausländischen Insolvenzverfahren im Inland eingeleitet werden kann.

3. Reichweite des Inlandsverfahrens auf Auslandsvermögen

Zweifelhaft bleibt angesichts der sehr knappen Regelung des Art 9 par 2 codice di fallimento, welche Wirkungen der im Ausland ergangene Eröffnungsbeschluss im Inland entfaltet.92 Grundsätzlich erfasst das in Italien über einen Schuldner eröffnete Insolvenzverfahren auch das Auslandsvermögen des Schuldners.93

4. Anerkennung von Auslandsverfahren

Im Ausland über das Vermögen des Schuldners eröffnete Konkursverfahren können durch Exequatur in Italien anerkannt werden. Maßgeblich ist das Gesetz über die Reform des italienischen internationalen Privatrechts (L 31 maggio 1995, n 218).94 Danach ist folgendes zu beachten: Art 65 leg cit bestimmt, dass Verfügungen in Italien nur dann als wirksam anerkannt werden, wenn sie im erlassenden Staat Wirkungen entfalten und nicht im Widerspruch zu Grundwertungen (diritti essenziali) des italienischen Rechts stehen.

 

D) Frankreich

1. Entwicklung des französischen autonomen internationalen Insolvenzrechts

Das französische internationale Insolvenzrecht ist nicht kodifiziert.95 Die Grundprinzipien wurden durch die Rechtsprechung entwickelt. Mit der Schweiz, Belgien, Italien, dem Fürstentum Monaco und Österreich sind aber bilaterale Abkommen über das internationale Insolvenzrecht geschlossen worden. Das internationale Insolvenzrecht Frankreichs basiert daher im Wesentlichen auf der Judikatur des Cour de Cassation. Ob das internationale Insolvenzrecht dem Territorialitäts- oder dem Universalitätsprinzip folgt, kann nicht eindeutig beantwortet werden, die französische Rechtsprechung hat sich für ein „gemischtes System” entschieden.96

2. Anerkennung von Auslandskonkursen

Ein Auslandskonkurs entfaltet grundsätzlich unmittelbare Wirkung, bedarf jedoch für seine volle Wirksamkeit eines judgement d´exequatur (einer Art Vollstreckbarkeitserklärung). Wird über das Vermögen eines Schuldners, der in Frankreich seinen Sitz hat, ein Konkursverfahren eröffnet, so treten die Wirkungen überall dort ein, wo der Schuldner Vermögen besitzt, soweit ausländische Normen dem nicht entgegenstehen. Der Eröffnung eines inländischen Konkursverfahrens steht grundsätzlich nicht entgegen, dass über das Vermögen des Schuldners bereits im Ausland ein Konkursverfahren eröffnet wurde. In diesem Fall findet in Frankreich ein auf das Inlandsvermögen beschränktes Konkursverfahren statt.97

3. Internationale Zuständigkeit der französischen Konkursgerichte

Für die internationale Zuständigkeit der französischen Gerichte in Insolvenzsachen ist ausschlaggebend, dass der Gemeinschuldner in Frankreich seinen Sitz oder seine Hauptniederlassung hat (Art 1 des Dekrets Nr 85/1388 vom 27. 12. 1985). Danach ist national für die Eröffnung des allgemeinen Sanierungsverfahrens oder das für bestimmte Untenehmen vorgesehene vereinfachte Verfahren jenes Gericht zuständig, in dessen Gerichtssprengel der Schuldner den Sitz des Unternehmens, oder, falls ein Sitz in Frankreich nicht vorhanden ist, seine Hauptniederlassung hat. Unter dem Sitz im Sinne dieser Vorschrift ist der satzungsgemäße Sitz (siege statutaire) zu verstehen. Wenn es einen effektiven Verwaltungssitz (siege réel) gibt, so entscheidet dieser über den Ort der Zuständigkeit des Gerichts. Eine internationale Zuständigkeit des französischen Gerichts wird aber auch dann bejaht, wenn der Schuldner seinen Sitz oder seine Hauptniederlassung im Ausland hat und in Frankreich lediglich eine Zweigniederlassung unterhält. Einige Autoren (zum Beispiel Trochu) meinen darüber hinaus, dass selbst einzelne in Frankreich gelegene Vermögensgegenstände die Zuständigkeit des französischen Insolvenzgerichts dafür begründen über einen Gemeinschuldner das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Nach den Art 14 und 15 Code Civil kann darüber hinaus über Ausländer, die in Frankreich keinen ständigen Aufenthalt haben, wegen der Nichterfüllung von Verbindlichkeiten, die diese Ausländer in Frankreich gegenüber einem Franzosen eingegangen sind, von französischen Gerichten judiziert werden. Der Cour de Cassation (Entscheidung vom 19. 3. 1979, Revue Crédit Nationale pr 1981, 525 ff) meint, gestützt auf diese Vorschrift, dass es auch dann möglich sei, in Frankreich das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Schuldners zu eröffnen, wenn dieser keinerlei Vermögen im Inland besitze, sofern dieser nur Franzose sei und Verbindlichkeiten im Ausland begründet hat. Diese Jurisdiktion wird auf Art 5 Code Civil gestützt. Diese Jurisdiktion bringt jedoch, da sie sowohl französische Staatsbürger als auch Ausländer den französischen Regelungen unterwirft, erkennbar erhebliche Gefahren für ausländische Gläubiger mit sich. Für ausländische Unternehmer, die Geschäftsverbindungen mit Frankreich unterhalten, kann auf diese Art und Weise ein erheblicher Druck ausgeübt werden. Ein französischer Schuldner kann zudem der ausländischen Jurisdiktion in wesentlichen Teilen entzogen werden.

Die weitgehende Herrschaft des Insolvenzgerichts im Verfahren, insbesondere die Möglichkeiten der Einleitung eines Sanierungsverfahrens unter Ausschluss der Rechtsdurchsetzung durch die Gläubiger, macht die internationale Zuständigkeit der französischen Insolvenzgerichte problematisch.

Die Judikatur erachtet die Zuständigkeit der französischen Gerichte auch dann für gegeben (Entscheidung des Cour de Cassation vom 19. 1. 1988), wenn im Ausland ein Konkurs- oder Insolvenzverfahren wirksam eröffnet worden ist, sofern der ausländische Eröffnungsbeschluss in Frankreich keine exequatur erlangt hat. Nur sofern die exequatur im vollem Umfang durch den ausländische Konkursverwalter beantragt und durch das französische Gericht gewährt worden ist und sich diese exequatur nicht allein auf Teilbereiche der ausländischen Entscheidung bezieht, wird dadurch die Zuständigkeit des französischen Richters für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ausgeschlossen (Entscheidung des Cour de Cassation, 29. 6. 1971). Umgekehrt erachtet der Cour de Cassation die Eröffnung eines Parallelverfahrens in Frankreich mit den Art 7 und 67 des EWG-Vertrages für vereinbar. Durch das Konkursverfahren in Frankreich sind danach die Gläubiger eines anderen Staates nicht daran gehindert, ihre Ansprüche gegen den Gemeinschuldner in Frankreich gegen das dort gelegene Vermögen des Gemeinschuldners geltend zu machen. Durch die Eröffnung eines Parallelverfahrens wird daher den ausländischen Gläubigern das in Frankreich belegte Vermögen nicht für die Befriedigung entzogen. Ungeachtet ihrer Nationalität sind nach der höchstrichterlichen Jurisdiktion in Frankreich sämtliche Gläubiger des Gemeinschuldners zum Zugriff auf das in Frankreich belegte Vermögen zur Befriedigung ihrer Ansprüche berechtigt. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Gegenseitigkeit. Ausländische Gläubiger können daher ihre Forderungen im französischen Verfahren anmelden. Diese Befugnis ist jedoch davon unabhängig, ob französische Gläubiger in den jeweils ausländischen Verfahren zur Geltendmachung ihrer Rechte berechtigt sind oder daran gehindert werden. Die Regelung entspricht dem im früheren deutschen Konkursrecht geltenden Diskriminierungsverbot. Fraglich ist allerdings ob und wie weit sich ein ausländischer Gläubiger im ausländischen Konkursverfahren anrechnen lassen muss, was er im französischen Insolvenzverfahren zu seiner Befriedigung erlangt hat. In der deutschen Judikatur (ZIP 1993, 961) wird vertreten, dass sich ein Gläubiger diejenigen Beträge, die er im Wege der Einzelzwangsvollstreckung oder im Wege der Befriedigung im Rahmen eines Parallelverfahrens aus der Verwertung des im Ausland gelegenen Vermögens des Schuldners erlangt hat, an die im Inland gebildete Konkursmasse herauszugeben hat. Das OLG Köln (ZIP 1989, 123) hat dies für diejenigen Beträge, die in einem ausländischen Konkursverfahren erlangt worden sind, indessen verneint. Die französische Judikatur hat diese Frage offengelassen.

 

E) United Kingdom (England & Wales)

1. Das autonome internationale Insolvenzrecht des Vereinigten Königreichs

Unter der Geltung des Insolvency Acts 1985 werden die – einer Abwendung des zerschlagenden Insolvenzverfahrens dienenden – Verfahren der administration order procedure und des company voluntary arrangements unmittelbar allein auf Gesellschaften angewendet, die als „domestic” und damit nicht als „overseas” zu qualifizieren sind.98

Zu dem vom englischen Insolvenzverfahren erfassten Vermögen gehört auch das schuldnerische Vermögen „abroad”, wobei diese internationalen Beschlagwirkungen weit gefasst sind.99.

2. Universalität

Das englische Insolvenzrecht erkennt den Grundsatz der Universalität an100.

3. Anerkennung von Auslandskonkursen

Ein im Ausland gegen einen Schuldner eröffnetes Insolvenzverfahren wird im allgemeinen in England und Wales nur unter der Voraussetzung anerkannt, dass das ausländische Verfahren mit den im Vereinigten Königreich geltenden Prinzipien des Insolvenzrechts übereinstimmt.101 Die Gerichte im Vereinigten Königreich sind aber nach in der Literatur102 vertretener Auffassung bereit, einem ausländischen „trustee” die Möglichkeit zu verschaffen, in England aufzutreten; auch dem Liquidator eines ausländischen Liquidationsverfahrens kann im Inland Legitimation verschafft werden. Eine von den Gerichten zu verfolgende Alternative besteht in der Durchführung eines inländischen Sonderinsolvenzverfahrens.103 Voraussetzung für die Anerkennung im Ausland eröffneter Konkurse ist also die Reziprozität.104

4. Internationale Zuständigkeit der Gerichte des Vereinigten Königreichs
in Konkursfällen

Ausgangspunkt der internationalen Zuständigkeit englischer Gerichte in Insolvenzsachen ist nach dem Insolvency Act s 220 (1) die Unterwerfung sog. unregistered companies unter die Jurisdiktion der Gerichte, zu denen auch solche Banken und Gesellschaften gezählt werden, die unter dem Recht eines Landes außerhalb Großbritanniens gebildet worden sind.105 Diese internationale Zuständigkeit ist auch dann begründet, wenn die Gesellschaft nach dem Recht ihres Heimatlandes selbst nicht einem Insolvenzverfahren unterworfen ist.106 Die internationale Zuständigkeit des englischen oder walisischen Gerichts ist nach Insolvency Act s 221 (4) auch dann begründet, wenn die Gesellschaft nach dem Recht ihres Heimatlandes aufgelöst worden ist.107 Es kommt daher allein darauf an, ob unter ihrem Namen Aktivitäten in Großbritannien entfaltet worden sind. Ausschlaggebend für die internationale Zuständigkeit eines englischen Gerichts, ein liquidierendes Verfahren des winding up nach dem Insolvency Act einzuleiten, ist allein die bisherige Geschäftstätigkeit der Gesellschaft in England oder Wales oder das Bestehen von Vermögenswerten (assets) in England und Wales.108 Die internationale Zuständigkeit eines englischen oder walisischen Gerichts wird unter diesen Bedingungen als bestehend angesehen, wenn das winding up der Gesellschaft als vorteilhaft für deren Gläubiger angesehen wird.109 Dies gilt auch dann, wenn die ausländische Gesellschaft zwar keine assets in England oder Wales hat, das Verfahren des winding up aber dazu führt, dass zugunsten der Gläubiger der Gesellschaft durch deren Liquidator im winding up–Verfahren Vermögenswerte Dritter herangezogen und verwertet werden können.110 Dabei ist insbesondere an die Geltendmachung von Ansprüchen gegen Geschäftsführer oder Scheingeschäftsführer der betroffenen Gesellschaft zu denken.

5. Verfahrensgrundsätze

Die Auflösung der Gesellschaft durch ihr winding up führt dadurch zur Bildung der Konkursmasse, dass ihre assets als bona vacantia der Krone unterstellt werden, auf die der Liquidator dann die Befugnis zum Zugriff erlangt.111 Zum Zwecke der Durchführung ihrer Liquidation im Verfahren des winding up wird die Gesellschaft als fortbestehend angesehen. Der Liquidator wird als Partei Kraft Amtes angesehen, der im eigenen Namen bei Klagen für und gegen die Gesellschaft Parteistellung besitzt. Die Klage von Gläubigern gegen die Gesellschaft bedarf nach Einleitung des Verfahrens des winding up der besonderen Zulassung durch das englische bzw. walisische Gericht.

Insolvency Act s 426 (4) sieht den Grundsatz der gerichtlichen Unterstützung in cross-border–Fällen vor.112

6. Reformüberlegungen

Diese werden deshalb ins Kalkül gezogen, da sich in einer Anzahl von Fällen in den achtziger und neunziger Jahren gezeigt hat, dass in Ermangelung gemeinsamer verbindlicher internationaler Regelungen, die Abwicklung konkreter Verfahrensfälle auf Probleme gestoßen ist.113 Gefordert wird, dass das internationale Insolvenzrecht auf Reziprozität, einer Gleichartigkeit der anzuwendenden Rechte und der Vorzugswürdigkeit der Anwendbarkeit des Heimatrechts des Schuldners beruhen solle.114

 

III. Verhältnis zu Drittstaaten – die UNCITRAL-Modellbestimmungen115

Nach dem Inkrafttreten der Verordnung über Insolvenzverfahren mit 31. 5. 2002 stellt sich weiterhin die Frage nach dem Verhältnis zu Drittstaaten, da die Verordnung nur gegenüber EU-Mitgliedstaaten gilt. Beginnend mit dem Jahr 1992 kam es zu Anstrengungen der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) zur Entwicklung von Modellbestimmungen für grenzüberschreitende Insolvenzen. Das diesbezügliche „Model Law on Cross-Border Insolvency”, an dessen Ausarbeitung Fachleute der International Association of Insolvency Practitioners (INSOL), der weltweiten Vereinigung von Insolvenzverwaltern, maßgeblich mitgewirkt haben, wurde im Dezember 1997 auf Vorschlag der UNCITRAL-Kommission von der UN-Vollversammlung gebilligt.

Die UNCITRAL-Modellbestimmungen unterscheiden – wie auch die Verordnung des Rates über Insolvenzverfahren – zwischen Hauptverfahren und Territorialverfahren und zielen im wesentlichen darauf ab, die Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren – wenn auch unter schwierigeren Bedingungen als die Verordnung über Insolvenzverfahren – zu erleichtern, die Zusammenarbeit im Justizwesen zu verbessern und ausländischen Insolvenzverwaltern den Gerichtszugang zu ermöglichen.

Während die Verordnung über Insolvenzverfahren die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens ohne erneute Prüfung vorsieht, müssen nach den UNCITRAL-Modellbestimmungen (Art 9) die Insolvenzvoraussetzungen für die Eröffnung eines nationalen Insolvenzverfahrens weiter geprüft werden. Die Modellbestimmungen sehen keine automatische Anerkennung des ausländischen Insolenzverfahrens vor, sondern verlangen ein Anerkennungsverfahren, das auf Antrag des ausländischen Insolvenzverwalters eingeleitet wird. Mit dem Antrag müssen mehrere beglaubigte Dokumente vorgelegt werden, deren wichtigste der ausländische Eröffnungsbeschluss mit der Ernennung des ausländischen Insolvenzverwalters ist. Wie auch nach der Verordnung über Insolvenzverfahren beschränkt sich ein konkurrierendes nationales Verfahren (sog. Nicht-Hauptverfahren) nach Eröffnung des Hauptverfahrens auf das nationale Vermögen und findet nur statt, wenn der Schuldner eine Niederlassung im betreffenden Land hat (Art 22).

Bestrebungen, die UNCITRAL-Modellbestimmungen – wenngleich in mehr oder weniger adaptierter Form – in den nationalen Rechtsbestand zu übernehmen, sind in den USA und Großbritannien im Gange.

 

Anmerkungen

1

Sollen sich die Wirkungen der Konkurseröffnung auch auf das im Ausland befindliche Vermögen beziehen, so spricht man vom Universalitätsprinzip.

2

Buchberger/Buchberger, Das System der „kontrollierten” Universalität des Konkursverfahrens nach der Europäischen Insolvenzverordnung, (Österreichische) Zeitschrift für Insolvenzrecht und Kreditschutz (ZIK) 2000, 149 ff.

3

Verordnung (EG) Nr 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (Abl L 160 vom 30. Juni 2000 [Ausgabe in deutscher Sprache]).

4

Aus seinem im Ausland befindlichen, dem inländischen Konkurs nicht unterworfenen Vermögen kann der Gemeinschuldner, der im Ausland wohnhaft ist, somit Zahlungen leisten und Verfügungen darüber treffen; öOGH, Entscheidung (E) vom 11. 7. 1936, veröffentlicht in den Juristischen Blättern (JBl) 1936, 456.

5

E des öOGH vom 25. 11. 1999, 2 Ob 316/99f = ZIK 2000, 20 ff.

6

§ 1 Abs 1 Satz 1 der öKO lautet: „Durch die Eröffnung des Konkurses wird das gesamte, der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Konkurses erlangt (Konkursmasse) dessen freier Verfügung entzogen”.

7

Zum Argumentationsstand in der Lehre vgl. Boll, Die Anerkennung im Auslandskonkurs (1990), 5; Leitner, Der grenzüberschreitende Konkurs (1993), 193.

8

Bilaterale Staatsverträge auf insolvenzrechtlichem Gebiet bestehen zwischen Österreich und Belgien (BGBl 1975/385), Deutschland (BGBl 1985/233), Frankreich (BGBl 1980/237), Großbritannien und Nordirland (BGBl 1962/224 idF BGBl 1971/453), Italien (BGBl 1990/44) und der Türkei (BGBl 1932/90).

9

United Nations Commission on International Trade Law.

10

Wimmer, Die UNCITRAL-Modellbestimmungen über grenzüberschreitende Insolvenzverfahren, (Deutsche) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis (ZIP), 1997, 2220 ff; UNCITRAL-Modellbestimmungen über grenzüberschreitende Insolvenzverfahren vom 15. 12. 1997, abgedruckt in ZIP 1997, 2224 ff.

11

Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam am 1. 5. 1999 in Art 249 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) geregelt; vormals Art 189 II EGV.

12

Fischer/Köck, Europarecht3 (Das Recht der europäischen Union, des Europarates und der wichtigsten anderen europäischen Organisationen) 1997, 411 f.

13

Im Gegensatz dazu legt die Richtlinie (obwohl ebenfalls ein Rechtssetzungsakt generell-abstrakter Art) nur das Ziel fest und überlässt den Mitgliedstaaten die Wahl von Form und Mittel zu dessen Erreichung.

14

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) betrachtet Rezeptionsakte nicht nur als entbehrlich, sondern sogar als unstatthaft, weil dadurch die gleichzeitige und einheitliche Anwendung innerhalb der Gemeinschaften gefährdet würde (Rs 39/72, Kommission gegen Italien, Slg 1973, 101 ff).

15

Fischer/Köck, Europarecht3, 412.

16

Buchberger/Buchberger, ZIK 2000, 149 ff.

17

Zu den folgenden Ausführungen vgl. Rechberger/Thurner, (Österreichisches) Insolvenzrecht (2001), Rz 578 ff.

18

Keppelmüller, Österreichisches Internationales Insolvenzrecht (1997) Rz 380 ff mwN; Wimmer in Wimmer (Hrsg.) Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung2, 1999, Anhang 1 Rz 65 ff mwN.

19

Eine der Hauptaufgaben der Kommission ist es, die Anwendung des primären und sekundären Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten und damit verbunden auch Empfehlungen und Stellungnahmen abzugeben, Fischer/Köck, Europarecht3, 362 f.

20

Wimmer, Die Verordnung (EG) Nr 1346/2000 über Insolvenzverfahren, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht (ZInsO) 2001, 97.

21

Fischer/Köck, Europarecht3, 433.

22

Das Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften besteht aus den Reihen „L” (Rechtsvorschriften) und „C” (Mitteilungen und Bekanntmachungen).

23

Erwägungsgrund Nr 4 zur Verordnung.

24

Zielsetzungen, Verordnungstext und Anhang sind im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (Abl) L 160/1 vom 30. 6. 2000 publiziert.

25

Im Falle Österreichs gilt die Verordnung gemäß Anhang A für das Konkurs- und das Ausgleichsverfahren.

26

Im Falle Österreichs der Masse- und Ausgleichsverwalter, der Sachwalter, der Treuhänder, der besondere Verwalter, der vorläufige Verwalter und das Konkursgericht (Siehe Anhang C).

27

Eine zweite Gruppe von Territorialverfahren bilden die Partikularverfahren (Art 3 Abs 4). Diese können unabhängig vom Hauptinsolvenzverfahren eröffnet werden und sind nur unter Einschränkungen zulässig. So etwa, wenn die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens nicht möglich ist.

28

Gemäß Art 2 lit h ist unter einer Niederlassung jeder Tätigkeitsort zu verstehen, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt.

29

Hat der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen im Gebiet eines Mitgliedstaates, so sind die Gerichte eines anderen Mitgliedstaates nur dann zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens befugt, wenn der Schuldner eine Niederlassung im Gebiet dieses anderen Mitgliedstaates hat.

30

Bei diesem Verfahren muss es sich um ein im Anhang B aufgelistetes Verfahren handeln. In Österreich ist daher entweder ein Konkurs- oder ein Ausgleichsverfahren zu eröffnen.

31

Wimmer, ZInsO 2001, 100.

32

Buchberger/Buchberger, ZIK 2000, 151.

33

Grub, ZIP 1993, 393, besonders 397 f; derselbe, in Kübler (Hrsg.), Neuordnung des Insolvenzrechts, 1989, 79; Grub/Rinn, ZIP 1993, 1583 („Freifahrtschein für Bankrotteure”); Uhlenbruck/Brandenburg/Grub/Weilensiek, BB 1992, 1734; Uhlenbruck BB 1992, 1734; derselbe, Gravenbrucher Kreis, ZIP 1994, 585; Brandstätter, Die Prüfung der Sanierungsfähigkeit notleidender Unternehmen, 1993 23; Wegmann, KTS 1989, 71 ff.

34

BT-Drucks 12/7303, Seite 117.

35

Kritisch zum Gesetzgebungsverfahren Smid, DZWiR 1994, 278 ff.

36

Vgl. zum Ganzen Leipold, in Festschrift-Henckel, 1995, 533 f.

37

Empfehlung des RechtsA zu Art 106a, BT-Drucks 12/7303, 117.

38

Leipold, in Stoll (Hrsg.), Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 72 ff., 81 f.

39

Urteil vom 4. Februar 1960, VII ZR 161/57, NJW 1960, 774. Vgl. kritisch Pielorz, Auslandskonkurs und Disposition über das Inlandsvermögen, 1977, 17 ff.

40

Vgl. Thieme, RabelsZ Band 37 1973, 682 ff.

41

BGH, Urteil vom 11. Juli 1985, IX. ZR 178/84, BGHZ Band 95, 256 ff, 265 ff.

42

So stellt beispielsweise für den angesehenen Insolvenzpraktiker Lüer (in Stoll [Hrsg.], Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 96 ff) die staatliche Souveränität nur eine „Formel” dar. In anderen europäischen Rechtsordnungen ist dies anders und bedarf eines Respekts, der nicht durch die historischen Defizite deutscher Geschichte getrübt werden darf.

43

Vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1976, V ZR 145/74, BGHZ Band 68, 16 ff; BGH, Urteil vom 13. Juli 1983, VIII ZR 246/82, BGHZ Band 88, 147 ff, 150.

44

Lüer, (FN 42) 1224, RN 20.

45

KG, Beschluss vom 16. 2. 1961, 1 W 2644/60, FamRZ 1961, 383 f. Anderer Ansicht Neuhaus, FamRZ 1961, 540.

46

Gottwald/Heilmann/Klopp, Insolvenzrechts-Handbuch, § 18 RN 1.

47

Zöller/Vollkommer, ZPO, § 17 RN 9.

48

Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 71 RN 3.

49

Anders dagegen nach § 17 Abs 2 ZPO, Zöller/Vollkommer, ZPO, § 17 RN 11.

50

Amtl. Begr. zu § 3 RegEInsO, BT-Drucks 12/2443, 110.

51

OLG Köln, Beschluss vom 22. 3. 2000, 2 W 49/00, DZWIR 2000, 250 = ZinsO 2000, 222 = InVo 2000, 163 = NZI 2000 = ZIP 2000, 672 mit Anm. von Gerkan, EWiR § 3 InsO 2000, 535; OLG Hamm, Beschluss vom 14. 1. 2000, 1 Sbd 100/99, NZI 2000, 220.

52

OLG Braunschweig, Beschluss vom 13. 4. 2000, 1 W 29/2000, DZWIR 2000, 300 = NZI 2000, 266 = ZIP 2000, 1118.

53

Wieczorek/Hausmann, ZPO, § 17 RN 20.

54

BGH, Urteil vom 21. 3. 1986, V ZR 10/85, ZIP 1986, 643 f.

55

RG, Urteil vom 21. 5. 1891, Rep VI 50/91, RGZ 27, 421, 423; Schlemmer, Rpfleger 1978, 201 f.

56

Thieme, in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 212 f.

57

Zu deren Funktion im deutschen Recht vgl. Ritter v. Onciul, Dissertation Halle 1998, 98 ff.

58

Begr. des RechtsA zu Art 102 EGInsO, BT-Drucks 12/2443, 116.

59

Vgl. Thieme, FN 56, 221.

60

Summ, Anerkennung ausländischer Konkurse, 1992, 98 (skeptisch zu § 22 Abs 2 GesO).

61

Summ, (FN 50) 95.

62

Urteil vom 11. 7. 1985, IX ZR 178/84, BGHZ 95, 256, 260 ff. = ZIP 1985, 944 mit Anm Merz, EWiR § 237 KO 1/85, 605.

63

Vgl. die Kritik von KS-Lüer, 297, 310, RN 32.

64

Spellenberg, in Stoll (Hrsg.), Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 188.

65

Summ, (FN 50) 37.

66

Internationales Privatrecht, 3. Auflage 1971, 206; vgl. im übrigen Pielorz, 74.

67

BGH, Beschluss vom 17. 9. 1968, IV. ZB 501/68, BGHZ Bd 50, 370, 375 f mwN.

68

Kilger/Schmidt, KO, 16. Auflage 1993, § 237 Anm 6 b. J. Schmidt, System des deutschen internationalen Konkursrechts, 1972, 180.

69

Summ, (FN 50) 60 ff.

70

Summ, (FN 50) 60 mwN.

71

Summ, (FN 50) 38.

72

Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht, 1995, 236.

73

LG Stuttgart, Beschluss vom 30. 12. 1999, 10 T 326/99, ZIP 2000, 1122.

74

Hanisch, ZIP 1985, 1233, 1235; Trunk, KTS 1987, 415 ff.

75

Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht, 1995, 78.

76

Thieme, in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internatonalen Insolvenzrechts, 1992, 212 f.

77

Zu deren Funktion im deutschen Recht vgl. Ritter v. Onciul, Dissertation, Halle 1997.

78

Begründung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zu Art 102 EGInsO

79

Vgl. Thieme, (FN 76) 221.

80

Summ, (FN 50) 98. skeptisch zu § 22 Abs 2 GesO Thieme, (FN 76) 70 ff, 75 (zur Gesetzgebung der InsO); derselbe, 222.

81

Summ, (FN 50) 95.

82

Vgl. die Kritik von Lüer, 1229, RN 32.

83

Hess, KO, § 103, RN 12.

84

Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur InsO, Kapitel 3 RN 69 ff.

85

Wenig aussagekräftig Landfermann in Stoll (Hrsg.), Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 314, 318 f.

86

Leipold, (FN 38) 539; Lüer, 1229, RN 33.

87

Kritisch Leipold, (FN 38) 76 f.

88

Pajardi, Codice di fallimento, 3za edit 1997, Art 9 Anm 6; Alberti, Commentario bree alla Legge fallimentare, 3za edit 1991, Anm 4.

89

Satta, pp 62.

90

Jorio 172.

91

Alberti, Anm 4.

92

Satta, p 64; Alberti, Anm 5.

93

Pajardi, Codice di fallimento, 3za edit 1997, Art 42 Anm 4.

94

Bis 1996 Art 796 c.p.c.: Jorio, 173.

95

Bloching, Pluralität und Partikularinsolvenz, 64 f.

96

Witz/Zierau, Französisches internationales Konkursrecht, RIW 1989, 929.

97

Witz/Zierau, RIW, 1989, 929.

98

Fletcher, in derselbe (Hrsg), Cross border insolvency, 1992, 217, 225.

99

Fletcher, (FN 98) 228 ff.

100

Fletcher, (FN 98) 236.

101

Fletcher, (FN 98) 232 f.

102

Fletcher, (FN 98) 234.

103

Fletcher, (FN 98) 235.

104

Westbrook, Global Insolvencies in a World of Nation States, in Faculty of Laws, University College London, Current Issues in Insolvency Law, 1991, pp 27, pp 33.

105

Pennington, Corporate Insolvency Law, London-Dublin-Edinburgh, 1991, p 72.

106

Pennington, (FN 105) p 73.

107

Penninsgton, (FN 105) p 73.

108

Banque des Marchands de Moscou v Kindersley (1951) Ch 112, (1950) 2 All ER 549; Re Azoff-Don Commercial Bank (1954) Ch 315, (1954) 1 All ER 947.

109

Re Compania Merobello San Nicholas SA (1973) Ch 75, (1972) 3 All ER 448.

110

Pennington, (FN 105) 74.

111

Pennington, (FN 105) 75.

112

Fletcher, (FN 89) 239.

113

Westbrook, (FN 104) pp 38.

114

Westbrook (FN 104).

115

Zu den folgenden Ausführungen vgl Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, 1997. Rechberger/Thurner, Insolvenzrecht Rz 582 ff; Wimmer, Die UNCITRAL-Modellbestimmungen über grenzüberschreitende Insolvenzverfahren, ZIP 1997, 2220 ff.