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Begegnungen
Schriftenreihe des Europa Institutes Budapest, Band 6:129–139.

ILDIKÓ MÜLLER

Der Diskurs über Frauenstudium in Ungarn um die Jahrhundertwende

 

Die Öffnung der Universitäten für Frauen war ein sehr bedeutender Schritt im Kampf für die Gleichberechtigung der Frau, sie hatte entscheidende wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen. Sie stand in engem Zusammenhang mit der Problematik der Frauenerwerbstätigkeit. Der Studienabschluss ermöglichte es nämlich auch Frauen, akademische Berufe, d.h. Berufe mit Macht und hohem sozialen Prestige zu ergreifen.

Das Studium wurde Frauen in Ungarn im Vergleich zu anderen europäischen Ländern erst ziemlich spät ermöglicht. Erst 1895 wurden die Philosophische und die Medizinische Fakultät für Frauen eröffnet, bis Dezember 1918 durften Frauen nur an diesen zwei Fakultäten studieren. Im Dezember 1918 wurden Frauen zum Studium aller Fächer zugelassen, diese Anordnung war aber nur einige Monate in Kraft, danach wurden die Studienmöglichkeiten für Frauen eingeschränkt. Erst 1946 wurden Frauen wieder zum Studium aller Fächer zugelassen.

Ab dem letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts führte man einen regen Diskurs über höhere Frauenbildung in Ungarn. Zahlreiche Zeitungsartikel, Bücher erschienen zu diesem Thema, das Bildungsministerium, das Parlament und die Fakultäten befassten sich mehrmals mit diesem Problem.

Die Diskussionen hielten auch nach 1895 an, Frauen wurden ja nur in beschränktem Maße zum Studium zugelassen: sie durften nur an zwei Fakultäten studieren. Dazu kam, dass Frauen nicht automatisch zum Studium zugelassen wurden, wenn sie über ein Abiturzeugnis verfügten – wie das bei Männern der Fall war –, sondern die Genehmigung des Kultusministers einholen mussten. Das bedeutete eine eindeutige Diskriminierung.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Möglichkeiten des Frauenstudiums weiter eingeschränkt. Die wichtigste Einschränkung erfolgte im Jahre 1905, als man die Zulassung der Frauen zum Studium vom Prädikat des Abiturzeugnisses abhängig machte: nur Frauen mit einem sehr guten Abiturzeugnis durften sich als ordentliche Studentinnen immatrikulieren, die anderen wurden nur als Gasthörerinnen zugelassen. Diejenigen Frauen, die in der Reifeprüfung in mehr als drei Fächern die Note 3 erhielten, durften sich überhaupt nicht einschreiben. Zur gleichen Zeit verlangte man von männlichen Studienbewerbern nur das Vorhandensein des Abiturzeugnisses, sein Prädikat spielte gar keine Rolle.

Im Weiteren untersuche ich die Argumente, die für bzw. gegen Frauenstudium angeführt wurden, um die Frage zu beantworten, warum strebten Frauen das Studium an und warum war der Widerstand dem Frauenstudium gegenüber so hartnäckig. Die Texte, die ich bearbeite, entstanden zwischen 1867 und 1918. Es sind Zeitungsartikel, Bücher über Frauenbildung und Frauenemanzipation, ministeriale Erlasse und Sitzungsprotokolle der Fakultäten der Universität Budapest.

*

Zuerst beschäftige ich mich mit den Argumenten, die für das Frauenstudium angeführt wurden. Die Befürworter der Hochschulbildung von Frauen stellten den sozialen Aspekt der Frage in den Mittelpunkt. Das Frauenstudium, zusammen mit Frauenbildung und Frauenerwerbstätigkeit wurde als soziale Notwendigkeit dargestellt.

Worum handelte es sich? Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der auf Erwerbstätigkeit angewiesenen mittelständischen Frauen stark an. Es waren vor allem unverheiratete, verwitwete und geschiedene Frauen, die ihren Lebensunterhalt selbst verdienen mussten. Es kam aber auch vor, dass verheiratete Frauen einen Beruf ausüben mussten, weil ihre Ehemänner nicht genug verdienten, die Familie zu ernähren.

Die Zeitgenossen erklärten dieses Phänomen mit zwei Faktoren. Einerseits mit der Inflation, mit der die Verdienste nicht Schritt halten konnten. So wurde es Männern aus dem Mittelstand immer schwerer, ihre Familie zu versorgen bzw. überhaupt eine Familie zu gründen. Man klagte ständig darüber, dass die Zahl der Eheschließungen abnahm und das Heiratsalter stieg. Andererseits machte man den Frauenüberschuss für das Problem verantwortlich. Da es viel mehr Frauen als Männer im heiratsfähigen Alter gebe, könnten nicht alle Frauen einen Ehemann finden – schrieb man.

Meiner Meinung nach kann man dieses Problem nur mit diesen zwei Faktoren nicht erklären, obwohl es tatsächlich einen Frauenüberschuss in der untersuchten Periode gab und es auch eine Tatsache ist, dass der Anteil der unverheirateten Frauen Ende des vorigen Jahrhunderts anstieg. Auch ein anderer Faktor – auf den bereits einige Zeitgenossen hinwiesen – spielte eine wichtige Rolle. Mit der Explosion der Verbrauchsgüterindustrie und des Kleinhandels verringerte sich die im Haushalt zu leistende Arbeit. Man brauchte die Arbeitskraft der unverheirateten Schwestern, Töchter, Kusinen nicht mehr. Sie waren nur eine Last für die mittelständischen Familien, die sowieso mit finanziellen Schwierigkeiten kämpften.

Man musste also eine Lösung für die Versorgung der unverheirateten, verwitweten oder geschiedenen mittelständischen Frauen finden. Die gesuchte Lösung war die Öffnung von standesgemäßen Berufen und als Voraussetzung für die Ausübung dieser Berufe die Ermöglichung des Studiums auch für Frauen.

Die Notwendigkeit der Öffnung von standesgemäßen Berufen für mittelständische Frauen war das wichtigste Argument für die Zulassung der Frauen zum Studium. Die Bedeutung dieses Arguments zeigt auch die Tatsache, dass selbst die Gegner des Frauenstudiums größtenteils zugaben, dieses Problem existiere tatsächlich. Sie vertraten aber die Meinung, dass man nicht unbedingt die Universitäten öffnen müsse, um dieses Problem zu lösen, es gebe ja genug Berufe wo man keinen Universitätsabschluss brauche (z.B. Grundschullehrerin, Postangestellte, Kindergärtnerin, Telefonistin usw.).

Die Frauen strebten den Zugang zu akademischen Berufen nicht nur aus finanziellen Gründen an. Sie fanden ihren bisherigen Lebensbereich zu eng und suchten nach neuen Tätigkeiten, die sinnvoll und für die Gesellschaft nützlich waren. Diese Bestrebungen sind nur teilweise darauf zurückzuführen, dass sich die Haushaltsarbeit verringerte. Sie sind auch damit zu erklären, dass das Bildungsniveau der Frauen anstieg, sie hatten höhere geistige Ansprüche als früher.

Ein weiteres wichtiges Argument für das Frauenstudium war, dass die gebildeten Frauen für die Gesellschaft nützlich sein könnten: sie könnten das kulturelle Niveau und das allgemeine Wohl der Gesellschaft erhöhen. Dazu könnten Frauen – nach der Meinung der Zeitgenossen – vor allem als Lehrerinnen und Ärztinnen beitragen. Lehrerinnen wollte man in den Mädchenschulen einsetzen, da die weibliche Bildung einen besonderen Charakter haben sollte. Ärztinnen hielt man bei der Behandlung von Frauen und Kindern für unentbehrlich. Erziehung und Krankenpflege waren traditionelle weibliche Tätigkeitsbereiche, sie verletzten also die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung nicht. Es wurde zwar selten damit argumentiert, dass Frauen die Wissenschaft voranbringen könnten, tauchte auch dieses Argument auf. Man erwartete einen speziellen, weiblichen Beitrag von den Wissenschaftlerinnen. Diese Erwartung basierte auf der Auffassung, dass der männliche und der weibliche Geist vollkommen unterschiedlich seien.

Sehr viele Befürworter des Frauenstudiums beriefen sich auf die positiven Erfahrungen, die man im Ausland gemacht hatte. In den USA und in den meisten europäischen Ländern durften nämlich Frauen schon vor 1895 studieren. Das Beispiel der „zivilisierten” Länder beeinflusste die öffentliche Meinung auch in Ungarn. Die Zulassung der Frauen zum Studium bzw. die Frauenemanzipation überhaupt wurde oft als Bestandteil der „Zivilisierung” (Modernisierung) dargestellt. In diesem Zusammenhang erschien auch das Argument, die Bildung sei ein grundlegendes Recht des Menschen, es sei ungerecht, die Frauen davon auszuschließen.

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Diese waren die Argumente, die für das Frauenstudium angeführt wurden. Womit argumentierten die Gegner?

Ihre Argumente basierten größtenteils auf der bürgerlichen Auffassung von Geschlechtscharakteren und Geschlechterrollen, deshalb gehe ich darauf näher ein.

Das Novum der bürgerlichen Geschlechterdefinitionen war, dass die Geschlechtscharaktere aus der Natur abgeleitet wurden, und dass man versucht hat, sie wissenschaftlich zu fundieren. Diese wissenschaftliche Fundierung war hauptsächlich die Leistung der Anthropologie. Die Anthropologen gingen davon aus, dass der Körper die Seele, das Physische das Moralische bestimme. Dementsprechend leiteten sie die Eigenschaften und sozialen Funktionen der Geschlechter aus dem Körper ab.1

Die Logik ihrer Argumentation war folgende: Sie verglichen den weiblichen und den männlichen Körper und stellten angeborene organische Unterschiede fest, die sie auf den Naturzweck der Fortpflanzung zurückführten. Für den Körper des Mannes sei nach ihrer Auffassung Stärke und vorherrschende Irritabilität typisch. Im männlichen Körper sei alles auf Wirkung nach außen und auf Ausübung und Erhaltung der Gattung berechnet. Diesem männlichen Körper wurde der weibliche Körper gegenübergestellt. Der weibliche Organismus sei schwach, da herrsche die Sensibilität vor, im weiblichen Körper sei alles auf die Aufnahme äußerer Einflüsse und auf die Erhaltung der Gattung berechnet – behauptete man.

Aus den körperlichen Differenzen wurden einerseits die psychischen Eigenschaften, andererseits die sozialen Funktionen der Geschlechter abgeleitet. Die Stärke und Irritabilität des männlichen Körpers bedingt die wichtigsten Eigenschaften des Mannes, und zwar Aktivität und Rationalität, während die Schwäche und Sensibilität des weiblichen Körpers zur Passivität und Vorherrschaft des Gefühls führt. Beim Mann beherrscht die Vernunft das Gefühl, er handelt nach Überzeugungen. Dagegen herrscht beim Weib das Gefühl vor, sie handelt nach Gefühlen, ihr Wille ist schwach. Der Mann ist das schaffende Prinzip in der Gesellschaft. Er erzeugt Ideen, er ist der Träger der Kultur. Die Frau ist das bewahrende, erhaltende Prinzip in der Gesellschaft. Sie empfängt die Ideen, sie ist ein Naturwesen. Dem Mann wird Kraft, Tat, Geist, Schaffen, Vernunft, Festigkeit, Wille, Selbständigkeit zugeordnet. Der Frau Schwäche, Selbstlosigkeit, Gefühl, Abhängigkeit, Empfangen, leidendes Ertragen, Mitleid. Man könnte die psychischen Eigenschaften der Geschlechter lange aufzählen. Der Mann ist z.B. mutig, kühn, heftig, trotzig, rau, verschlossen. Die Frau ist furchtsam, nachgiebig, sanft, zärtlich, gutmütig, geschwätzig, wandelbar, inkonsequent.

Den körperlichen Unterschieden entsprechend wurden die Lebensbereiche von Mann und Frau festgelegt. Sie sind voneinander strikt getrennt: Der Lebensbereich des Mannes ist die Öffentlichkeit, der Lebensbereich der Frau ist das Heim, die Familie. Diese Aufteilung entspricht der Trennung von Produktionsstätte und Wohnstätte, also der Trennung von Erwerbssphäre und Familiensphäre im Bürgertum. Der Mann ist der Ernährer und Beschützer der Familie, der das Heim jeden Tag verlässt und in die große Welt hinaustritt. Nur er ist ein autonomes Individuum, nur er partizipiert an der Öffentlichkeit. Die Frau ist Mutter, Gattin, Hausfrau, die die Kinder erzieht, ihrem müden Ehemann ein Refugium schafft und durch ihre Schönheit und Eleganz den Berufserfolg des Mannes repräsentiert. Diese sozialen Funktionen erscheinen als die natürliche Bestimmung der Geschlechter. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung der bürgerlichen Gesellschaft wird durch Wesensmerkmale von Mann und Frau legitimiert.

Laut dieser Auffassung ergänzen die weiblichen und männlichen Eigenschaften und Tätigkeitsbereiche einander, sie bilden zusammen ein Ganzes. Diese Ordnung der Geschlechter sei naturgegeben – behauptete man im 19. Jahrhundert –, sie entspreche der Ordnung der Natur. Jeder Verstoß gegen sie wurde als Verstoß gegen die Naturgesetze betrachtet.

Man findet den hier vorgestellten Gedankengang vor allem in den Texten, die in den 1870–80er Jahren entstanden. Auch später – während der ganzen untersuchten Epoche – berief man sich oft auf den unterschiedlichen Charakter und die natürliche Bestimmung von Mann und Frau, man hielt es aber für unnötig, den ganzen Gedankengang zu wiederholen. Die Behauptung, daß die Geschlechtereigenschaften und -rollen naturgegeben sind, wurde nicht mehr bewiesen, man betrachtete sie als eine längst bestätigte und allgemein bekannte Tatsache.

Der Lebensbereich der Frau ist laut bürgerlicher Geschlechterphilosophie die Familie. Wenn die Frau studiert, verlässt sie den ihr von der Natur zugeordneten Bereich und tritt in die Öffentlichkeit hinaus, wo sie sich nur mit männlichen Eigenschaften durchsetzen könnte. Die wissenschaftliche Tätigkeit widerspricht dem Charakter und der natürlichen Bestimmung der Frau – behaupteten die Gegner des Frauenstudiums.

Frauenstudium ist also ein Verstoß gegen die Gesetze der Natur und kann verhängnisvolle Folgen haben. Die geistige Tätigkeit belästigt in dem Maße den schwachen Körper und die empfindliche Psyche der Frau, dass sie ihrer natürlichen Aufgabe als Mutter nicht gerecht werden kann. Die Frauen müssen für die intellektuelle Entwicklung ihre Geschlechtigkeit einbüßen, Weiblichkeit und Wissenschaft schließen sich gegenseitig aus. Géza Mihalkovics, Rektor der Universität in Budapest erklärte das folgenderweise: Der Beruf, den man ausübt, verändert auf die Dauer den menschlichen Organismus – meinte er. Wenn Frauen Männerarbeiten – wie z.B. wissenschaftliche Tätigkeit – verrichten, nehmen sie männliche Eigenschaften an und verlieren ihren weiblichen Charakter.2

Das Frauenstudium stellt also eine enorme Gefahr dar – argumentierte man –, es gefährdet die Familie, die der Kern der Gesellschaft ist, es gefährdet sogar das Fortbestehen der Menschheit. Es ist aber selbst für die Frau gefährlich, es führt bei ihr zu körperlichen und physischen Schäden.

Ein weiteres wichtiges Argument der Gegner des Frauenstudiums war, dass Frauen zur wissenschaftlichen Tätigkeit nicht oder weniger fähig seien als Männer. Einerseits wegen ihrer körperlichen Schwäche, andererseits wegen ihrer nicht ausreichenden geistigen Fähigkeiten. Die Verfasser der in den 1870–80er Jahren entstandenen Texte führten die geistige Unterlegenheit der Frau darauf zurück, dass das große Gehirn bei Frauen wesentlich kleiner ist als bei Männern. Später argumentierte man nicht mehr damit,3 aber man betonte auch weiter, dass Frauen und Männer anders denken, und Frauen über die zur wissenschaftlichen Tätigkeit nötigen Fähigkeiten weniger verfügen als Männer. Frauen sind nämlich – nach der Meinung der Gegner – viel zu subjektiv. Ihr Denken ist konkret, sie sind zur Abstraktion weniger fähig als Männer. Ihr Geist ist weniger originell, weniger schöpferisch, ihre geistige Tätigkeit ist mehr nachahmend und empfangend. Um diese Behauptungen zu beweisen, wies man darauf hin, dass es in der Geschichte keine genialen Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen gab.

Nachdem die Universitäten für Frauen eröffnet worden waren, berief man sich auch auf die eigenen Erfahrungen mit Studentinnen. Die Professoren der Universität in Budapest argumentierten für die Einschränkung des Frauenstudiums damit, dass die Frauen wegen ihrer psychischen Eigenschaften zur wissenschaftlichen Tätigkeit nicht fähig seien. Sie beschrieben die Leistungen der Studentinnen den gängigen Vorstellungen vom weiblichen Charakter entsprechend. Eine Kommission der Philosophischen Fakultät, die sich 1917 mit der Frage des Frauenstudiums beschäftigte, beschrieb z.B. die Studentinnen folgenderweise: Sie seien subjektiv, sie würden von ihren Gefühlen geleitet, sie seien nicht fähig, sich in einem Thema zu vertiefen. Laut Erfahrungen der Kommissionsmitglieder seien Studentinnen unselbständig. Sie lernten den Lehrstoff mechanisch, ohne ihn richtig zu verstehen. Sie erkannten die inneren Zusammenhänge nur schwer. Sie sammelten zwar fleißig und gewissenhaft Daten, gelangten aber nur selten zur Synthese. Einen weiteren wichtigen Fehler der Studentinnen sah die Kommission darin, dass sie zur Abstraktion nicht fähig seien.4

Diejenigen Professoren, die die Erweiterung des Frauenstudiums unterstützten, bewerteten die Leistung der weiblichen Studierenden ganz anders. Sie vertraten die Meinung, die hervorragenden Leistungen der Studentinnen sind ein Beweis dafür, dass es richtig war, das Studium auch für Frauen zu ermöglichen. Die Statistiken bestätigen auf jeden Fall ihre Meinung: die Prüfungsergebnisse der Studentinnen waren viel besser als die der Studenten.

Die Gegner des Frauenstudiums machten sich auch um die Moral der Studentinnen Sorgen. Es würde zu einer Katastrophe führen, wenn Männer und Frauen zusammen studierten – meinten sie. Es könnten ja unerwünschte Beziehungen zwischen Studenten und Studentinnen entstehen, davon gar nicht zu sprechen, dass die Studentinnen die Aufmerksamkeit der Studenten von den wissenschaftlichen Fächern wohl ablenkten. Besonders beim Medizinstudium sah man die weiblichen Sitten in Gefahr. Das Studium der Medizin gefährde die natürliche Sittlichkeit der Frau, verletze also „die edelsten Seiten der weiblichen Natur” – behauptete man. Auch gegen Apothekerinnen wurde dieses Argument gerne angeführt. Es ist interessant, dass sich auch die Befürworter der Öffnung des ärztlichen Berufes für Frauen auf die weibliche Schamhaftigkeit beriefen. Sie argumentierten damit, dass sich viele Frauen aus Scham nicht an männliche Ärzte wenden, man müsste deswegen Ärztinnen einsetzen.

Diese waren die Argumente, die auf der bürgerlichen Auffassung von Geschlechtscharakteren basierten. Die Befürworter des Frauenstudiums wiesen natürlich die Argumente der Gegner zurück. Dabei argumentierten auch sie oft im Sinne der bürgerlichen Geschlechterphilosophie. Sie betonten z.B., dass die gebildeten Frauen ihre natürlichen Aufgaben nicht vernachlässigen, im Gegenteil, sie können ihre Pflichten als Mutter, Ehefrau und Hausfrau besser erfüllen als die ungebildeten Frauen. Man könnte auch die ärztliche Ausbildung von Frauen als Beispiel erwähnen. Dafür wurde einerseits damit argumentiert, dass sie der natürlichen Bestimmung und den natürlichen Eigenschaften der Frau entspreche. Andererseits berief man sich darauf, dass eine Ärztin die Frauen und Kinder besser verstehen und behandeln könne, und diese mehr Vertrauen zu ihr hätten.

Man argumentierte nicht nur mit dem unterschiedlichen Charakter und der unterschiedlichen natürlichen Bestimmung von Mann und Frau gegen das Frauenstudium. Eines der wichtigsten Argumente der Gegner war, dass die Akademikerinnen die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt erhöhten, so könnten noch weniger Männer eine sichere Arbeit finden und eine Familie gründen. Diese Befürchtung wurde vor allem ab Anfang des 20. Jahrhunderts laut, als der akademische Arbeitsmarkt in Ungarn überfüllt wurde. Die Angst vor der wachsenden Konkurrenz war höchstwahrscheinlich einer der wichtigsten Gründe des Widerstandes, der dem Frauenstudium gegenüber geleistet wurde. Darauf weist auch die Tatsache hin, dass die Vertreter der einzelnen akademischen Berufe vor allem ihre eigene Profession vor Frauen schützen wollten. Die Ärzteschaft ist ein gutes Beispiel dafür. Nachdem die Medizinische Fakultät für Frauen eröffnet worden war, sahen die Ärzte keinen Grund mehr, die anderen Fakultäten vor Frauen geschlossen zu halten. Sie betonten sogar, der ärztliche Beruf sei der für Frauen am wenigsten geeignete akademische Beruf. Wenn man also die Frauen zu dieser Profession zulasse, sollte man auch die anderen akademischen Berufe für sie zugänglich machen. Man kann leicht das wahre Motiv hinter dieser Argumentation erkennen. Einige Ärzte sprachen klar aus, worum es in Wirklichkeit ging. Gyula Donáth, Professor der Universität in Budapest erklärte z.B., es sei ungerecht, dass die Ärzteschaft die ganze weibliche Konkurrenz am Halse habe. Man solle Frauen den Zugang auch zu anderen akademischen Berufen sichern, damit die Konkurrenz gerechter verteilt werde.5

Die Angst vor der wachsenden Konkurrenz war der Grund auch dafür, dass man im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts die Zulassung der Frauen zum Studium erschwerte. In den Fakultätssitzungen wurde die Einschränkung des Frauenstudiums mit der Überfüllung der Universität und der akademischen Berufe begründet. Es gab Professoren, die die Zulassung aller Studienbewerber einschränken wollten, unabhängig vom Geschlecht, das wurde aber nicht verwirklicht. Es war viel einfacher, die Frauen von der Universität fernzuhalten, sie durften ja sowieso nur mit spezieller Genehmigung studieren. Man berief sich gerne auf den ministeriellen Erlass, durch den die Philosophische und die Medizinische Fakultät geöffnet wurden. In diesem Erlass wurde nämlich als Ziel der Anordnung angegeben, besonders begabten Frauen das Studium zu ermöglichen. Die Professoren argumentierten auch mit den schlechten Leistungen der Studentinnen für die Einschränkung des Frauenstudiums, wie wir das schon gesehen haben. Darüber hinaus schilderten sie mit großer Empathie, was für schädliche Folgen das Studium auf den schwachen Körper und die empfindliche Psyche der studierenden Frauen habe.6

Zu der Angst vor der Konkurrenz kam noch die Befürchtung, das soziale Prestige der akademischen Berufe würde sinken, wenn auch Frauen diese Berufe ergriffen. Besonders klar wird das, wenn man die Reaktionen der Apothekerschaft betrachtet. Die Hälfte der Apotheker, die sich über die Zulassung der Frauen zum Apothekerberuf äußerten, machte sich Sorgen darum, dass Frauen das gesellschaftliche Ansehen der Apothekerschaft stark beeinträchtigten.7 Da spielte wahrscheinlich auch die Tatsache eine Rolle, dass sich dieser Beruf erst zu dieser Zeit als akademischer Beruf etablierte.

Meiner Meinung nach hatte der Widerstand dem Frauenstudium gegenüber noch einen wichtigen Grund. Der Universitätsabschluss ermöglichte es auch Frauen, Berufe mit Macht und hohem sozialen Prestige zu ergreifen. Diese Berufe waren bisher Männern vorbehalten, es ist kein Wunder, dass sie diese Positionen Frauen nicht überlassen wollten. Es ist bezeichnend, dass selbst diejenigen, die die Frauenerwerbstätigkeit für nötig hielten, Frauen lieber in niedrigeren, Männern unterstellten Positionen gesehen hätten, z.B. nicht als Ärztinnen, sondern als Krankenschwestern.

Besonders eindeutig ist das im Falle des Jurastudiums. Selbst die Zeitgenossen wiesen daruf hin, dass die Öffnung der Berufe der Rechtspflege eine Machtfrage sei.8 Bis 1946 durften Frauen in Ungarn nicht Jura studieren, und auch in anderen Ländern war der Widerstand auf diesem Gebiet am hartnäckigsten. Es ist damit zu erklären, dass Juristen besonders große Macht hatten, sie waren ja an der Aufstellung von Rechtsnormen und an deren Durchsetzung beteiligt. In Ungarn genossen Juristen ein besonders hohes gesellschaftliches Ansehen, die höheren Beamtenstellen waren ihnen vorbehalten.

Die Sorge um die Machtpositionen von Männern und um ihre Positionen auf dem Arbeitsmarkt war ein sehr wichtiger Grund dafür, dass man versuchte, das Frauenstudium zu hindern. Das ist aber nicht einfach auf männlichen Egoismus und auf männliche Machtgier zurückzuführen. Man muss berücksichtigen, dass die Öffentlichkeit nach der Auffassung dieser Zeit der Lebensbereich des Mannes war, die Versorgung der Familie war seine Aufgabe. Diese Arbeitsteilung wurde aus der Natur abgeleitet und wissenschaftlich bewiesen, so war sie heilig und unantastbar. Der Auftritt der Frauen hat diese Ordnung in Frage gestellt. Die vorher vorgestellte Auffassung über Geschlechtscharaktere und geschlechtsspezifische Arbeitsteilung war in der Gesellschaft tief verwurzelt. Auch Frauen waren von ihrer Richtigkeit überzeugt. Ein Zeichen dafür ist, dass es unter den Gegnern des Frauenstudiums auch Frauen gab, und auch sie beriefen sich auf die natürliche Bestimmung und auf den Charakter der Frau. Selbst diejenigen, die die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung verändern wollten, argumentierten oft im Rahmen der bürgerlichen Geschlechterphilosophie.

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Wie kann man also die am Anfang gestellte Frage beantworten: warum forderten die Frauen das Recht auf Studium, und warum hat man ihnen Widerstand geleistet? Auf Grund der bearbeiteten Texte kann man folgende Antwort geben: Die Frauen strebten die Öffnung der Universitäten an, weil sie standesgemäße Berufe ergreifen und die dazu nötige Ausbildung erwerben wollten. Sie wollten aus dem ihnen zugeordneten Bereich in die Öffentlichkeit hinaustreten. Sie taten das einerseits aus finanziellen Gründen. Andererseits, weil sie den Wunsch hatten, ernste, für die Gesellschaft nützliche geistige Arbeit zu leisten. Im Hintergrund dieser Bestrebungen stand der Prozess der Modernisierung, d.h. die fortschreitende Emanzipation und der Anstieg des Bildungsniveaus der Bevölkerung. Der Widerstand, der dem Frauenstudium gegenüber geleistet wurde, hatte meiner Meinung nach folgende Gründe. Erstens: Die Frauen erhöhten die Konkurrenz auf dem bereits überfüllten akademischen Arbeitsmarkt. Zweitens: Der Studienabschluss ermöglichte es Frauen, Berufe mit Macht und hohem sozialen Prestige zu ergreifen, die bisher Männern vorbehalten waren. Drittens: Frauenstudium verletzte das Frauenbild, die auf der Polarität der Geschlechtereigenschaften basierende geschlechtsspezifische Arbeitsteilung.

 

Anmerkungen

1

Honegger, Claudia: Die Ordnung der Geschlechter. Die Wissenschaften vom Menschen und das Weib 1750–1850. Campus Verlag, Frankfurt–New York 1991

2

Mihalkovics Géza székfoglaló beszéde (Antrittsrede). In: Acta Reg. Scient. Universitatis Hung. Budapestiensis anni MDCCCXCVIII–XCIX, Fasc.I.

3

Vertreter des Gegenlagers erwähnten auch später dieses Argument und bezeichneten es als eine überholte Ansicht

4

ELTE Levéltára (ELTE-Archiv) 8.b.28.:351/1917–18. sz.

5

Donáth Gyula beszéde. In: Főiskolai tanárok beszédei és írásos nyilatkozatai a Budapesti Tudományegyetem hallgatóinak nagygyűlésén. A gyűlés jegyzőkönyvének melléklete. Én. S. 12–13. (Die Rede von Gyula Donáth auf der Versammlung der Studenten der Universität Budapest)

6

ELTE Levéltára (ELTE-Archiv), 8.b.7.: 1026/1911–12. sz., 8.b.10.: 152/1912–13. sz., 8.b.28.: 351/1917–18. sz., 8.b.31.: 638/1918–19. sz.; SOTE Levéltára (SOTE-Archiv) 1.a.29. : Sitzung vom 15. 01. 1904

7

Gyógyszerészi Hetilap (Wochenzeitschrift für Pharmazie), 33. Jg. 1894. Nr. 43., 34. Jg. 1895. Nr. 7, 12, 14, 25, 26, 29, 30, 49

8

Apáthy István és Szászy-Schwarz Gusztáv beszéde. In: Főiskolai tanárok beszédei és írásos nyilatkozatai a Budapesti Tudományegyetem nagygyűlésén. én. S. 7, S. 21 (Die Rede von Apáthy István und Szászy-Schwarz Gusztáv auf der Versammlung der Studenten der Universität Budapest)